Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.langen Fehde verwüsteten sie die Missionen, wo die armen Ich habe hier treu berichtet, was ich über die Zustände 1 Die wilden Völker bezeichnen jedes europäische Handelsvolk
mit Beinamen, die ganz zufällig entstanden zu sein scheinen. Ich habe schon oben bemerkt, daß die Spanier vorzugsweise bekleidete Menschen, Pon gheme oder Uavemi, heißen. langen Fehde verwüſteten ſie die Miſſionen, wo die armen Ich habe hier treu berichtet, was ich über die Zuſtände 1 Die wilden Völker bezeichnen jedes europäiſche Handelsvolk
mit Beinamen, die ganz zufällig entſtanden zu ſein ſcheinen. Ich habe ſchon oben bemerkt, daß die Spanier vorzugsweiſe bekleidete Menſchen, Pon gheme oder Uavemi, heißen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0211" n="203"/> langen Fehde verwüſteten ſie die Miſſionen, wo die armen<lb/> Ordensleute nur 15 bis 20 ſpaniſche Soldaten zur Verfügung<lb/> hatten. Horden, wegen ihrer Kopfzahl und ihrer Verteidigungs-<lb/> mittel gleich verächtlich, verbreiteten einen Schrecken, als wären<lb/> es Heere. Den Patres Jeſuiten gelang es nur dadurch, ihre<lb/> Miſſionen zu retten, daß ſie Liſt wider Gewalt ſetzten. Sie<lb/> zogen einige mächtige Häuptlinge in ihr Intereſſe und ſchwächten<lb/> die Indianer durch Entzweiung. Als Ituriaga und Solano<lb/> auf ihrem Zuge an den Orinoko kamen, hatten die Miſſionen<lb/> von den Einfällen der Kariben nichts mehr zu befürchten.<lb/> Cuſeru hatte ſich hinter den Granitbergen von Sipapo nieder-<lb/> gelaſſen; er war der Freund der Jeſuiten; aber andere Völker<lb/> vom oberen Orinoko und Rio Negro, die Marepizanos, Amui-<lb/> zanos und Manitivitanos, fielen unter Imus, Cajamus und<lb/> Cocuys Führung von Zeit zu Zeit in das Land nordwärts<lb/> von den großen Katarakten ein. Sie hatten andere Beweg-<lb/> gründe zur Feindſeligkeit als Haß. Sie trieben <hi rendition="#g">Menſchen-<lb/> jagd</hi>, wie es früher bei den Kariben Brauch geweſen und<lb/> wie es in Afrika noch Brauch iſt. Bald lieferten ſie Sklaven<lb/> (<hi rendition="#aq">poitos</hi>) den Holländern oder Paranaquiri (<hi rendition="#g">Meerbewohner</hi>);<lb/> bald verkauften ſie dieſelben an die Portugieſen oder Jaranavi<lb/> (<hi rendition="#g">Muſikantenſöhne</hi>).<note place="foot" n="1">Die wilden Völker bezeichnen jedes europäiſche Handelsvolk<lb/> mit Beinamen, die ganz zufällig entſtanden zu ſein ſcheinen. Ich<lb/> habe ſchon oben bemerkt, daß die Spanier vorzugsweiſe <hi rendition="#g">bekleidete<lb/> Menſchen</hi>, <hi rendition="#aq">Pon gheme</hi> oder <hi rendition="#aq">Uavemi,</hi> heißen.</note> In Amerika wie in Afrika hat die<lb/> Habſucht der Europäer gleiches Unheil geſtiftet; ſie hat die<lb/> Eingeborenen gereizt, ſich zu bekriegen, um Gefangene zu be-<lb/> kommen. Ueberall führt der Verkehr zwiſchen Völkern auf<lb/> ſehr verſchiedenen Bildungsſtufen zum Mißbrauch der phy-<lb/> ſiſchen Gewalt und der geiſtigen Ueberlegenheit. Phönizien<lb/> und Karthago ſuchten einſt ihre Sklaven in Europa; heut-<lb/> zutage liegt dagegen die Hand Europas ſchwer auf den<lb/> Ländern, wo es die erſten Keime ſeines Wiſſens geholt, wie<lb/> auf denen, wo es dieſelben, ſo ziemlich wider Willen, ver-<lb/> breitet, indem es ihnen die Erzeugniſſe ſeines Gewerbfleißes<lb/> zuführt.