nach drei Tagereisen von Oft der Cumaruita und der Paru herein, welche zwei Nebenflüsse am Fuße der hohen Berge von Cuneva entspringen. Weiter oben, von West her, kommen der Mariata und der Manipiare, an denen die Macos- und Curacicana-Indianer wohnen. Letztere Nation zeichnet sich durch ihren Eifer für den Baumwollenbau aus. Bei einem Streifzuge (entrada) fand man ein großes Haus, in dem 30 bis 40 sehr fein gewobene Hängematten, gesponnene Baum- wolle, Seilwerk und Fischereigeräte waren. Die Eingeborenen waren davongelaufen und Pater Valor erzählte uns, "die Indianer aus seiner Mission, die er bei sich hatte, haben das Haus in Brand gesteckt, ehe er diese Produkte des Gewerb- fleißes der Curacicana retten konnte." Die neuen Christen in Santa Barbara, die sich über diesen sogenannten Wilden weit erhaben dünken, schienen mir lange nicht so gewerbthätig. Der Rio Manipiare, einer der Hauptäste des Ventuari, liegt, seiner Quelle zu, in der Nähe der hohen Berge, an deren Nordabhang der Cuchivero entspringt. Sie sind ein Aus- läufer der Kette des Baraguan, und hierher setzt Pater Gili die "Hochebene des Siamacu", deren gemäßigtes Klima er preist. Der obere Lauf des Ventuari, oberhalb des Einflusses des Asisi und der "großen Raudales" ist so gut wie unbe- kannt. Ich hörte nur, der obere Ventuari ziehe sich so stark gegen Oft, daß die alte Straße von Esmeralda an den Rio Caura über das Flußbett laufe. Dadurch, daß die Neben- flüsse des Carony, des Caura und des Ventuari einander so nahe liegen, kamen die Kariben seit Jahrhunderten an den oberen Orinoko. Banden dieses kriegerischen Handelsvolkes zogen vom Rio Carony über den Paragua an die Quellen des Paruspa. Ueber einen Trageplatz gelangten sie an den Chavarro, einen östlichen Nebenfluß des Caura: sie fuhren auf ihren Pirogen zuerst diesen Nebenfluß und dann den Caura selbst hinunter bis zur Mündung des Erevato. Nach- dem sie diesen gegen Südwest hinaufgefahren, kamen sie drei Tagereisen weit über große Grasfluren und endlich über den Manipiare in den großen Rio Ventuari. Ich beschreibe diesen Weg so genau, nicht nur weil auf dieser Straße der Handel mit eingeborenen Sklaven betrieben wurde, sondern auch um die Männer, welche einst nach wiederhergestellter Ruhe Guyana regieren werden, auf die Wichtigkeit dieses Flußlabyrinthes aufmerksam zu machen.
Auf vier Nebenflüssen des Orinoko, den größten unter
nach drei Tagereiſen von Oft der Cumaruita und der Paru herein, welche zwei Nebenflüſſe am Fuße der hohen Berge von Cuneva entſpringen. Weiter oben, von Weſt her, kommen der Mariata und der Manipiare, an denen die Macos- und Curacicana-Indianer wohnen. Letztere Nation zeichnet ſich durch ihren Eifer für den Baumwollenbau aus. Bei einem Streifzuge (entrada) fand man ein großes Haus, in dem 30 bis 40 ſehr fein gewobene Hängematten, geſponnene Baum- wolle, Seilwerk und Fiſchereigeräte waren. Die Eingeborenen waren davongelaufen und Pater Valor erzählte uns, „die Indianer aus ſeiner Miſſion, die er bei ſich hatte, haben das Haus in Brand geſteckt, ehe er dieſe Produkte des Gewerb- fleißes der Curacicana retten konnte.“ Die neuen Chriſten in Santa Barbara, die ſich über dieſen ſogenannten Wilden weit erhaben dünken, ſchienen mir lange nicht ſo gewerbthätig. Der Rio Manipiare, einer der Hauptäſte des Ventuari, liegt, ſeiner Quelle zu, in der Nähe der hohen Berge, an deren Nordabhang der Cuchivero entſpringt. Sie ſind ein Aus- läufer der Kette des Baraguan, und hierher ſetzt Pater Gili die „Hochebene des Siamacu“, deren gemäßigtes Klima er preiſt. Der obere Lauf des Ventuari, oberhalb des Einfluſſes des Aſiſi und der „großen Raudales“ iſt ſo gut wie unbe- kannt. Ich hörte nur, der obere Ventuari ziehe ſich ſo ſtark gegen Oft, daß die alte Straße von Esmeralda an den Rio Caura über das Flußbett laufe. Dadurch, daß die Neben- flüſſe des Carony, des Caura und des Ventuari einander ſo nahe liegen, kamen die Kariben ſeit Jahrhunderten an den oberen Orinoko. Banden dieſes kriegeriſchen Handelsvolkes zogen vom Rio Carony über den Paragua an die Quellen des Paruspa. Ueber einen Trageplatz gelangten ſie an den Chavarro, einen öſtlichen Nebenfluß des Caura: ſie fuhren auf ihren Pirogen zuerſt dieſen Nebenfluß und dann den Caura ſelbſt hinunter bis zur Mündung des Erevato. Nach- dem ſie dieſen gegen Südweſt hinaufgefahren, kamen ſie drei Tagereiſen weit über große Grasfluren und endlich über den Manipiare in den großen Rio Ventuari. Ich beſchreibe dieſen Weg ſo genau, nicht nur weil auf dieſer Straße der Handel mit eingeborenen Sklaven betrieben wurde, ſondern auch um die Männer, welche einſt nach wiederhergeſtellter Ruhe Guyana regieren werden, auf die Wichtigkeit dieſes Flußlabyrinthes aufmerkſam zu machen.
