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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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gemacht habe. Wir sahen gleich, daß derselbe mit dem "elasti-
schen Harz" Aehnlichkeit hat; da uns aber die Indianer durch
Zeichen bedeuteten, man finde denselben in der Erde, so ver-
muteten wir, bis wir in die Mission Javita kamen, das Da-
picho
möchte ein fossiler Kautschuk sein, wenn auch ab-
weichend vom elastischen Bitumen in Derbyshire. In der
Hütte des Missionärs saß ein Poimisano-Indianer an einem
Feuer und verwandelte das Dapicho in schwarzen Kautschuk.
Er hatte mehrere Stücke auf ein dünnes Holz gespießt und
briet dieselben wie Fleisch. Je weicher und elastischer das
Dapicho wird, desto mehr schwärzt es sich. Nach dem harzi-
gen, aromatischen Geruch, der die Hütte erfüllte, rührt dieses
Schwarzwerden wahrscheinlich davon her, daß eine Verbindung
von Kohlenstoff und Wasserstoff zersetzt und der Kohlenstoff
frei wird, während der Wasserstoff bei gelinder Hitze ver-
brennt. Der Indianer klopfte die erweichte schwarze Masse
mit einem vorne keulenförmigen Stück Brasilholz, knetete dann
den Dapicho zu Kugeln von 8 bis 10 cm Durchmesser und
ließ ihn erkalten. Diese Kugeln gleichen vollkommen dem
Kautschuk, wie es in den Handel kommt, sie bleiben jedoch
außen meist etwas klebrig. Man braucht sie in San Bal-
tasar nicht zum indianischen Ballspiel, das bei den Einwoh-
nern von Uruana und Encaramada in so hohem Ansehen
steht; man schneidet sie cylindrisch zu, um sie als Stöpsel
zu gebrauchen, die noch weit besser sind als Korkstöpsel. Diese
Anwendung des Kautschuk war uns desto interessanter, da
uns der Mangel europäischer Stöpsel oft in große Verlegen-
heit gesetzt hatte. Wie ungemein nützlich der Kork ist, fühlt
man erst in Ländern, wohin er durch den Handel nicht kommt.
In Südamerika kommt nirgends, selbst nicht auf dem Rücken
der Anden, eine Eichenart vor, die dem Quercus suber nahe
stünde, und weder das leichte Holz der Bombax- und Ochroma-
Arten und anderer Malvaceen, noch die Maisspindeln, deren
sich die Indianer bedienen, ersetzen unsere Stöpsel vollkommen.
Der Missionär zeigte uns vor der Casa de los Solteros (Haus,
wo sich die jungen, nicht verheirateten Leute versammeln)
eine Trommel, die aus einem 60 cm langen und 48 cm dicken
hohlen Cylinder bestand. Man schlug dieselbe mit großen
Stücken Dapicho wie mit Trommelschlägeln; sie hatte Löcher,
die man mit der Hand schließen konnte, um höhere oder tiefere
Töne hervorzubringen, und hing an zwei leichten Stützen.
Wilde Völker lieben rauschende Musik. Die Trommel und

gemacht habe. Wir ſahen gleich, daß derſelbe mit dem „elaſti-
ſchen Harz“ Aehnlichkeit hat; da uns aber die Indianer durch
Zeichen bedeuteten, man finde denſelben in der Erde, ſo ver-
muteten wir, bis wir in die Miſſion Javita kamen, das Da-
picho
möchte ein foſſiler Kautſchuk ſein, wenn auch ab-
weichend vom elaſtiſchen Bitumen in Derbyſhire. In der
Hütte des Miſſionärs ſaß ein Poimiſano-Indianer an einem
Feuer und verwandelte das Dapicho in ſchwarzen Kautſchuk.
Er hatte mehrere Stücke auf ein dünnes Holz geſpießt und
briet dieſelben wie Fleiſch. Je weicher und elaſtiſcher das
Dapicho wird, deſto mehr ſchwärzt es ſich. Nach dem harzi-
gen, aromatiſchen Geruch, der die Hütte erfüllte, rührt dieſes
Schwarzwerden wahrſcheinlich davon her, daß eine Verbindung
von Kohlenſtoff und Waſſerſtoff zerſetzt und der Kohlenſtoff
frei wird, während der Waſſerſtoff bei gelinder Hitze ver-
brennt. Der Indianer klopfte die erweichte ſchwarze Maſſe
mit einem vorne keulenförmigen Stück Braſilholz, knetete dann
den Dapicho zu Kugeln von 8 bis 10 cm Durchmeſſer und
ließ ihn erkalten. Dieſe Kugeln gleichen vollkommen dem
Kautſchuk, wie es in den Handel kommt, ſie bleiben jedoch
außen meiſt etwas klebrig. Man braucht ſie in San Bal-
taſar nicht zum indianiſchen Ballſpiel, das bei den Einwoh-
nern von Uruana und Encaramada in ſo hohem Anſehen
ſteht; man ſchneidet ſie cylindriſch zu, um ſie als Stöpſel
zu gebrauchen, die noch weit beſſer ſind als Korkſtöpſel. Dieſe
Anwendung des Kautſchuk war uns deſto intereſſanter, da
uns der Mangel europäiſcher Stöpſel oft in große Verlegen-
heit geſetzt hatte. Wie ungemein nützlich der Kork iſt, fühlt
man erſt in Ländern, wohin er durch den Handel nicht kommt.
