Davipe und San Carlos herzustellen. Pater Eugenio Cereso maß den Weg mit einem 83,6 m langen Strick und fand denselben 14361 m lang. Legte man statt des "Trageplatzes" einen Kanal an, wie ich dem Ministerium König Karls IV. vorgeschlagen, so würde die Verbindung zwischen dem Rio Negro und Angostura, zwischen dem spanischen Orinoko und den portugiesischen Besitzungen am Amazonenstrom ungemein erleichtert. Die Fahrzeuge gingen dann von San Carlos nicht mehr über den Cassiquiare, der eine Menge Krümmungen hat und wegen der starken Strömung gerne gemieden wird; sie gingen nicht mehr den Orinoko von seiner Gabelteilung bis San Fernando de Atabapo hinunter. Die Bergfahrt wäre über den Rio Negro und den Canno Pimichin um die Hälfte kürzer. Vom neuen Kanal bei Javita ginge es über den Tuamini, Temi, Atabapo und Orinoko abwärts bis Ango- stura. Ich glaube, man könnte auf diese Weise von der bra- silianischen Grenze in die Hauptstadt von Guyana leicht in 24 bis 26 Tagen gelangen; man brauchte unter gewöhnlichen Umständen 10 Tage weniger und der Weg wäre für die Ru- derer (Bogas) weniger beschwerlich, weil man nur halb so lang gegen die Strömung anfahren muß, als auf dem Cassi- quiare. Fährt man aber den Orinoko herauf, geht man von Angostura an den Rio Negro, so beträgt der Unterschied in der Zeit kaum ein paar Tage; denn über dem Pimichin muß man dann die kleinen Flüsse hinauf, während man auf dem alten Wege den Cassiquiare hinunterfährt. Wie lange die Fahrt von der Mündung des Orinoko nach San Carlos dauert, hängt begreiflich von mehreren wechselnden Umständen ab, ob die Brise zwischen Angostura und Carichana stärker oder schwächer weht, wie in den Katarakten von Atures und May- pures und in den Flüssen überhaupt der Wasserstand ist. Im November und Dezember ist die Brise ziemlich kräftig und die Strömung des Orinoko nicht stark, aber die kleinen Flüsse haben dann so wenig Wasser, daß man jeden Augenblick Ge- fahr läuft, aufzufahren. Die Missionäre reisen am liebsten im April, zur Zeit der Schildkröteneierernte, durch die an ein paar Uferstriche des Orinoko einiges Leben kommt. Man fürchtet dann auch die Moskiten weniger, der Strom ist halb voll, die Brise kommt einem noch zu gute und man kommt leicht durch die großen Katarakte.
Aus den Barometerhöhen, die ich in Javita und beim Landungsplatz am Pimichin beobachtet, geht hervor, daß der
Davipe und San Carlos herzuſtellen. Pater Eugenio Cereſo maß den Weg mit einem 83,6 m langen Strick und fand denſelben 14361 m lang. Legte man ſtatt des „Trageplatzes“ einen Kanal an, wie ich dem Miniſterium König Karls IV. vorgeſchlagen, ſo würde die Verbindung zwiſchen dem Rio Negro und Angoſtura, zwiſchen dem ſpaniſchen Orinoko und den portugieſiſchen Beſitzungen am Amazonenſtrom ungemein erleichtert. Die Fahrzeuge gingen dann von San Carlos nicht mehr über den Caſſiquiare, der eine Menge Krümmungen hat und wegen der ſtarken Strömung gerne gemieden wird; ſie gingen nicht mehr den Orinoko von ſeiner Gabelteilung bis San Fernando de Atabapo hinunter. Die Bergfahrt wäre über den Rio Negro und den Caño Pimichin um die Hälfte kürzer. Vom neuen Kanal bei Javita ginge es über den Tuamini, Temi, Atabapo und Orinoko abwärts bis Ango- ſtura. Ich glaube, man könnte auf dieſe Weiſe von der bra- ſilianiſchen Grenze in die Hauptſtadt von Guyana leicht in 24 bis 26 Tagen gelangen; man brauchte unter gewöhnlichen Umſtänden 10 Tage weniger und der Weg wäre für die Ru- derer (Bogas) weniger beſchwerlich, weil man nur halb ſo lang gegen die Strömung anfahren muß, als auf dem Caſſi- quiare. Fährt man aber den Orinoko herauf, geht man von Angoſtura an den Rio Negro, ſo beträgt der Unterſchied in der Zeit kaum ein paar Tage; denn über dem Pimichin muß man dann die kleinen Flüſſe hinauf, während man auf dem alten Wege den Caſſiquiare hinunterfährt. Wie lange die Fahrt von der Mündung des Orinoko nach San Carlos dauert, hängt begreiflich von mehreren wechſelnden Umſtänden ab, ob die Briſe zwiſchen Angoſtura und Carichana ſtärker oder ſchwächer weht, wie in den Katarakten von Atures und May- pures und in den Flüſſen überhaupt der Waſſerſtand iſt. Im November und Dezember iſt die Briſe ziemlich kräftig und die Strömung des Orinoko nicht ſtark, aber die kleinen Flüſſe haben dann ſo wenig Waſſer, daß man jeden Augenblick Ge- fahr läuft, aufzufahren. Die Miſſionäre reiſen am liebſten im April, zur Zeit der Schildkröteneierernte, durch die an ein paar Uferſtriche des Orinoko einiges Leben kommt. Man fürchtet dann auch die Moskiten weniger, der Strom iſt halb voll, die Briſe kommt einem noch zu gute und man kommt leicht durch die großen Katarakte.
