Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.wie Pfeiler über die Bäume und das Gebüsch emporragen. Die schöne Vegetation der Berge ist, wo nur auf dem Kaum hatte man in Atures ein paarmal donnern hören, 1 Eine große Reiherart.
wie Pfeiler über die Bäume und das Gebüſch emporragen. Die ſchöne Vegetation der Berge iſt, wo nur auf dem Kaum hatte man in Atures ein paarmal donnern hören, 1 Eine große Reiherart.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0131" n="123"/> wie Pfeiler über die Bäume und das Gebüſch emporragen.<lb/> Dieſe Bildung kommt allen Granitplateaus zu, im Harz, im<lb/> böhmiſchen Erzgebirge, in Galizien, an der Grenze beider<lb/> Kaſtilien; ſie wiederholt ſich überall, wo in unbedeutender<lb/> Meereshöhe (780 bis 1170 <hi rendition="#aq">m</hi>) ein Granit neuerer Formation<lb/> zu Tage kommt. Die in Abſtänden ſich erhebenden Felſen<lb/> beſtehen entweder aus aufgetürmten Blöcken oder ſind in<lb/> regelmäßige, wagerechte Bänke geteilt. Auf die ganz nahe<lb/> am Orinoko ſtellen ſich die Flamingo, die <hi rendition="#g">Solbados</hi><note place="foot" n="1">Eine große Reiherart.</note> und<lb/> und andere fiſchfangende Vögel, und nehmen ſich dann aus<lb/> wie Menſchen, die Wache ſtehen. Dies iſt zuweilen ſo täu-<lb/> ſchend, daß, wie mehrere Augenzeugen erzählen, die Einwohner<lb/> von Angoſtura eines Tages kurz nach der Gründung der<lb/> Stadt in die größte Beſtürzung gerieten, als ſich auf ein-<lb/> mal auf einem Berge gegen Süd Reiher, <hi rendition="#g">Solbados</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Garzas</hi> blicken ließen. Sie glaubten ſich von einem Ueber-<lb/> fall der <hi rendition="#aq">Indios monteros</hi> (der wilden Indianer) bedroht,<lb/> und obgleich einige Leute, die mit dieſer Täuſchung bekannt<lb/> waren, die Sache aufklärten, beruhigte ſich das Volk nicht<lb/> eher ganz, als bis die Vögel in die Luft ſtiegen und ihre<lb/> Wanderung der Mündung des Orinoko zu fortſetzten.</p><lb/> <p>Die ſchöne Vegetation der Berge iſt, wo nur auf dem<lb/> Felsboden Dammerde liegt, auch über die Ebenen verbreitet.<lb/> Meiſtens ſieht man zwiſchen dieſer ſchwarzen, mit Pflanzen-<lb/> faſern gemiſchten Dammerde und dem Granitgeſtein eine<lb/> Schichte weißen Sandes. Der Miſſionär verſicherte uns, in<lb/> der Nähe der Waſſerfälle ſei das Grün beſtändig friſch in-<lb/> folge des vielen Waſſerdampfes, der aus dem auf einer Strecke<lb/> von 5,8 bis 7,8 <hi rendition="#aq">km</hi> in Strudel und Waſſerfälle zerſchlagenen<lb/> Strome aufſteigt.</p><lb/> <p>Kaum hatte man in Atures ein paarmal donnern hören,<lb/> und bereits zeigte die Vegetation allerorten die kräftige Fülle<lb/> und den Farbenglanz, wie man ſie auf den Küſten erſt zu<lb/> Ende der Regenzeit findet. Die alten Bäume hingen voll<lb/> prächtiger Orchideen, gelber Banniſterien, Bignonien mit blauen<lb/> Blüten, Peperomia, Arum, Pothos. Auf einem einzigen Baum-<lb/> ſtamme waren mannigfaltigere Pflanzengebilde beiſammen, als<lb/> in unſerem Klima auf einem anſehnlichen Landſtriche. Neben<lb/> dieſen den heißen Klimaten eigenen Schmarotzergewächſen ſahen<lb/> wir hier mitten in der heißen Zone und faſt im Niveau des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0131]
wie Pfeiler über die Bäume und das Gebüſch emporragen.
Dieſe Bildung kommt allen Granitplateaus zu, im Harz, im
böhmiſchen Erzgebirge, in Galizien, an der Grenze beider
Kaſtilien; ſie wiederholt ſich überall, wo in unbedeutender
Meereshöhe (780 bis 1170 m) ein Granit neuerer Formation
zu Tage kommt. Die in Abſtänden ſich erhebenden Felſen
beſtehen entweder aus aufgetürmten Blöcken oder ſind in
regelmäßige, wagerechte Bänke geteilt. Auf die ganz nahe
am Orinoko ſtellen ſich die Flamingo, die Solbados 1 und
und andere fiſchfangende Vögel, und nehmen ſich dann aus
wie Menſchen, die Wache ſtehen. Dies iſt zuweilen ſo täu-
ſchend, daß, wie mehrere Augenzeugen erzählen, die Einwohner
von Angoſtura eines Tages kurz nach der Gründung der
Stadt in die größte Beſtürzung gerieten, als ſich auf ein-
mal auf einem Berge gegen Süd Reiher, Solbados und
Garzas blicken ließen. Sie glaubten ſich von einem Ueber-
fall der Indios monteros (der wilden Indianer) bedroht,
und obgleich einige Leute, die mit dieſer Täuſchung bekannt
waren, die Sache aufklärten, beruhigte ſich das Volk nicht
eher ganz, als bis die Vögel in die Luft ſtiegen und ihre
Wanderung der Mündung des Orinoko zu fortſetzten.
Die ſchöne Vegetation der Berge iſt, wo nur auf dem
Felsboden Dammerde liegt, auch über die Ebenen verbreitet.
Meiſtens ſieht man zwiſchen dieſer ſchwarzen, mit Pflanzen-
faſern gemiſchten Dammerde und dem Granitgeſtein eine
Schichte weißen Sandes. Der Miſſionär verſicherte uns, in
der Nähe der Waſſerfälle ſei das Grün beſtändig friſch in-
folge des vielen Waſſerdampfes, der aus dem auf einer Strecke
von 5,8 bis 7,8 km in Strudel und Waſſerfälle zerſchlagenen
Strome aufſteigt.
Kaum hatte man in Atures ein paarmal donnern hören,
und bereits zeigte die Vegetation allerorten die kräftige Fülle
und den Farbenglanz, wie man ſie auf den Küſten erſt zu
Ende der Regenzeit findet. Die alten Bäume hingen voll
prächtiger Orchideen, gelber Banniſterien, Bignonien mit blauen
Blüten, Peperomia, Arum, Pothos. Auf einem einzigen Baum-
ſtamme waren mannigfaltigere Pflanzengebilde beiſammen, als
in unſerem Klima auf einem anſehnlichen Landſtriche. Neben
dieſen den heißen Klimaten eigenen Schmarotzergewächſen ſahen
wir hier mitten in der heißen Zone und faſt im Niveau des
1 Eine große Reiherart.
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