In Südamerika kommt nirgends, ſelbſt nicht auf dem Rücken
der Anden, eine Eichenart vor, die dem Quercus suber nahe
ſtünde, und weder das leichte Holz der Bombax- und Ochroma-
Arten und anderer Malvaceen, noch die Maisſpindeln, deren
ſich die Indianer bedienen, erſetzen unſere Stöpſel vollkommen.
Der Miſſionär zeigte uns vor der Caſa de los Solteros (Haus,
wo ſich die jungen, nicht verheirateten Leute verſammeln)
eine Trommel, die aus einem 60 cm langen und 48 cm dicken
hohlen Cylinder beſtand. Man ſchlug dieſelbe mit großen
Stücken Dapicho wie mit Trommelſchlägeln; ſie hatte Löcher,
die man mit der Hand ſchließen konnte, um höhere oder tiefere
Töne hervorzubringen, und hing an zwei leichten Stützen.
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[215/0223] gemacht habe. Wir ſahen gleich, daß derſelbe mit dem „elaſti- ſchen Harz“ Aehnlichkeit hat; da uns aber die Indianer durch Zeichen bedeuteten, man finde denſelben in der Erde, ſo ver- muteten wir, bis wir in die Miſſion Javita kamen, das Da- picho möchte ein foſſiler Kautſchuk ſein, wenn auch ab- weichend vom elaſtiſchen Bitumen in Derbyſhire. In der Hütte des Miſſionärs ſaß ein Poimiſano-Indianer an einem Feuer und verwandelte das Dapicho in ſchwarzen Kautſchuk. Er hatte mehrere Stücke auf ein dünnes Holz geſpießt und briet dieſelben wie Fleiſch. Je weicher und elaſtiſcher das Dapicho wird, deſto mehr ſchwärzt es ſich. Nach dem harzi- gen, aromatiſchen Geruch, der die Hütte erfüllte, rührt dieſes Schwarzwerden wahrſcheinlich davon her, daß eine Verbindung von Kohlenſtoff und Waſſerſtoff zerſetzt und der Kohlenſtoff frei wird, während der Waſſerſtoff bei gelinder Hitze ver- brennt. Der Indianer klopfte die erweichte ſchwarze Maſſe mit einem vorne keulenförmigen Stück Braſilholz, knetete dann den Dapicho zu Kugeln von 8 bis 10 cm Durchmeſſer und ließ ihn erkalten. Dieſe Kugeln gleichen vollkommen dem Kautſchuk, wie es in den Handel kommt, ſie bleiben jedoch außen meiſt etwas klebrig. Man braucht ſie in San Bal- taſar nicht zum indianiſchen Ballſpiel, das bei den Einwoh- nern von Uruana und Encaramada in ſo hohem Anſehen ſteht; man ſchneidet ſie cylindriſch zu, um ſie als Stöpſel zu gebrauchen, die noch weit beſſer ſind als Korkſtöpſel. Dieſe Anwendung des Kautſchuk war uns deſto intereſſanter, da uns der Mangel europäiſcher Stöpſel oft in große Verlegen- heit geſetzt hatte. Wie ungemein nützlich der Kork iſt, fühlt man erſt in Ländern, wohin er durch den Handel nicht kommt. In Südamerika kommt nirgends, ſelbſt nicht auf dem Rücken der Anden, eine Eichenart vor, die dem Quercus suber nahe ſtünde, und weder das leichte Holz der Bombax- und Ochroma- Arten und anderer Malvaceen, noch die Maisſpindeln, deren ſich die Indianer bedienen, erſetzen unſere Stöpſel vollkommen. Der Miſſionär zeigte uns vor der Caſa de los Solteros (Haus, wo ſich die jungen, nicht verheirateten Leute verſammeln) eine Trommel, die aus einem 60 cm langen und 48 cm dicken hohlen Cylinder beſtand. Man ſchlug dieſelbe mit großen Stücken Dapicho wie mit Trommelſchlägeln; ſie hatte Löcher, die man mit der Hand ſchließen konnte, um höhere oder tiefere Töne hervorzubringen, und hing an zwei leichten Stützen. Wilde Völker lieben rauſchende Muſik. Die Trommel und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/223>, abgerufen am 28.03.2024.