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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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mehr gespürt wurden. Man kann nicht aufmerksam genug
alles beachten, was die Gleichzeitigkeit der Bodenschwingungen
und die Unabhängigkeit derselben auf zusammenhängenden
Landstrichen betrifft. Alles weist darauf hin, daß die Be-
wegung sich nicht an der Oberfläche fortpflanzt, sondern durch
sehr tiefe Spalten, die in verschiedene Herde auslaufen.

Die Umgebung der Stadt Angostura bietet wenig Ab-
wechselung; indessen ist die Aussicht auf den Strom, der einen
ungeheuren von Südwest nach Nordost laufenden Kanal dar-
stellt, höchst großartig. Nach einem langen Streit über die
Verteidigung des Platzes und die Kanonenschußweite wollte
die Regierung genau wissen, wie breit der Strom bei dem
Punkte sei, welcher der Engpaß heißt, und wo ein Fels
liegt (el Pennon), der bei Hochwasser ganz bedeckt wird. Ob-
gleich bei der Provinzialregierung ein Ingenieur angestellt ist,
hatte man wenige Monate vor meiner Ankunft in Angostura
aus Caracas Don Matias Yturbur hergeschickt, um den Ori-
noko zwischen der geschleiften Schanze San Gabriel und der
Redoute San Rafael messen zu lassen. Ich hörte in nicht
zuverlässiger Weise, bei dieser Messung haben sich etwas über
800 varas castellanas (669 m) ergeben. Der Stadtplan,
welcher der großen Karte von Südamerika von La Cruz Ol-
medilla beigegeben ist, gibt 940 (785 m) an. Ich selbst habe
den Strom zweimal sehr genau trigonometrisch gemessen, ein-
mal beim Engpaß selbst zwischen den beiden Schanzen San
Gabriel und San Rafael, und dann ostwärts von Angostura
auf dem großen Spaziergang (Alameda) beim Embarcadero
del ganado.
Ich fand für den ersteren Punkt (als Minimum
der Breite) 1130 m, für letzteren 955 m. Der Strom ist
also hier noch immer vier- bis fünfmal breiter als die Seine
beim Pflanzengarten, und doch heißt diese Strecke am Ori-
noko eine Einschnürung, ein Engpaß. Nichts gibt einen
besseren Begriff von der Wassermasse der großen Ströme
Amerikas als die Dimensionen dieser sogenannten Engpässe.
Der Amazonenstrom ist nach meiner Messung beim Pongo
de Rentema 423 m, beim Pongo de Manseriche, nach La
Condamine, 48 und beim Engpaß Pauxis 1750 m breit.
Letzterer Engpaß ist also beinahe so breit als der Orinoko im
Engpaß beim Baraguan. 1

Bei Hochwasser überschwemmt der Strom die Quais, und

1 Ich fand denselben 1732 m breit.

mehr geſpürt wurden. Man kann nicht aufmerkſam genug
alles beachten, was die Gleichzeitigkeit der Bodenſchwingungen
und die Unabhängigkeit derſelben auf zuſammenhängenden
Landſtrichen betrifft. Alles weiſt darauf hin, daß die Be-
wegung ſich nicht an der Oberfläche fortpflanzt, ſondern durch
ſehr tiefe Spalten, die in verſchiedene Herde auslaufen.