Aus den Barometerhöhen, die ich in Javita und beim Landungsplatz am Pimichin beobachtet, geht hervor, daß der
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Davipe und San Carlos herzuſtellen. Pater Eugenio Cereſo
maß den Weg mit einem 83,6 m langen Strick und fand
denſelben 14361 m lang. Legte man ſtatt des „Trageplatzes“
einen Kanal an, wie ich dem Miniſterium König Karls IV.
vorgeſchlagen, ſo würde die Verbindung zwiſchen dem Rio
Negro und Angoſtura, zwiſchen dem ſpaniſchen Orinoko und
den portugieſiſchen Beſitzungen am Amazonenſtrom ungemein
erleichtert. Die Fahrzeuge gingen dann von San Carlos nicht
mehr über den Caſſiquiare, der eine Menge Krümmungen hat
und wegen der ſtarken Strömung gerne gemieden wird; ſie
gingen nicht mehr den Orinoko von ſeiner Gabelteilung bis
San Fernando de Atabapo hinunter. Die Bergfahrt wäre
über den Rio Negro und den Caño Pimichin um die Hälfte
kürzer. Vom neuen Kanal bei Javita ginge es über den
Tuamini, Temi, Atabapo und Orinoko abwärts bis Ango-
ſtura. Ich glaube, man könnte auf dieſe Weiſe von der bra-
ſilianiſchen Grenze in die Hauptſtadt von Guyana leicht in
24 bis 26 Tagen gelangen; man brauchte unter gewöhnlichen
Umſtänden 10 Tage weniger und der Weg wäre für die Ru-
derer (Bogas) weniger beſchwerlich, weil man nur halb ſo
lang gegen die Strömung anfahren muß, als auf dem Caſſi-
quiare. Fährt man aber den Orinoko herauf, geht man von
Angoſtura an den Rio Negro, ſo beträgt der Unterſchied in
der Zeit kaum ein paar Tage; denn über dem Pimichin muß
man dann die kleinen Flüſſe hinauf, während man auf dem
alten Wege den Caſſiquiare hinunterfährt. Wie lange die
Fahrt von der Mündung des Orinoko nach San Carlos dauert,
hängt begreiflich von mehreren wechſelnden Umſtänden ab, ob
die Briſe zwiſchen Angoſtura und Carichana ſtärker oder
ſchwächer weht, wie in den Katarakten von Atures und May-
pures und in den Flüſſen überhaupt der Waſſerſtand iſt. Im
November und Dezember iſt die Briſe ziemlich kräftig und die
Strömung des Orinoko nicht ſtark, aber die kleinen Flüſſe
haben dann ſo wenig Waſſer, daß man jeden Augenblick Ge-
fahr läuft, aufzufahren. Die Miſſionäre reiſen am liebſten
im April, zur Zeit der Schildkröteneierernte, durch die an ein
paar Uferſtriche des Orinoko einiges Leben kommt. Man
fürchtet dann auch die Moskiten weniger, der Strom iſt halb
voll, die Briſe kommt einem noch zu gute und man kommt
leicht durch die großen Katarakte.
Aus den Barometerhöhen, die ich in Javita und beim
Landungsplatz am Pimichin beobachtet, geht hervor, daß der
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/238>, abgerufen am 15.08.2024.
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