Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.hatte auf schön gelbem Grunde teils schwarze, teils braun- Geht man nach Westen, so sieht man die runden Hügel 1 War es Coluber Elaphis, oder Coluber Aesculapii, oder
ein Python, ähnlich dem, der vom Heere des Regulus getötet worden? hatte auf ſchön gelbem Grunde teils ſchwarze, teils braun- Geht man nach Weſten, ſo ſieht man die runden Hügel 1 War es Coluber Elaphis, oder Coluber Aesculapii, oder
ein Python, ähnlich dem, der vom Heere des Regulus getötet worden? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0180" n="172"/> hatte auf ſchön gelbem Grunde teils ſchwarze, teils braun-<lb/> grüne Querſtreifen, am Bauch waren die Streifen blau und<lb/> bildeten rautenförmige Flecken. Es war ein ſchönes, nicht<lb/> giftiges Tier, das, wie die Eingeborenen behaupten, über 5 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> lang wird. Ich hielt den Camudu anfangs für eine Boa,<lb/> ſah aber zu meiner Ueberraſchung, daß bei ihm die Platten<lb/> unter dem Schwanze in zwei Reihen geteilt waren. Es war<lb/> alſo eine Natter, vielleicht ein <hi rendition="#g">Python</hi> des neuen Kontinents;<lb/> ich ſage vielleicht, denn große Naturforſcher (Cuvier) ſcheinen<lb/> anzunehmen, daß alle Pythone der Alten, alle Boa der Neuen<lb/> Welt angehören. Da die Boa des Plinius<note place="foot" n="1">War es <hi rendition="#aq">Coluber Elaphis,</hi> oder <hi rendition="#aq">Coluber Aesculapii,</hi> oder<lb/> ein Python, ähnlich dem, der vom Heere des Regulus getötet<lb/> worden?</note> eine afrikaniſche<lb/> und ſüdeuropäiſche Schlange war, ſo hätte Daudin wohl<lb/> die amerikaniſchen Boa Pythone und die indiſchen Pythone<lb/> Boa nennen ſollen. Die erſte Kunde von einem ungeheu-<lb/> ren Reptil, das Menſchen, ſogar große Vierfüßer packt, ſich<lb/> um ſie ſchlingt und ihnen ſo die Knochen zerbricht, das<lb/> Ziegen und Rehe verſchlingt, kam uns zuerſt aus Indien und<lb/> von der Küſte von Guinea zu. So wenig an Namen gelegen<lb/> iſt, ſo gewöhnt man ſich doch nur ſchwer daran, daß es in<lb/> der Halbkugel, in der Virgil die Qualen Laokoons beſungen<lb/> hat (die aſiatiſchen Griechen hatten die Sage weit ſüdlicheren<lb/> Völkern entlehnt), keine <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Boa constrictor</hi></hi> geben ſoll. Ich<lb/> will die Verwirrung in der zoologiſchen Nomenklatur nicht<lb/> durch neue Vorſchläge zur Abänderung vermehren, und be-<lb/> merke nur, daß, wo nicht der große Haufen der Koloniſten<lb/> in Guyana, doch die Miſſionäre und die <hi rendition="#g">latiniſierten</hi><lb/> Indianer in den Miſſionen ganz gut die <hi rendition="#g">Traga Venadas</hi><lb/> (Zauberſchlangen, echte Boa mit einfachen Afterſchuppen)<lb/> von den <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Culebras de agua,</hi></hi> den dem Camudu ähnlichen<lb/> Waſſerottern (Pythone mit doppelten Afterſchuppen), unter-<lb/> ſcheiden. Die Traga Venadas haben auf dem Rücken keine<lb/> Querſtreifen, ſondern eine Kette rautenförmiger oder ſechs-<lb/> eckiger Flecken. Manche Arten leben vorzugsweiſe an ganz<lb/> trockenen Orten, andere lieben das Waſſer, wie die Pythone<lb/> oder <hi rendition="#aq">Culebras de agua.</hi></p><lb/> <p>Geht man nach Weſten, ſo ſieht man die runden Hügel<lb/> oder Eilande im verlaſſenen Orinokoarm mit denſelben Palmen<lb/> bewachſen, die auf den Felſen in den Katarakten ſtehen. Einer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0180]
hatte auf ſchön gelbem Grunde teils ſchwarze, teils braun-
grüne Querſtreifen, am Bauch waren die Streifen blau und
bildeten rautenförmige Flecken. Es war ein ſchönes, nicht
giftiges Tier, das, wie die Eingeborenen behaupten, über 5 m
lang wird. Ich hielt den Camudu anfangs für eine Boa,
ſah aber zu meiner Ueberraſchung, daß bei ihm die Platten
unter dem Schwanze in zwei Reihen geteilt waren. Es war
alſo eine Natter, vielleicht ein Python des neuen Kontinents;
ich ſage vielleicht, denn große Naturforſcher (Cuvier) ſcheinen
anzunehmen, daß alle Pythone der Alten, alle Boa der Neuen
Welt angehören. Da die Boa des Plinius 1 eine afrikaniſche
und ſüdeuropäiſche Schlange war, ſo hätte Daudin wohl
die amerikaniſchen Boa Pythone und die indiſchen Pythone
Boa nennen ſollen. Die erſte Kunde von einem ungeheu-
ren Reptil, das Menſchen, ſogar große Vierfüßer packt, ſich
um ſie ſchlingt und ihnen ſo die Knochen zerbricht, das
Ziegen und Rehe verſchlingt, kam uns zuerſt aus Indien und
von der Küſte von Guinea zu. So wenig an Namen gelegen
iſt, ſo gewöhnt man ſich doch nur ſchwer daran, daß es in
der Halbkugel, in der Virgil die Qualen Laokoons beſungen
hat (die aſiatiſchen Griechen hatten die Sage weit ſüdlicheren
Völkern entlehnt), keine Boa constrictor geben ſoll. Ich
will die Verwirrung in der zoologiſchen Nomenklatur nicht
durch neue Vorſchläge zur Abänderung vermehren, und be-
merke nur, daß, wo nicht der große Haufen der Koloniſten
in Guyana, doch die Miſſionäre und die latiniſierten
Indianer in den Miſſionen ganz gut die Traga Venadas
(Zauberſchlangen, echte Boa mit einfachen Afterſchuppen)
von den Culebras de agua, den dem Camudu ähnlichen
Waſſerottern (Pythone mit doppelten Afterſchuppen), unter-
ſcheiden. Die Traga Venadas haben auf dem Rücken keine
Querſtreifen, ſondern eine Kette rautenförmiger oder ſechs-
eckiger Flecken. Manche Arten leben vorzugsweiſe an ganz
trockenen Orten, andere lieben das Waſſer, wie die Pythone
oder Culebras de agua.
Geht man nach Weſten, ſo ſieht man die runden Hügel
oder Eilande im verlaſſenen Orinokoarm mit denſelben Palmen
bewachſen, die auf den Felſen in den Katarakten ſtehen. Einer
1 War es Coluber Elaphis, oder Coluber Aesculapii, oder
ein Python, ähnlich dem, der vom Heere des Regulus getötet
worden?
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