Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.kleine Manzanares an seiner Mündung gebildet hat. Der abend- Wir steuerten zuerst nach Nord-Nord-West, indem wir Um Mitternacht befanden wir uns zwischen nackten Felsen- A. v. Humboldt, Reise. II. 5
kleine Manzanares an ſeiner Mündung gebildet hat. Der abend- Wir ſteuerten zuerſt nach Nord-Nord-Weſt, indem wir Um Mitternacht befanden wir uns zwiſchen nackten Felſen- A. v. Humboldt, Reiſe. II. 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0073" n="65"/> kleine Manzanares an ſeiner Mündung gebildet hat. Der abend-<lb/> liche Seewind ſchwellte ſanft die Gewäſſer des Meerbuſens<lb/> von Cariaco. Der Mond war noch nicht aufgegangen, aber<lb/> der Teil der Milchſtraße zwiſchen den Füßen des Centauren<lb/> und dem Sternbilde des Schützen ſchien einen Silberſchimmer<lb/> auf die Meeresfläche zu werfen. Der weiße Fels, auf dem<lb/> das alte Schloß San Antonio ſteht, tauchte zuweilen zwiſchen<lb/> den hohen Wipfeln der Kokospalmen am Ufer auf. Nicht<lb/> lange, ſo erkannten wir die Küſte nur noch an den zerſtreuten<lb/> Lichtern fiſchender Guaikeri; da empfanden wir doppelt den<lb/> Neiz des Landes und das ſchmerzliche Gefühl, ſcheiden zu<lb/> müſſen. Vor fünf Monaten hatten wir dieſes Ufer betreten,<lb/> wie ein neu entdecktes Land, Fremdlinge in der ganzen Um-<lb/> gebung, in jeden Buſch, an jeden feuchten, ſchattigen Ort nur<lb/> mit Zagen den Fuß ſetzend. Jetzt, da dieſe Küſte unſeren<lb/> Blicken entſchwand, lebten Erinnerungen daran in uns, die<lb/> uns uralt dünkten. Boden, Gebirgsart, Gewächſe, Bewohner,<lb/> mit allem waren wir vertraut geworden.</p><lb/> <p>Wir ſteuerten zuerſt nach Nord-Nord-Weſt, indem wir<lb/> auf die Halbinſel Araya zuhielten; dann fuhren wir 135 <hi rendition="#aq">km</hi><lb/> nach Weſt und Weſt-Süd-Weſt. In der Nähe der Bank,<lb/> die das Vorgebirge Arenas umgibt und bis zu den Bergöl-<lb/> quellen von Maniquarez fortſtreicht, hatten wir ein belebtes<lb/> Schauſpiel, dergleichen die ſtarke Phosphoreszenz der See in<lb/> dieſem Klima ſo häufig bietet. Schwärme von Tummlern<lb/> zogen unſerem Fahrzeuge nach. Ihrer 15 oder 16 ſchwammen<lb/> in gleichem Abſtand voneinander. Wenn ſie nun bei der<lb/> Wendung mit ihren breiten Floſſen auf die Waſſerfläche<lb/> ſchlugen, ſo gab es einen ſtarken Lichtſchimmer; es war, als<lb/> bräche Feuer aus der Meerestiefe. Jeder Schwarm ließ beim<lb/> Durchſchneiden der Wellen einen Lichtſtreif hinter ſich zurück.<lb/> Dies fiel uns um ſo mehr auf, da außerdem die Wellen<lb/> nicht leuchteten. Da der Schlag eines Ruders und der Stoß<lb/> des Schiffes in dieſer Nacht nur ſchwache Funken gaben, ſo<lb/> muß man wohl annehmen, daß der ſtarke Lichtſchein, der<lb/> von den Tummlern ausging, nicht allein vom Schlage ihrer<lb/> Floſſen herrührte, ſondern auch von der gallertartigen Materie,<lb/> die ihren Körper überzieht und vom Stoße der Wellen abge-<lb/> rieben wird.</p><lb/> <p>Um Mitternacht befanden wir uns zwiſchen nackten Felſen-<lb/> inſeln, die wie Bollwerke aus dem Meere ſteigen; es iſt die<lb/> Gruppe der Caracas- und Chimanaseilande. Der Mond war<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi>, Reiſe. <hi rendition="#aq">II.</hi> 5</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0073]
kleine Manzanares an ſeiner Mündung gebildet hat. Der abend-
liche Seewind ſchwellte ſanft die Gewäſſer des Meerbuſens
von Cariaco. Der Mond war noch nicht aufgegangen, aber
der Teil der Milchſtraße zwiſchen den Füßen des Centauren
und dem Sternbilde des Schützen ſchien einen Silberſchimmer
auf die Meeresfläche zu werfen. Der weiße Fels, auf dem
das alte Schloß San Antonio ſteht, tauchte zuweilen zwiſchen
den hohen Wipfeln der Kokospalmen am Ufer auf. Nicht
lange, ſo erkannten wir die Küſte nur noch an den zerſtreuten
Lichtern fiſchender Guaikeri; da empfanden wir doppelt den
Neiz des Landes und das ſchmerzliche Gefühl, ſcheiden zu
müſſen. Vor fünf Monaten hatten wir dieſes Ufer betreten,
wie ein neu entdecktes Land, Fremdlinge in der ganzen Um-
gebung, in jeden Buſch, an jeden feuchten, ſchattigen Ort nur
mit Zagen den Fuß ſetzend. Jetzt, da dieſe Küſte unſeren
Blicken entſchwand, lebten Erinnerungen daran in uns, die
uns uralt dünkten. Boden, Gebirgsart, Gewächſe, Bewohner,
mit allem waren wir vertraut geworden.
Wir ſteuerten zuerſt nach Nord-Nord-Weſt, indem wir
auf die Halbinſel Araya zuhielten; dann fuhren wir 135 km
nach Weſt und Weſt-Süd-Weſt. In der Nähe der Bank,
die das Vorgebirge Arenas umgibt und bis zu den Bergöl-
quellen von Maniquarez fortſtreicht, hatten wir ein belebtes
Schauſpiel, dergleichen die ſtarke Phosphoreszenz der See in
dieſem Klima ſo häufig bietet. Schwärme von Tummlern
zogen unſerem Fahrzeuge nach. Ihrer 15 oder 16 ſchwammen
in gleichem Abſtand voneinander. Wenn ſie nun bei der
Wendung mit ihren breiten Floſſen auf die Waſſerfläche
ſchlugen, ſo gab es einen ſtarken Lichtſchimmer; es war, als
bräche Feuer aus der Meerestiefe. Jeder Schwarm ließ beim
Durchſchneiden der Wellen einen Lichtſtreif hinter ſich zurück.
Dies fiel uns um ſo mehr auf, da außerdem die Wellen
nicht leuchteten. Da der Schlag eines Ruders und der Stoß
des Schiffes in dieſer Nacht nur ſchwache Funken gaben, ſo
muß man wohl annehmen, daß der ſtarke Lichtſchein, der
von den Tummlern ausging, nicht allein vom Schlage ihrer
Floſſen herrührte, ſondern auch von der gallertartigen Materie,
die ihren Körper überzieht und vom Stoße der Wellen abge-
rieben wird.
Um Mitternacht befanden wir uns zwiſchen nackten Felſen-
inſeln, die wie Bollwerke aus dem Meere ſteigen; es iſt die
Gruppe der Caracas- und Chimanaseilande. Der Mond war
A. v. Humboldt, Reiſe. II. 5
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