der Indianer, und es lassen sich zwei Arten derselben unter- scheiden, nach der größeren oder geringeren Wohlhabenheit der Individuen. Die gemeine Schminke der Kariben, Otomaken und Yaruros ist der Onoto, von den Spaniern Achote, von den Kolonisten in Cayenne Rocou genannt. Es ist der Farbstoff, den man aus dem Fruchtfleisch der Bixa orellana auszieht. Wenn sie Onoto bereiten, werfen die indianischen Weiber die Samen der Pflanze in eine Kufe mit Wasser, peitschen das Wasser eine Stunde lang und lassen dann den Farbstoff, der lebhaft ziegelrot ist, sich ruhig absetzen. Das Wasser wird abgegossen, der Bodensatz herausgenommen, mit den Händen ausgedrückt, mit Schildkröteneieröl geknetet und runde 3 bis 4 Unzen schwere Kuchen daraus geformt. In Ermangelung von Schildkrötenöl vermengen einige Nationen den Onoto mit Krokodilfett. Ein anderer, weit kostbarerer Farbstoff wird aus einer Pflanze aus der Familie der Big- nonien gewonnen, die Bonpland unter dem Namen Big- nonia Chica bekannt gemacht hat. Die Tamanaken nennen dieselbe Craviri, die Maypures Chirraviri. Sie klettert auf die höchsten Bäume und heftet sich mit Ranken an. Die zweilippigen Blüten sind 26 mm lang, schön violett, und stehen zu zweien oder dreien beisammen. Die doppelt gefiederten Blätter vertrocknen leicht und werden rötlich. Die Frucht ist eine 60 cm lange Schote mit geflügelten Samen. Diese Big- nonie wächst bei Maypures in Menge wild, ebenso noch weiter am Orinoko hinauf jenseits des Einflusses des Guaviare, von Santa Barbara bis zum hohen Berge Duida, besonders bei Esmeralda. Auch an den Ufern des Cassiquiare haben wir sie gefunden. Der rote Farbstoff des Chica wird nicht, wie der Onoto, aus der Frucht gewonnen, sondern aus den im Wasser geweichten Blättern. Er sondert sich in Gestalt eines sehr leichten Pulvers ab. Man formt ihn, ohne ihn mit Schildkrötenöl zu vermischen, zu kleinen 21 bis 23 cm langen, 5 bis 8 cm hohen, an den Rändern abgerundeten Broten. Erwärmt verbreiten diese Brote einen angenehmen Geruch, wie Benzoe. Bei der Destillation zeigt der Chica keine merkbare Spur von Ammoniak; es ist kein stickstoffhaltiger Körper wie der Indigo. In Schwefel- und Salzsäure, selbst in den Alkalien löst er sich etwas auf. Mit Oel abgerieben, gibt der Chica eine rote, dem Lack ähnliche Farbe. Tränkt man Wolle damit, so könnte man sie mit Krapprot verwechseln. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der Chica, der vor
der Indianer, und es laſſen ſich zwei Arten derſelben unter- ſcheiden, nach der größeren oder geringeren Wohlhabenheit der Individuen. Die gemeine Schminke der Kariben, Otomaken und Yaruros iſt der Onoto, von den Spaniern Achote, von den Koloniſten in Cayenne Rocou genannt. Es iſt der Farbſtoff, den man aus dem Fruchtfleiſch der Bixa orellana auszieht. Wenn ſie Onoto bereiten, werfen die indianiſchen Weiber die Samen der Pflanze in eine Kufe mit Waſſer, peitſchen das Waſſer eine Stunde lang und laſſen dann den Farbſtoff, der lebhaft ziegelrot iſt, ſich ruhig abſetzen. Das Waſſer wird abgegoſſen, der Bodenſatz herausgenommen, mit den Händen ausgedrückt, mit Schildkröteneieröl geknetet und runde 3 bis 4 Unzen ſchwere Kuchen daraus geformt. In Ermangelung von Schildkrötenöl vermengen einige Nationen den Onoto mit Krokodilfett. Ein anderer, weit koſtbarerer Farbſtoff wird aus einer Pflanze aus der Familie der Big- nonien gewonnen, die Bonpland unter dem Namen Big- nonia Chica bekannt gemacht hat. Die Tamanaken nennen dieſelbe Craviri, die Maypures Chirraviri. Sie klettert auf die höchſten Bäume und heftet ſich mit Ranken an. Die zweilippigen Blüten ſind 26 mm lang, ſchön violett, und ſtehen zu zweien oder dreien beiſammen. Die doppelt gefiederten Blätter vertrocknen leicht und werden rötlich. Die Frucht