lichkeit so ungemein groß war) hat das gelbe Fieber seine Verheerungen in Guayra fortgesetzt; es wütete nicht allein unter den frisch aus Spanien angekommenen Truppen, sondern auch unter denen, die fern von der Küste in den Llanos zwischen Calabozo und Uritucu ausgehoben worden, also in einem Lande, das fast so heiß als Guayra, aber gesund ist. Letzterer Umstand würde uns noch mehr auffallen, wenn wir nicht wüßten, daß sogar Eingeborene von Veracruz, die zu Hause den Typhus nicht bekommen, nicht selten in Epidemieen in der Havana oder in den Vereinigten Staaten Opfer des- selben werden. Wie das schwarze Erbrechen am Abhange der mexikanischen Gebirge auf dem Wege nach Xalapa beim Encero (in 928 m Meereshöhe), wo mit den Eichen ein kühles, köstliches Klima beginnt, eine unübersteigliche Grenze findet, so geht das gelbe Fieber nicht leicht über den Bergkamm zwischen Guayra und dem Thale von Caracas hinüber. Dieses Thal ist lange Zeit davon verschont geblieben, denn man darf den Vomito, das gelbe Fieber, nicht mit den ataktischen und den Gallenfiebern verwechseln. Der Cumbre und der Cerro de Avila sind eine treffliche Schutzwehr für die Stadt Caracas, die etwas höher liegt als der Encero, die aber eine höhere mittlere Temperatur hat als Xalapa.
Bonplands und meine Beobachtungen über die physischen Verhältnisse der Städte, welche periodisch von der Geißel des gelben Fiebers heimgesucht werden, sind anderswo niedergelegt, und es ist hier nicht der Ort, neue Vermutungen über die Veränderungen in der pathogonischen Konstitution mancher Städte zu äußern. Je mehr ich über diesen Gegenstand nach- denke, desto rätselhafter erscheint mir alles, was auf die gas- förmigen Effluvien Bezug hat, die man mit einem so viel- sagenden Wort "Keime der Ansteckung" nennt, und die sich in verdorbener Luft entwickeln, die durch die Kälte zerstört werden, sich durch Kleider verschleppen und an den Wänden der Häuser haften sollen. Wie will man erklären, daß in den achtzehn Jahren vor 1794 in Veracruz nicht ein einziger Fall von "Vomito" vorkam, obgleich der Verkehr mit nicht akklimatisierten Europäern und Mexikanern aus dem Inneren sehr stark war, die Matrosen sich denselben Ausschweifungen überließen, über die man noch jetzt klagt, und die Stadt weniger reinlich war, als sie seit dem Jahre 1800 ist.
Die Reihenfolge pathologischer Thatsachen, auf ihren einfachsten Ausdruck gebracht, ist folgende. Wenn in einem
lichkeit ſo ungemein groß war) hat das gelbe Fieber ſeine Verheerungen in Guayra fortgeſetzt; es wütete nicht allein unter den friſch aus Spanien angekommenen Truppen, ſondern auch unter denen, die fern von der Küſte in den Llanos zwiſchen Calabozo und Uritucu ausgehoben worden, alſo in einem Lande, das faſt ſo heiß als Guayra, aber geſund iſt. Letzterer Umſtand würde uns noch mehr auffallen, wenn wir nicht wüßten, daß ſogar Eingeborene von Veracruz, die zu Hauſe den Typhus nicht bekommen, nicht ſelten in Epidemieen in der Havana oder in den Vereinigten Staaten Opfer des- ſelben werden. Wie das ſchwarze Erbrechen am Abhange der mexikaniſchen Gebirge auf dem Wege nach Xalapa beim Encero (in 928 m Meereshöhe), wo mit den Eichen ein kühles, köſtliches Klima beginnt, eine unüberſteigliche Grenze findet, ſo geht das gelbe Fieber nicht leicht über den Bergkamm zwiſchen Guayra und dem Thale von Caracas hinüber. Dieſes Thal iſt lange Zeit davon verſchont geblieben, denn man darf den Vomito, das gelbe Fieber, nicht mit den ataktiſchen und den Gallenfiebern verwechſeln. Der Cumbre und der Cerro de Avila ſind eine treffliche Schutzwehr für die Stadt Caracas, die etwas höher liegt als der Encero, die aber eine höhere mittlere Temperatur hat als Xalapa.
