Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.rat und den schwarzen Bischof von Buria gesehen. Die Wir brachten in San Carlos del Rio Negro drei Nächte rat und den ſchwarzen Biſchof von Buria geſehen. Die Wir brachten in San Carlos del Rio Negro drei Nächte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0300" n="292"/> rat und den ſchwarzen Biſchof von Buria geſehen. Die<lb/> Kariben in Terra Firma ſtanden mit denen auf den Inſeln<lb/> im Verkehr, und höchſt wahrſcheinlich haben ſich auf dieſem<lb/> Wege die Sagen vom Marañon und Orinoko gegen Norden<lb/> verbreitet. Schon vor Orellanas Flußfahrt glaubte Chriſtoph<lb/> Kolumbus auf den Antillen Amazonen gefunden zu haben.<lb/> Man erzählte dem großen Manne, die kleine Inſel Mada-<lb/> nino (Montſerrate) ſei von kriegeriſchen Weibern bewohnt,<lb/> die den größten Teil des Jahres keinen Verkehr mit Män-<lb/> nern hätten. Andere Male ſahen die Konquiſtadoren einen<lb/> Amazonenfreiſtaat, wo ſie nur Weiber vor ſich hatten, die<lb/> in Abweſenheit der Männer ihre Hütten verteidigten, oder<lb/> auch — und dieſes Mißverſtändnis iſt ſchwerer zu entſchul-<lb/> digen — jene religiöſen Vereine, jene Klöſter mexikaniſcher<lb/> Jungfrauen, die zu keiner Zeit im Jahre Männer bei ſich<lb/> aufnahmen, ſondern nach der ſtrengen Regel Quetzalcohuatls<lb/> lebten. Die allgemeine Stimmung brachte es mit ſich, daß<lb/> von den vielen Reiſenden, die nacheinander in der Neuen<lb/> Welt Entdeckungen machten und von den Wundern derſelben<lb/> berichteten, jeder auch geſehen haben wollte, was ſeine Vor-<lb/> gänger gemeldet hatten.</p><lb/> <p>Wir brachten in San Carlos del Rio Negro drei Nächte<lb/> zu. Ich zähle die Nächte, weil ich ſie in der Hoffnung, den<lb/> Durchgang eines Sterns durch den Meridian beobachten zu<lb/> können, faſt ganz durchwachte. Um mir keinen Vorwurf<lb/> machen zu dürfen, waren die Inſtrumente immer zur Beobach-<lb/> tung hergerichtet; ich konnte aber nicht einmal doppelte Höhen<lb/> bekommen, um nach der Methode von Douwes die Breite zu<lb/> berechnen. Welch ein Kontraſt zwiſchen zwei Strichen der-<lb/> ſelben Zone! Dort der Himmel Cumanas, ewig heiter wie in<lb/> Perſien und Arabien, und hier der Himmel am Rio Negro,<lb/> dick umzogen wie auf den Faröerinſeln, ohne Sonne, Mond<lb/> und Sterne! Ich verließ die Schanze San Carlos mit deſto<lb/> größerem Verdruß, da ich keine Ausſicht hatte, in der Nähe<lb/> des Orts eine gute Breitenbeobachtung machen zu können.<lb/> Die Inklination der Magnetadel fand ich in San Carlos<lb/> gleich 20° 60′; 216 Schwingungen in zehn Zeitminuten gaben<lb/> das Maß der magnetiſchen Kraft. Da die magnetiſchen Pa-<lb/> rallelen gegen Weſt aufwärts gehen und ich auf dem Rücken<lb/> der Kordilleren zwiſchen Santa F<hi rendition="#aq">é</hi> de Bogota und Popayan<lb/> dieſelben Inklinationswinkel beobachtet habe wie am oberen<lb/> Orinoko und am Rio Negro, ſo ſind dieſe Beobachtungen für<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0300]
rat und den ſchwarzen Biſchof von Buria geſehen. Die
Kariben in Terra Firma ſtanden mit denen auf den Inſeln
im Verkehr, und höchſt wahrſcheinlich haben ſich auf dieſem
Wege die Sagen vom Marañon und Orinoko gegen Norden
verbreitet. Schon vor Orellanas Flußfahrt glaubte Chriſtoph
Kolumbus auf den Antillen Amazonen gefunden zu haben.
Man erzählte dem großen Manne, die kleine Inſel Mada-
nino (Montſerrate) ſei von kriegeriſchen Weibern bewohnt,
die den größten Teil des Jahres keinen Verkehr mit Män-
nern hätten. Andere Male ſahen die Konquiſtadoren einen
Amazonenfreiſtaat, wo ſie nur Weiber vor ſich hatten, die
in Abweſenheit der Männer ihre Hütten verteidigten, oder
auch — und dieſes Mißverſtändnis iſt ſchwerer zu entſchul-
digen — jene religiöſen Vereine, jene Klöſter mexikaniſcher
Jungfrauen, die zu keiner Zeit im Jahre Männer bei ſich
aufnahmen, ſondern nach der ſtrengen Regel Quetzalcohuatls
lebten. Die allgemeine Stimmung brachte es mit ſich, daß
von den vielen Reiſenden, die nacheinander in der Neuen
Welt Entdeckungen machten und von den Wundern derſelben
berichteten, jeder auch geſehen haben wollte, was ſeine Vor-
gänger gemeldet hatten.
Wir brachten in San Carlos del Rio Negro drei Nächte
zu. Ich zähle die Nächte, weil ich ſie in der Hoffnung, den
Durchgang eines Sterns durch den Meridian beobachten zu
können, faſt ganz durchwachte. Um mir keinen Vorwurf
machen zu dürfen, waren die Inſtrumente immer zur Beobach-
tung hergerichtet; ich konnte aber nicht einmal doppelte Höhen
bekommen, um nach der Methode von Douwes die Breite zu
berechnen. Welch ein Kontraſt zwiſchen zwei Strichen der-
ſelben Zone! Dort der Himmel Cumanas, ewig heiter wie in
Perſien und Arabien, und hier der Himmel am Rio Negro,
dick umzogen wie auf den Faröerinſeln, ohne Sonne, Mond
und Sterne! Ich verließ die Schanze San Carlos mit deſto
größerem Verdruß, da ich keine Ausſicht hatte, in der Nähe
des Orts eine gute Breitenbeobachtung machen zu können.
Die Inklination der Magnetadel fand ich in San Carlos
gleich 20° 60′; 216 Schwingungen in zehn Zeitminuten gaben
das Maß der magnetiſchen Kraft. Da die magnetiſchen Pa-
rallelen gegen Weſt aufwärts gehen und ich auf dem Rücken
der Kordilleren zwiſchen Santa Fé de Bogota und Popayan
dieſelben Inklinationswinkel beobachtet habe wie am oberen
Orinoko und am Rio Negro, ſo ſind dieſe Beobachtungen für
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