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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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eines großen Stelzenläufers zu sein. Ich habe das Niopo
samt dem ganzen seltsamen Apparate Fourcroy in Paris über-
macht. Das Niopo ist so reizend, daß ganz wenig davon
heftiges Niesen verursacht, wenn man nicht daran gewöhnt
ist. Pater Gumilla sagt, "dieses Teufelspulver der Otomaken,
das von einem baumartigen Tabake komme, berausche sie durch
die Nasenlöcher (emboracha por las narices), raube ihnen
auf einige Stunden die Vernunft und mache sie im Gefechte
rasend". Die Samen, Säfte und Wurzeln der Familie der
Schotengewächse haben auffallend verschiedene chemische und
arzneiliche Eigenschaften; wenn aber auch der Saft der Frucht
der Mimosa nilotica stark adstringierend ist, so ist doch nicht
wohl zu glauben, daß die Schote der Acacia Niopo dem
Tabake der Otomaken zunächst seine reizende Eigenschaft ver-
leiht. Dieselbe rührt vielmehr vom frischgebrannten Kalke her.
Wir haben oben gesehen, daß die Bergbewohner in den Anden
von Popayan und die Guajiro, die zwischen dem See Mara-
caybo und dem Rio la Hacha umherziehen, auch Kalk ver-
schlucken, und zwar als Reizmittel, um die Absonderung des
Speichels und des Magensaftes zu befördern.

Dadurch, daß die umständliche Vorrichtung, deren sich
die Otomaken zum Aufziehen des Niopopulvers bedienen,
durch mich nach Europa kam, wurden die Gelehrten auf einen
ähnlichen Brauch aufmerksam gemacht, den La Condamine am
oberen Marannon beobachtet hat. Die Omagua, deren Name
durch ihre Züge zur Entdeckung des Dorado vielberufen ist,
haben denselben Teller, dieselben hohlen Vogelknochen, durch
die sie ihr Curupapulver in die Nase ziehen. Der Samen,
von dem dieses Pulver kommt, ist ohne Zweifel auch eine
Mimose; denn die Otomaken nennen, dem Pater Gili zufolge,
noch jetzt, 1170 km vom Amazonenstrome, die Acacia Niopo
Curupa. Seit meinen neuerlichen geographischen Unter-
suchungen über den Schauplatz der Thaten Philipps von
Hutten und über die wahre Lage der Provinz Papamene oder
der Omagua hat die Vermutung einer früheren Verbindung
zwischen den Otomaken am Orinoko und den Omagua am
Amazonenstrome an Bedeutung und Wahrscheinlichkeit ge-
wonnen. Erstere kamen vom Rio Meta, vielleicht aus dem
Lande zwischen diesem Flusse und dem Guaviare; letztere
wollen selbst in großer Anzahl über den Rio Japura, vom
östlichen Abhange der Anden von Neugranada her, an den
Marannon gekommen sein. Nun scheint aber das Land der

eines großen Stelzenläufers zu ſein. Ich habe das Niopo
ſamt dem ganzen ſeltſamen Apparate Fourcroy in Paris über-
macht. Das Niopo iſt ſo reizend, daß ganz wenig davon
heftiges Nieſen verurſacht, wenn man nicht daran gewöhnt
iſt. Pater Gumilla ſagt, „dieſes Teufelspulver der Otomaken,
das von einem baumartigen Tabake komme, berauſche ſie durch
die Naſenlöcher (emboracha por las narices), raube ihnen
auf einige Stunden die Vernunft und mache ſie im Gefechte
raſend“. Die Samen, Säfte und Wurzeln der Familie der
Schotengewächſe haben auffallend verſchiedene chemiſche und
arzneiliche Eigenſchaften; wenn aber auch der Saft der Frucht
der Mimosa nilotica ſtark adſtringierend iſt, ſo iſt doch nicht
wohl zu glauben, daß die Schote der Acacia Niopo dem
Tabake der Otomaken zunächſt ſeine reizende Eigenſchaft ver-
leiht. Dieſelbe rührt vielmehr vom friſchgebrannten Kalke her.
Wir haben oben geſehen, daß die Bergbewohner in den Anden
von Popayan und die Guajiro, die zwiſchen dem See Mara-
caybo und dem Rio la Hacha umherziehen, auch Kalk ver-
ſchlucken, und zwar als Reizmittel, um die Abſonderung des
Speichels und des Magenſaftes zu befördern.