</p><lb/> <p>Ich habe hier treu berichtet, was ich über die Zuſtände<lb/> eines Landes in Erfahrung bringen konnte, wo die beſiegten<lb/> Völker nach und nach abſterben und keine andere Spur ihres<lb/> Daſeins hinterlaſſen als ein paar Worte ihrer Sprache, welche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0211]
langen Fehde verwüſteten ſie die Miſſionen, wo die armen
Ordensleute nur 15 bis 20 ſpaniſche Soldaten zur Verfügung
hatten. Horden, wegen ihrer Kopfzahl und ihrer Verteidigungs-
mittel gleich verächtlich, verbreiteten einen Schrecken, als wären
es Heere. Den Patres Jeſuiten gelang es nur dadurch, ihre
Miſſionen zu retten, daß ſie Liſt wider Gewalt ſetzten. Sie
zogen einige mächtige Häuptlinge in ihr Intereſſe und ſchwächten
die Indianer durch Entzweiung. Als Ituriaga und Solano
auf ihrem Zuge an den Orinoko kamen, hatten die Miſſionen
von den Einfällen der Kariben nichts mehr zu befürchten.
Cuſeru hatte ſich hinter den Granitbergen von Sipapo nieder-
gelaſſen; er war der Freund der Jeſuiten; aber andere Völker
vom oberen Orinoko und Rio Negro, die Marepizanos, Amui-
zanos und Manitivitanos, fielen unter Imus, Cajamus und
Cocuys Führung von Zeit zu Zeit in das Land nordwärts
von den großen Katarakten ein. Sie hatten andere Beweg-
gründe zur Feindſeligkeit als Haß. Sie trieben Menſchen-
jagd, wie es früher bei den Kariben Brauch geweſen und
wie es in Afrika noch Brauch iſt. Bald lieferten ſie Sklaven
(poitos) den Holländern oder Paranaquiri (Meerbewohner);
bald verkauften ſie dieſelben an die Portugieſen oder Jaranavi
(Muſikantenſöhne). 1 In Amerika wie in Afrika hat die
Habſucht der Europäer gleiches Unheil geſtiftet; ſie hat die
Eingeborenen gereizt, ſich zu bekriegen, um Gefangene zu be-
kommen. Ueberall führt der Verkehr zwiſchen Völkern auf
ſehr verſchiedenen Bildungsſtufen zum Mißbrauch der phy-
ſiſchen Gewalt und der geiſtigen Ueberlegenheit. Phönizien
und Karthago ſuchten einſt ihre Sklaven in Europa; heut-
zutage liegt dagegen die Hand Europas ſchwer auf den
Ländern, wo es die erſten Keime ſeines Wiſſens geholt, wie
auf denen, wo es dieſelben, ſo ziemlich wider Willen, ver-
breitet, indem es ihnen die Erzeugniſſe ſeines Gewerbfleißes
zuführt.
Ich habe hier treu berichtet, was ich über die Zuſtände
eines Landes in Erfahrung bringen konnte, wo die beſiegten
Völker nach und nach abſterben und keine andere Spur ihres
Daſeins hinterlaſſen als ein paar Worte ihrer Sprache, welche
1 Die wilden Völker bezeichnen jedes europäiſche Handelsvolk
mit Beinamen, die ganz zufällig entſtanden zu ſein ſcheinen. Ich
habe ſchon oben bemerkt, daß die Spanier vorzugsweiſe bekleidete
Menſchen, Pon gheme oder Uavemi, heißen.
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