Auf vier Nebenflüſſen des Orinoko, den größten unter
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nach drei Tagereiſen von Oft der Cumaruita und der Paru
herein, welche zwei Nebenflüſſe am Fuße der hohen Berge von
Cuneva entſpringen. Weiter oben, von Weſt her, kommen
der Mariata und der Manipiare, an denen die Macos- und
Curacicana-Indianer wohnen. Letztere Nation zeichnet ſich
durch ihren Eifer für den Baumwollenbau aus. Bei einem
Streifzuge (entrada) fand man ein großes Haus, in dem 30
bis 40 ſehr fein gewobene Hängematten, geſponnene Baum-
wolle, Seilwerk und Fiſchereigeräte waren. Die Eingeborenen
waren davongelaufen und Pater Valor erzählte uns, „die
Indianer aus ſeiner Miſſion, die er bei ſich hatte, haben das
Haus in Brand geſteckt, ehe er dieſe Produkte des Gewerb-
fleißes der Curacicana retten konnte.“ Die neuen Chriſten
in Santa Barbara, die ſich über dieſen ſogenannten Wilden
weit erhaben dünken, ſchienen mir lange nicht ſo gewerbthätig.
Der Rio Manipiare, einer der Hauptäſte des Ventuari, liegt,
ſeiner Quelle zu, in der Nähe der hohen Berge, an deren
Nordabhang der Cuchivero entſpringt. Sie ſind ein Aus-
läufer der Kette des Baraguan, und hierher ſetzt Pater Gili
die „Hochebene des Siamacu“, deren gemäßigtes Klima er
preiſt. Der obere Lauf des Ventuari, oberhalb des Einfluſſes
des Aſiſi und der „großen Raudales“ iſt ſo gut wie unbe-
kannt. Ich hörte nur, der obere Ventuari ziehe ſich ſo ſtark
gegen Oft, daß die alte Straße von Esmeralda an den Rio
Caura über das Flußbett laufe. Dadurch, daß die Neben-
flüſſe des Carony, des Caura und des Ventuari einander ſo
nahe liegen, kamen die Kariben ſeit Jahrhunderten an den
oberen Orinoko. Banden dieſes kriegeriſchen Handelsvolkes
zogen vom Rio Carony über den Paragua an die Quellen
des Paruspa. Ueber einen Trageplatz gelangten ſie an den
Chavarro, einen öſtlichen Nebenfluß des Caura: ſie fuhren
auf ihren Pirogen zuerſt dieſen Nebenfluß und dann den
Caura ſelbſt hinunter bis zur Mündung des Erevato. Nach-
dem ſie dieſen gegen Südweſt hinaufgefahren, kamen ſie drei
Tagereiſen weit über große Grasfluren und endlich über den
Manipiare in den großen Rio Ventuari. Ich beſchreibe
dieſen Weg ſo genau, nicht nur weil auf dieſer Straße der
Handel mit eingeborenen Sklaven betrieben wurde, ſondern
auch um die Männer, welche einſt nach wiederhergeſtellter
Ruhe Guyana regieren werden, auf die Wichtigkeit dieſes
Flußlabyrinthes aufmerkſam zu machen.
Auf vier Nebenflüſſen des Orinoko, den größten unter
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/113>, abgerufen am 16.02.2025.
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