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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Da dieser Name sehr lang ist, so sagt man dafür im gemeinen
Leben Angostura (Engpaß).1 Die Bevölkerung dieser Län-
der weiß kaum, daß die Namen Santiago de Leon und Santo
Tome auf unseren Karten die beiden Hauptstädte von Vene-
zuela und Guyana bedeuten.

Angostura, dessen Länge und Breite sich nach astronomi-
schen Beobachtungen schon oben angegeben, lehnt sich an einen
kahlen Hügel von Hornblendeschiefer. Die Straßen sind ge-
rade und laufen meist dem Strome parallel. Viele Häuser
stehen auf dem nackten Fels, und hier, wie in Carichana und
in manchen Missionen, glaubt man, daß durch die schwarzen
stark von der Sonne erhitzten Flächen die Luft ungesund
werde. Für gefährlicher halte ich die Lachen stehenden Wassers
(Lagunas y anegadizos), die hinter der Stadt gegen Südost
sich hinziehen. Die Häuser in Angostura sind hoch, angenehm
und meistens aus Stein. Diese Bauart beweist, daß man
sich hierzulande vor den Erdbeben nicht sehr fürchtet; leider
gründet sich aber diese Sicherheit keineswegs auf einen Schluß
aus zuverlässigen Beobachtungen. Im Küstenland von Neu-
andalusien spürt man allerdings zuweilen sehr starke Stöße,
die sich nicht über die Llanos hinüber fortpflanzen. Von der
furchtbaren Katastrophe in Cumana am 4. Februar 1797 fühlte
man in Angostura nichts, aber beim großen Erdbeben vom
Jahre 1766, das jene Stadt gleichfalls zerstörte, wurde der
Granitboden beider Orinokoufer bis zu den Katarakten von
Atures und Maypures erschüttert. Südlich von denselben spürt
man zuweilen Stöße, die sich auf das Becken des oberen
Orinoko und des Rio Negro beschränken. Dieselben scheinen
von einem vulkanischen Herd auszugehen, der von dem auf
den Kleinen Antillen weit abliegt. Nach den Angaben der
Missionäre in Javita und San Fernando de Atabapo waren
im Jahr 1798 zwischen dem Guaviare und dem Rio Negro
sehr starke Erdbeben, die nordwärts, Maypures zu, nicht

1 Daß es eine Stadt Angostura gebe, erfuhr man in
Europa durch den handel der Katalonier mit der China vom Rio
Carony, welche die heilkräftige Rinde der Bonplandia trifoliata
ist. Da diese Rinde von Nueva Guyana kam, so nannte man sie
Corteza oder Cascarilla del Angostura, Cortex An-
gosturae.
Die Botaniker wußten so wenig, woher diese geo-
graphische Benennung rührte, daß sie anfangs Angustura und
dann Augusta schrieben.

Da dieſer Name ſehr lang iſt, ſo ſagt man dafür im gemeinen
Leben Angoſtura (Engpaß).1 Die Bevölkerung dieſer Län-
der weiß kaum, daß die Namen Santiago de Leon und Santo
Tome auf unſeren Karten die beiden Hauptſtädte von Vene-
zuela und Guyana bedeuten.

Angoſtura, deſſen Länge und Breite ſich nach aſtronomi-
ſchen Beobachtungen ſchon oben angegeben, lehnt ſich an einen
kahlen Hügel von Hornblendeſchiefer. Die Straßen ſind ge-
rade und laufen meiſt dem Strome parallel. Viele Häuſer
ſtehen auf dem nackten Fels, und hier, wie in Carichana und
in manchen Miſſionen, glaubt man, daß durch die ſchwarzen
ſtark von der Sonne erhitzten Flächen die Luft ungeſund
werde. Für gefährlicher halte ich die Lachen ſtehenden Waſſers
(Lagunas y anegadizos), die hinter der Stadt gegen Südoſt
ſich hinziehen. Die Häuſer in Angoſtura ſind hoch, angenehm
und meiſtens aus Stein. Dieſe Bauart beweiſt, daß man
ſich hierzulande vor den Erdbeben nicht ſehr fürchtet; leider
gründet ſich aber dieſe Sicherheit keineswegs auf einen Schluß
aus zuverläſſigen Beobachtungen. Im Küſtenland von Neu-
andaluſien ſpürt man allerdings zuweilen ſehr ſtarke Stöße,
die ſich nicht über die Llanos hinüber fortpflanzen. Von der
furchtbaren Kataſtrophe in Cumana am 4. Februar 1797 fühlte
man in Angoſtura nichts, aber beim großen Erdbeben vom
Jahre 1766, das jene Stadt gleichfalls zerſtörte, wurde der
Granitboden beider Orinokoufer bis zu den Katarakten von
Atures und Maypures erſchüttert. Südlich von denſelben ſpürt
man zuweilen Stöße, die ſich auf das Becken des oberen
Orinoko und des Rio Negro beſchränken. Dieſelben ſcheinen
von einem vulkaniſchen Herd auszugehen, der von dem auf
den Kleinen Antillen weit abliegt. Nach den Angaben der
Miſſionäre in Javita und San Fernando de Atabapo waren
im Jahr 1798 zwiſchen dem Guaviare und dem Rio Negro
ſehr ſtarke Erdbeben, die nordwärts, Maypures zu, nicht