iſt eine 60 cm lange Schote mit geflügelten Samen. Dieſe Big- nonie wächſt bei Maypures in Menge wild, ebenſo noch weiter am Orinoko hinauf jenſeits des Einfluſſes des Guaviare, von Santa Barbara bis zum hohen Berge Duida, beſonders bei Esmeralda. Auch an den Ufern des Caſſiquiare haben wir ſie gefunden. Der rote Farbſtoff des Chica wird nicht, wie der Onoto, aus der Frucht gewonnen, ſondern aus den im Waſſer geweichten Blättern. Er ſondert ſich in Geſtalt eines ſehr leichten Pulvers ab. Man formt ihn, ohne ihn mit Schildkrötenöl zu vermiſchen, zu kleinen 21 bis 23 cm langen, 5 bis 8 cm hohen, an den Rändern abgerundeten Broten. Erwärmt verbreiten dieſe Brote einen angenehmen Geruch, wie Benzoe. Bei der Deſtillation zeigt der Chica keine merkbare Spur von Ammoniak; es iſt kein ſtickſtoffhaltiger Körper wie der Indigo. In Schwefel- und Salzſäure, ſelbſt in den Alkalien löſt er ſich etwas auf. Mit Oel abgerieben, gibt der Chica eine rote, dem Lack ähnliche Farbe. Tränkt man Wolle damit, ſo könnte man ſie mit Krapprot verwechſeln. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der Chica, der vor
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[67/0075]
der Indianer, und es laſſen ſich zwei Arten derſelben unter-
ſcheiden, nach der größeren oder geringeren Wohlhabenheit der
Individuen. Die gemeine Schminke der Kariben, Otomaken
und Yaruros iſt der Onoto, von den Spaniern Achote,
von den Koloniſten in Cayenne Rocou genannt. Es iſt der
Farbſtoff, den man aus dem Fruchtfleiſch der Bixa orellana
auszieht. Wenn ſie Onoto bereiten, werfen die indianiſchen
Weiber die Samen der Pflanze in eine Kufe mit Waſſer,
peitſchen das Waſſer eine Stunde lang und laſſen dann den
Farbſtoff, der lebhaft ziegelrot iſt, ſich ruhig abſetzen. Das
Waſſer wird abgegoſſen, der Bodenſatz herausgenommen, mit
den Händen ausgedrückt, mit Schildkröteneieröl geknetet und
runde 3 bis 4 Unzen ſchwere Kuchen daraus geformt. In
Ermangelung von Schildkrötenöl vermengen einige Nationen
den Onoto mit Krokodilfett. Ein anderer, weit koſtbarerer
Farbſtoff wird aus einer Pflanze aus der Familie der Big-
nonien gewonnen, die Bonpland unter dem Namen Big-
nonia Chica bekannt gemacht hat. Die Tamanaken nennen
dieſelbe Craviri, die Maypures Chirraviri. Sie klettert
auf die höchſten Bäume und heftet ſich mit Ranken an. Die
zweilippigen Blüten ſind 26 mm lang, ſchön violett, und ſtehen
zu zweien oder dreien beiſammen. Die doppelt gefiederten
Blätter vertrocknen leicht und werden rötlich. Die Frucht iſt
eine 60 cm lange Schote mit geflügelten Samen. Dieſe Big-
nonie wächſt bei Maypures in Menge wild, ebenſo noch weiter
am Orinoko hinauf jenſeits des Einfluſſes des Guaviare,
von Santa Barbara bis zum hohen Berge Duida, beſonders
bei Esmeralda. Auch an den Ufern des Caſſiquiare haben
wir ſie gefunden. Der rote Farbſtoff des Chica wird nicht,
wie der Onoto, aus der Frucht gewonnen, ſondern aus den
im Waſſer geweichten Blättern. Er ſondert ſich in Geſtalt
eines ſehr leichten Pulvers ab. Man formt ihn, ohne ihn
mit Schildkrötenöl zu vermiſchen, zu kleinen 21 bis 23 cm
langen, 5 bis 8 cm hohen, an den Rändern abgerundeten
Broten. Erwärmt verbreiten dieſe Brote einen angenehmen
Geruch, wie Benzoe. Bei der Deſtillation zeigt der Chica
keine merkbare Spur von Ammoniak; es iſt kein ſtickſtoffhaltiger
Körper wie der Indigo. In Schwefel- und Salzſäure, ſelbſt
in den Alkalien löſt er ſich etwas auf. Mit Oel abgerieben,
gibt der Chica eine rote, dem Lack ähnliche Farbe. Tränkt
man Wolle damit, ſo könnte man ſie mit Krapprot verwechſeln.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der Chica, der vor
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/75>, abgerufen am 18.07.2024.
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