Dadurch, daß die umſtändliche Vorrichtung, deren ſich
die Otomaken zum Aufziehen des Niopopulvers bedienen,
durch mich nach Europa kam, wurden die Gelehrten auf einen
ähnlichen Brauch aufmerkſam gemacht, den La Condamine am
oberen Marañon beobachtet hat. Die Omagua, deren Name
durch ihre Züge zur Entdeckung des Dorado vielberufen iſt,
haben denſelben Teller, dieſelben hohlen Vogelknochen, durch
die ſie ihr Curupapulver in die Naſe ziehen. Der Samen,
von dem dieſes Pulver kommt, iſt ohne Zweifel auch eine
Mimoſe; denn die Otomaken nennen, dem Pater Gili zufolge,
noch jetzt, 1170 km vom Amazonenſtrome, die Acacia Niopo
Curupa. Seit meinen neuerlichen geographiſchen Unter-
ſuchungen über den Schauplatz der Thaten Philipps von
Hutten und über die wahre Lage der Provinz Papamene oder
der Omagua hat die Vermutung einer früheren Verbindung
zwiſchen den Otomaken am Orinoko und den Omagua am
Amazonenſtrome an Bedeutung und Wahrſcheinlichkeit ge-
wonnen. Erſtere kamen vom Rio Meta, vielleicht aus dem
Lande zwiſchen dieſem Fluſſe und dem Guaviare; letztere
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[135/0143] eines großen Stelzenläufers zu ſein. Ich habe das Niopo ſamt dem ganzen ſeltſamen Apparate Fourcroy in Paris über- macht. Das Niopo iſt ſo reizend, daß ganz wenig davon heftiges Nieſen verurſacht, wenn man nicht daran gewöhnt iſt. Pater Gumilla ſagt, „dieſes Teufelspulver der Otomaken, das von einem baumartigen Tabake komme, berauſche ſie durch die Naſenlöcher (emboracha por las narices), raube ihnen auf einige Stunden die Vernunft und mache ſie im Gefechte raſend“. Die Samen, Säfte und Wurzeln der Familie der Schotengewächſe haben auffallend verſchiedene chemiſche und arzneiliche Eigenſchaften; wenn aber auch der Saft der Frucht der Mimosa nilotica ſtark adſtringierend iſt, ſo iſt doch nicht wohl zu glauben, daß die Schote der Acacia Niopo dem Tabake der Otomaken zunächſt ſeine reizende Eigenſchaft ver- leiht. Dieſelbe rührt vielmehr vom friſchgebrannten Kalke her. Wir haben oben geſehen, daß die Bergbewohner in den Anden von Popayan und die Guajiro, die zwiſchen dem See Mara- caybo und dem Rio la Hacha umherziehen, auch Kalk ver- ſchlucken, und zwar als Reizmittel, um die Abſonderung des Speichels und des Magenſaftes zu befördern. Dadurch, daß die umſtändliche Vorrichtung, deren ſich die Otomaken zum Aufziehen des Niopopulvers bedienen, durch mich nach Europa kam, wurden die Gelehrten auf einen ähnlichen Brauch aufmerkſam gemacht, den La Condamine am oberen Marañon beobachtet hat. Die Omagua, deren Name durch ihre Züge zur Entdeckung des Dorado vielberufen iſt, haben denſelben Teller, dieſelben hohlen Vogelknochen, durch die ſie ihr Curupapulver in die Naſe ziehen. Der Samen, von dem dieſes Pulver kommt, iſt ohne Zweifel auch eine Mimoſe; denn die Otomaken nennen, dem Pater Gili zufolge, noch jetzt, 1170 km vom Amazonenſtrome, die Acacia Niopo Curupa. Seit meinen neuerlichen geographiſchen Unter- ſuchungen über den Schauplatz der Thaten Philipps von Hutten und über die wahre Lage der Provinz Papamene oder der Omagua hat die Vermutung einer früheren Verbindung zwiſchen den Otomaken am Orinoko und den Omagua am Amazonenſtrome an Bedeutung und Wahrſcheinlichkeit ge- wonnen. Erſtere kamen vom Rio Meta, vielleicht aus dem Lande zwiſchen dieſem Fluſſe und dem Guaviare; letztere wollen ſelbſt in großer Anzahl über den Rio Japura, vom öſtlichen Abhange der Anden von Neugranada her, an den Marañon gekommen ſein. Nun ſcheint aber das Land der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/143>, abgerufen am 22.11.2024.