1 Daß es eine Stadt Angoſtura gebe, erfuhr man in
Europa durch den handel der Katalonier mit der China vom Rio
Carony, welche die heilkräftige Rinde der Bonplandia trifoliata
iſt. Da dieſe Rinde von Nueva Guyana kam, ſo nannte man ſie
Corteza oder Cascarilla del Angostura, Cortex An-
gosturae.
Die Botaniker wußten ſo wenig, woher dieſe geo-
graphiſche Benennung rührte, daß ſie anfangs Anguſtura und
dann Auguſta ſchrieben.
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[152/0160] Da dieſer Name ſehr lang iſt, ſo ſagt man dafür im gemeinen Leben Angoſtura (Engpaß). 1 Die Bevölkerung dieſer Län- der weiß kaum, daß die Namen Santiago de Leon und Santo Tome auf unſeren Karten die beiden Hauptſtädte von Vene- zuela und Guyana bedeuten. Angoſtura, deſſen Länge und Breite ſich nach aſtronomi- ſchen Beobachtungen ſchon oben angegeben, lehnt ſich an einen kahlen Hügel von Hornblendeſchiefer. Die Straßen ſind ge- rade und laufen meiſt dem Strome parallel. Viele Häuſer ſtehen auf dem nackten Fels, und hier, wie in Carichana und in manchen Miſſionen, glaubt man, daß durch die ſchwarzen ſtark von der Sonne erhitzten Flächen die Luft ungeſund werde. Für gefährlicher halte ich die Lachen ſtehenden Waſſers (Lagunas y anegadizos), die hinter der Stadt gegen Südoſt ſich hinziehen. Die Häuſer in Angoſtura ſind hoch, angenehm und meiſtens aus Stein. Dieſe Bauart beweiſt, daß man ſich hierzulande vor den Erdbeben nicht ſehr fürchtet; leider gründet ſich aber dieſe Sicherheit keineswegs auf einen Schluß aus zuverläſſigen Beobachtungen. Im Küſtenland von Neu- andaluſien ſpürt man allerdings zuweilen ſehr ſtarke Stöße, die ſich nicht über die Llanos hinüber fortpflanzen. Von der furchtbaren Kataſtrophe in Cumana am 4. Februar 1797 fühlte man in Angoſtura nichts, aber beim großen Erdbeben vom Jahre 1766, das jene Stadt gleichfalls zerſtörte, wurde der Granitboden beider Orinokoufer bis zu den Katarakten von Atures und Maypures erſchüttert. Südlich von denſelben ſpürt man zuweilen Stöße, die ſich auf das Becken des oberen Orinoko und des Rio Negro beſchränken. Dieſelben ſcheinen von einem vulkaniſchen Herd auszugehen, der von dem auf den Kleinen Antillen weit abliegt. Nach den Angaben der Miſſionäre in Javita und San Fernando de Atabapo waren im Jahr 1798 zwiſchen dem Guaviare und dem Rio Negro ſehr ſtarke Erdbeben, die nordwärts, Maypures zu, nicht 1 Daß es eine Stadt Angoſtura gebe, erfuhr man in Europa durch den handel der Katalonier mit der China vom Rio Carony, welche die heilkräftige Rinde der Bonplandia trifoliata iſt. Da dieſe Rinde von Nueva Guyana kam, ſo nannte man ſie Corteza oder Cascarilla del Angostura, Cortex An- gosturae. Die Botaniker wußten ſo wenig, woher dieſe geo- graphiſche Benennung rührte, daß ſie anfangs Anguſtura und dann Auguſta ſchrieben.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/160>, abgerufen am 22.11.2024.