Die Umgebung der Stadt Angoſtura bietet wenig Ab-
wechſelung; indeſſen iſt die Ausſicht auf den Strom, der einen
ungeheuren von Südweſt nach Nordoſt laufenden Kanal dar-
ſtellt, höchſt großartig. Nach einem langen Streit über die
Verteidigung des Platzes und die Kanonenſchußweite wollte
die Regierung genau wiſſen, wie breit der Strom bei dem
Punkte ſei, welcher der Engpaß heißt, und wo ein Fels
liegt (el Peñon), der bei Hochwaſſer ganz bedeckt wird. Ob-
gleich bei der Provinzialregierung ein Ingenieur angeſtellt iſt,
hatte man wenige Monate vor meiner Ankunft in Angoſtura
aus Caracas Don Matias Yturbur hergeſchickt, um den Ori-
noko zwiſchen der geſchleiften Schanze San Gabriel und der
Redoute San Rafael meſſen zu laſſen. Ich hörte in nicht
zuverläſſiger Weiſe, bei dieſer Meſſung haben ſich etwas über
800 varas castellanas (669 m) ergeben. Der Stadtplan,
welcher der großen Karte von Südamerika von La Cruz Ol-
medilla beigegeben iſt, gibt 940 (785 m) an. Ich ſelbſt habe
den Strom zweimal ſehr genau trigonometriſch gemeſſen, ein-
mal beim Engpaß ſelbſt zwiſchen den beiden Schanzen San
Gabriel und San Rafael, und dann oſtwärts von Angoſtura
auf dem großen Spaziergang (Alameda) beim Embarcadero
del ganado.
Ich fand für den erſteren Punkt (als Minimum
der Breite) 1130 m, für letzteren 955 m. Der Strom iſt
alſo hier noch immer vier- bis fünfmal breiter als die Seine
beim Pflanzengarten, und doch heißt dieſe Strecke am Ori-
noko eine Einſchnürung, ein Engpaß. Nichts gibt einen
beſſeren Begriff von der Waſſermaſſe der großen Ströme
Amerikas als die Dimenſionen dieſer ſogenannten Engpäſſe.
Der Amazonenſtrom iſt nach meiner Meſſung beim Pongo
de Rentema 423 m, beim Pongo de Manſeriche, nach La
Condamine, 48 und beim Engpaß Pauxis 1750 m breit.
Letzterer Engpaß iſt alſo beinahe ſo breit als der Orinoko im
Engpaß beim Baraguan. 1

Bei Hochwaſſer überſchwemmt der Strom die Quais, und

1 Ich fand denſelben 1732 m breit.
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[153/0161] mehr geſpürt wurden. Man kann nicht aufmerkſam genug alles beachten, was die Gleichzeitigkeit der Bodenſchwingungen und die Unabhängigkeit derſelben auf zuſammenhängenden Landſtrichen betrifft. Alles weiſt darauf hin, daß die Be- wegung ſich nicht an der Oberfläche fortpflanzt, ſondern durch ſehr tiefe Spalten, die in verſchiedene Herde auslaufen. Die Umgebung der Stadt Angoſtura bietet wenig Ab- wechſelung; indeſſen iſt die Ausſicht auf den Strom, der einen ungeheuren von Südweſt nach Nordoſt laufenden Kanal dar- ſtellt, höchſt großartig. Nach einem langen Streit über die Verteidigung des Platzes und die Kanonenſchußweite wollte die Regierung genau wiſſen, wie breit der Strom bei dem Punkte ſei, welcher der Engpaß heißt, und wo ein Fels liegt (el Peñon), der bei Hochwaſſer ganz bedeckt wird. Ob- gleich bei der Provinzialregierung ein Ingenieur angeſtellt iſt, hatte man wenige Monate vor meiner Ankunft in Angoſtura aus Caracas Don Matias Yturbur hergeſchickt, um den Ori- noko zwiſchen der geſchleiften Schanze San Gabriel und der Redoute San Rafael meſſen zu laſſen. Ich hörte in nicht zuverläſſiger Weiſe, bei dieſer Meſſung haben ſich etwas über 800 varas castellanas (669 m) ergeben. Der Stadtplan, welcher der großen Karte von Südamerika von La Cruz Ol- medilla beigegeben iſt, gibt 940 (785 m) an. Ich ſelbſt habe den Strom zweimal ſehr genau trigonometriſch gemeſſen, ein- mal beim Engpaß ſelbſt zwiſchen den beiden Schanzen San Gabriel und San Rafael, und dann oſtwärts von Angoſtura auf dem großen Spaziergang (Alameda) beim Embarcadero del ganado. Ich fand für den erſteren Punkt (als Minimum der Breite) 1130 m, für letzteren 955 m. Der Strom iſt alſo hier noch immer vier- bis fünfmal breiter als die Seine beim Pflanzengarten, und doch heißt dieſe Strecke am Ori- noko eine Einſchnürung, ein Engpaß. Nichts gibt einen beſſeren Begriff von der Waſſermaſſe der großen Ströme Amerikas als die Dimenſionen dieſer ſogenannten Engpäſſe. Der Amazonenſtrom iſt nach meiner Meſſung beim Pongo de Rentema 423 m, beim Pongo de Manſeriche, nach La Condamine, 48 und beim Engpaß Pauxis 1750 m breit. Letzterer Engpaß iſt alſo beinahe ſo breit als der Orinoko im Engpaß beim Baraguan. 1 Bei Hochwaſſer überſchwemmt der Strom die Quais, und 1 Ich fand denſelben 1732 m breit.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/161>, abgerufen am 22.11.2024.