Bonplands und meine Beobachtungen über die phyſiſchen Verhältniſſe der Städte, welche periodiſch von der Geißel des gelben Fiebers heimgeſucht werden, ſind anderswo niedergelegt, und es iſt hier nicht der Ort, neue Vermutungen über die Veränderungen in der pathogoniſchen Konſtitution mancher Städte zu äußern. Je mehr ich über dieſen Gegenſtand nach- denke, deſto rätſelhafter erſcheint mir alles, was auf die gas- förmigen Effluvien Bezug hat, die man mit einem ſo viel- ſagenden Wort „Keime der Anſteckung“ nennt, und die ſich in verdorbener Luft entwickeln, die durch die Kälte zerſtört werden, ſich durch Kleider verſchleppen und an den Wänden der Häuſer haften ſollen. Wie will man erklären, daß in den achtzehn Jahren vor 1794 in Veracruz nicht ein einziger Fall von „Vomito“ vorkam, obgleich der Verkehr mit nicht akklimatiſierten Europäern und Mexikanern aus dem Inneren ſehr ſtark war, die Matroſen ſich denſelben Ausſchweifungen überließen, über die man noch jetzt klagt, und die Stadt weniger reinlich war, als ſie ſeit dem Jahre 1800 iſt.
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lichkeit ſo ungemein groß war) hat das gelbe Fieber ſeine
Verheerungen in Guayra fortgeſetzt; es wütete nicht allein
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auch unter denen, die fern von der Küſte in den Llanos
zwiſchen Calabozo und Uritucu ausgehoben worden, alſo in
einem Lande, das faſt ſo heiß als Guayra, aber geſund iſt.
Letzterer Umſtand würde uns noch mehr auffallen, wenn wir
nicht wüßten, daß ſogar Eingeborene von Veracruz, die zu
Hauſe den Typhus nicht bekommen, nicht ſelten in Epidemieen
in der Havana oder in den Vereinigten Staaten Opfer des-
ſelben werden. Wie das ſchwarze Erbrechen am Abhange
der mexikaniſchen Gebirge auf dem Wege nach Xalapa beim
Encero (in 928 m Meereshöhe), wo mit den Eichen ein kühles,
köſtliches Klima beginnt, eine unüberſteigliche Grenze findet,
ſo geht das gelbe Fieber nicht leicht über den Bergkamm
zwiſchen Guayra und dem Thale von Caracas hinüber. Dieſes
Thal iſt lange Zeit davon verſchont geblieben, denn man darf
den Vomito, das gelbe Fieber, nicht mit den ataktiſchen und
den Gallenfiebern verwechſeln. Der Cumbre und der Cerro
de Avila ſind eine treffliche Schutzwehr für die Stadt Caracas,
die etwas höher liegt als der Encero, die aber eine höhere
mittlere Temperatur hat als Xalapa.
Bonplands und meine Beobachtungen über die phyſiſchen
Verhältniſſe der Städte, welche periodiſch von der Geißel des
gelben Fiebers heimgeſucht werden, ſind anderswo niedergelegt,
und es iſt hier nicht der Ort, neue Vermutungen über die
Veränderungen in der pathogoniſchen Konſtitution mancher
Städte zu äußern. Je mehr ich über dieſen Gegenſtand nach-
denke, deſto rätſelhafter erſcheint mir alles, was auf die gas-
förmigen Effluvien Bezug hat, die man mit einem ſo viel-
ſagenden Wort „Keime der Anſteckung“ nennt, und die ſich
in verdorbener Luft entwickeln, die durch die Kälte zerſtört
werden, ſich durch Kleider verſchleppen und an den Wänden
der Häuſer haften ſollen. Wie will man erklären, daß in
den achtzehn Jahren vor 1794 in Veracruz nicht ein einziger
Fall von „Vomito“ vorkam, obgleich der Verkehr mit nicht
akklimatiſierten Europäern und Mexikanern aus dem Inneren
ſehr ſtark war, die Matroſen ſich denſelben Ausſchweifungen
überließen, über die man noch jetzt klagt, und die Stadt
weniger reinlich war, als ſie ſeit dem Jahre 1800 iſt.
Die Reihenfolge pathologiſcher Thatſachen, auf ihren
einfachſten Ausdruck gebracht, iſt folgende. Wenn in einem
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/91>, abgerufen am 16.02.2025.
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