Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.bringt, sei es nun ein Gefühl der Zuneigung, oder jener Ich habe bei der Schilderung der Folgen des National- bringt, ſei es nun ein Gefühl der Zuneigung, oder jener Ich habe bei der Schilderung der Folgen des National- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0260" n="252"/> bringt, ſei es nun ein Gefühl der Zuneigung, oder jener<lb/> eiferſüchtige Neid, wie er aus althergebrachten Vorurteilen<lb/> entſpringt. Die ganze Perſönlichkeit der Völker iſt aus dem<lb/> Mutterlande in die entlegenſten Kolonieen übergegangen, und<lb/> der gegenſeitige Widerwille der Nationen hat nicht einmal da<lb/> ein Ende, wo der Einfluß der gleichen Sprache wegfällt. Wir<lb/> wiſſen aus Kruſenſterns anziehendem Reiſebericht, daß der<lb/> Haß zweier flüchtigen Matroſen, eines Franzoſen und eines<lb/> Engländers, zu einem langen Krieg zwiſchen den Bewohnern<lb/> der Marqueſasinſeln Anlaß gab. Am Amazonenſtrom und<lb/> Rio Negro können die Indianer in den benachbarten portu-<lb/> gieſiſchen und ſpaniſchen Dörfern einander nicht ausſtehen.<lb/> Dieſe armen Menſchen ſprechen nur amerikaniſche Sprachen,<lb/> ſie wiſſen gar nicht, was „am anderen Ufer des Ozeans,<lb/> drüben über der großen Salzlache“ vorgeht; aber die Kutten<lb/> ihrer Miſſionäre ſind von verſchiedener Farbe, und dies miß-<lb/> fällt ihnen im höchſten Grade.</p><lb/> <p>Ich habe bei der Schilderung der Folgen des National-<lb/> haſſes verweilt, den kluge Beamte zu mildern ſuchten, ohne<lb/> ihn ganz beſchwichtigen zu können. Dieſe Eiferſucht iſt nicht<lb/> ohne Einfluß auf den Umſtand geweſen, daß unſere geogra-<lb/> phiſche Kunde von den Nebenflüſſen des Amazonenſtroms bis<lb/> jetzt ſo mangelhaft iſt. Wenn der Verkehr unter den Ein-<lb/> geborenen gehemmt iſt, und die eine Nation an der Mündung,<lb/> die andere im oberen Flußgebiet ſitzt, ſo fällt es den Karten-<lb/> zeichnern ſehr ſchwer, genaue Erkundigungen einzuziehen. Die<lb/> periodiſchen Ueberſchwemmungen, beſonders aber die Trage-<lb/> plätze, über die man die Kanoen von einem Nebenfluß zum<lb/> anderen ſchafft, deſſen Quellen in der Nähe liegen, verleiten<lb/> zur Annahme von Gabelungen und Verzweigungen der Flüſſe,<lb/> die in Wahrheit nicht beſtehen. Die Indianer in den portu-<lb/> gieſiſchen Miſſionen zum Beiſpiel ſchleichen ſich (wie ich an<lb/> Ort und Stelle erfahren) einerſeits auf dem Rio Guaicia<lb/> und Rio Temo in den ſpaniſchen Rio Negro, andererſeits<lb/> über die Trageplätze zwiſchen dem Cababuri, dem Paſimoni,<lb/> dem Idapa und dem Mavaca in den oberen Orinoko, um<lb/> hinter Esmeralda den aromatiſchen Samen des Puchery-<lb/> lorbeers zu ſammeln. Die Eingeborenen, ich wiederhole es,<lb/> ſind vortreffliche Geographen; ſie umgehen den Feind trotz<lb/> der Grenzen, wie ſie auf den Karten gezogen ſind, trotz der<lb/> Schanzen und Eſtacamientos, und wenn die Miſſionäre ſie<lb/> von ſo weit her, und zwar in ſo verſchiedenen Jahreszeiten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0260]
bringt, ſei es nun ein Gefühl der Zuneigung, oder jener
eiferſüchtige Neid, wie er aus althergebrachten Vorurteilen
entſpringt. Die ganze Perſönlichkeit der Völker iſt aus dem
Mutterlande in die entlegenſten Kolonieen übergegangen, und
der gegenſeitige Widerwille der Nationen hat nicht einmal da
ein Ende, wo der Einfluß der gleichen Sprache wegfällt. Wir
wiſſen aus Kruſenſterns anziehendem Reiſebericht, daß der
Haß zweier flüchtigen Matroſen, eines Franzoſen und eines
Engländers, zu einem langen Krieg zwiſchen den Bewohnern
der Marqueſasinſeln Anlaß gab. Am Amazonenſtrom und
Rio Negro können die Indianer in den benachbarten portu-
gieſiſchen und ſpaniſchen Dörfern einander nicht ausſtehen.
Dieſe armen Menſchen ſprechen nur amerikaniſche Sprachen,
ſie wiſſen gar nicht, was „am anderen Ufer des Ozeans,
drüben über der großen Salzlache“ vorgeht; aber die Kutten
ihrer Miſſionäre ſind von verſchiedener Farbe, und dies miß-
fällt ihnen im höchſten Grade.
Ich habe bei der Schilderung der Folgen des National-
haſſes verweilt, den kluge Beamte zu mildern ſuchten, ohne
ihn ganz beſchwichtigen zu können. Dieſe Eiferſucht iſt nicht
ohne Einfluß auf den Umſtand geweſen, daß unſere geogra-
phiſche Kunde von den Nebenflüſſen des Amazonenſtroms bis
jetzt ſo mangelhaft iſt. Wenn der Verkehr unter den Ein-
geborenen gehemmt iſt, und die eine Nation an der Mündung,
die andere im oberen Flußgebiet ſitzt, ſo fällt es den Karten-
zeichnern ſehr ſchwer, genaue Erkundigungen einzuziehen. Die
periodiſchen Ueberſchwemmungen, beſonders aber die Trage-
plätze, über die man die Kanoen von einem Nebenfluß zum
anderen ſchafft, deſſen Quellen in der Nähe liegen, verleiten
zur Annahme von Gabelungen und Verzweigungen der Flüſſe,
die in Wahrheit nicht beſtehen. Die Indianer in den portu-
gieſiſchen Miſſionen zum Beiſpiel ſchleichen ſich (wie ich an
Ort und Stelle erfahren) einerſeits auf dem Rio Guaicia
und Rio Temo in den ſpaniſchen Rio Negro, andererſeits
über die Trageplätze zwiſchen dem Cababuri, dem Paſimoni,
dem Idapa und dem Mavaca in den oberen Orinoko, um
hinter Esmeralda den aromatiſchen Samen des Puchery-
lorbeers zu ſammeln. Die Eingeborenen, ich wiederhole es,
ſind vortreffliche Geographen; ſie umgehen den Feind trotz
der Grenzen, wie ſie auf den Karten gezogen ſind, trotz der
Schanzen und Eſtacamientos, und wenn die Miſſionäre ſie
von ſo weit her, und zwar in ſo verſchiedenen Jahreszeiten
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