ist, so müßte man annehmen, sie sei einst von den Anden zwischen Santa Fe de Bogota und Pamplona abgegangen. Diese Bemerkung mag dazu dienen, die geographische Lage dieser Kordillere, die bis jetzt sehr wenig bekannt geworden, dem Leser besser einzuprägen. -- Eine dritte Bergkette ver- bindet unter dem 16. und 18. Grad südlicher Breite (über Santa Cruz de la Sierra, die Serranias von Aguapehy und die vielberufenen Campos dos Parecis) die peruanischen Anden mit den Gebirgen Brasiliens. Dies ist die Kordillere von Chiquitos, die in der Capitania von Minas Geraes breiter wird und die Wasserscheide zwischen dem Amazonenstrome und dem La Plata bildet, nicht nur im inneren Lande, im Meridian von Villa Boa, sondern bis wenige Meilen von der Küste, zwischen Rio de Janeiro und Bahia.
Diese drei Querketten oder vielmehr diese drei Berg- stöcke, welche innerhalb der Grenzen der heißen Zone von West nach Ost streichen, sind durch völlig ebene Landstriche getrennt, die Ebenen von Caracas oder am unteren Ori- noko, die Ebenen des Amazonenstromes und des Rio Negro, die Ebenen von Buenos Ayres oder des La Plata. Ich brauche nicht den Ausdruck Thäler, weil der untere Orinoko und der Amazonenstrom keineswegs in einem Thale fließen, sondern nur in einer weiten Ebene eine kleine Rinne bilden. Die beiden Becken an den beiden Enden Südamerikas sind Savannen oder Steppen, baumlose Weiden; das mittlere Becken, in welches das ganze Jahr die tropischen Regen fallen, ist fast durchgängig ein ungeheurer Wald, in dem es keinen anderen Pfad gibt als die Flüsse. Wegen des kräftigen Pflanzenwuchses, der den Boden überzieht, fällt hier die Eben- heit desselben weniger auf, und nur die Becken von Caracas und La Plata nennt man Ebenen. In der Sprache der Kolonisten heißen die drei eben beschriebenen Becken: die Llanos von Varinas und Caracas, die Bosques oder Selvas (Wälder) des Amazonenstromes, und die Pampas von Buenos Ayres. Der Wald bedeckt nicht nur größtenteils die Ebenen des Amazonenstromes von der Kordillere von Chiquitos bis zu der der Parime, er überzieht auch diese beiden Bergketten, welche selten die Höhe der Pyrenäen erreichen. Deshalb sind die weiten Ebenen des Amazonen- stromes, des Madeira und Rio Negro nicht so scharf begrenzt wie die Llanos von Caracas und die Pampas von Buenos Ayres. Da die Waldregion Ebenen und Gebirge zugleich
iſt, ſo müßte man annehmen, ſie ſei einſt von den Anden zwiſchen Santa Fé de Bogota und Pamplona abgegangen. Dieſe Bemerkung mag dazu dienen, die geographiſche Lage dieſer Kordillere, die bis jetzt ſehr wenig bekannt geworden, dem Leſer beſſer einzuprägen. — Eine dritte Bergkette ver- bindet unter dem 16. und 18. Grad ſüdlicher Breite (über Santa Cruz de la Sierra, die Serranias von Aguapehy und die vielberufenen Campos dos Parecis) die peruaniſchen Anden mit den Gebirgen Braſiliens. Dies iſt die Kordillere von Chiquitos, die in der Capitania von Minas Geraes breiter wird und die Waſſerſcheide zwiſchen dem Amazonenſtrome und dem La Plata bildet, nicht nur im inneren Lande, im Meridian von Villa Boa, ſondern bis wenige Meilen von der Küſte, zwiſchen Rio de Janeiro und Bahia.
Dieſe drei Querketten oder vielmehr dieſe drei Berg- ſtöcke, welche innerhalb der Grenzen der heißen Zone von Weſt nach Oſt ſtreichen, ſind durch völlig ebene Landſtriche getrennt, die Ebenen von Caracas oder am unteren Ori- noko, die Ebenen des Amazonenſtromes und des Rio Negro, die Ebenen von Buenos Ayres oder des La Plata. Ich brauche nicht den Ausdruck Thäler, weil der untere Orinoko und der Amazonenſtrom keineswegs in einem Thale fließen, ſondern nur in einer weiten Ebene eine kleine Rinne bilden. Die beiden Becken an den beiden Enden Südamerikas ſind Savannen oder Steppen, baumloſe Weiden; das mittlere Becken, in welches das ganze Jahr die tropiſchen Regen fallen, iſt faſt durchgängig ein ungeheurer Wald, in dem es keinen anderen Pfad gibt als die Flüſſe. Wegen des kräftigen Pflanzenwuchſes, der den Boden überzieht, fällt hier die Eben- heit desſelben weniger auf, und nur die Becken von Caracas und La Plata nennt man Ebenen. In der Sprache der Koloniſten heißen die drei eben beſchriebenen Becken: die Llanos von Varinas und Caracas, die Bosques oder Selvas (Wälder) des Amazonenſtromes, und die Pampas von Buenos Ayres. Der Wald bedeckt nicht nur größtenteils die Ebenen des Amazonenſtromes von der Kordillere von Chiquitos bis zu der der Parime, er überzieht auch dieſe beiden Bergketten, welche ſelten die Höhe der Pyrenäen erreichen. Deshalb ſind die weiten Ebenen des Amazonen- ſtromes, des Madeira und Rio Negro nicht ſo ſcharf begrenzt wie die Llanos von Caracas und die Pampas von Buenos Ayres. Da die Waldregion Ebenen und Gebirge zugleich
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iſt, ſo müßte man annehmen, ſie ſei einſt von den Anden
zwiſchen Santa Fé de Bogota und Pamplona abgegangen.
Dieſe Bemerkung mag dazu dienen, die geographiſche Lage
dieſer Kordillere, die bis jetzt ſehr wenig bekannt geworden,
dem Leſer beſſer einzuprägen. — Eine dritte Bergkette ver-
bindet unter dem 16. und 18. Grad ſüdlicher Breite (über Santa
Cruz de la Sierra, die Serranias von Aguapehy und die
vielberufenen Campos dos Parecis) die peruaniſchen Anden
mit den Gebirgen Braſiliens. Dies iſt die Kordillere von
Chiquitos, die in der Capitania von Minas Geraes breiter
wird und die Waſſerſcheide zwiſchen dem Amazonenſtrome und
dem La Plata bildet, nicht nur im inneren Lande, im Meridian
von Villa Boa, ſondern bis wenige Meilen von der Küſte,
zwiſchen Rio de Janeiro und Bahia.
Dieſe drei Querketten oder vielmehr dieſe drei Berg-
ſtöcke, welche innerhalb der Grenzen der heißen Zone von
Weſt nach Oſt ſtreichen, ſind durch völlig ebene Landſtriche
getrennt, die Ebenen von Caracas oder am unteren Ori-
noko, die Ebenen des Amazonenſtromes und des Rio
Negro, die Ebenen von Buenos Ayres oder des La Plata.
Ich brauche nicht den Ausdruck Thäler, weil der untere
Orinoko und der Amazonenſtrom keineswegs in einem Thale
fließen, ſondern nur in einer weiten Ebene eine kleine Rinne
bilden. Die beiden Becken an den beiden Enden Südamerikas
ſind Savannen oder Steppen, baumloſe Weiden; das mittlere
Becken, in welches das ganze Jahr die tropiſchen Regen
fallen, iſt faſt durchgängig ein ungeheurer Wald, in dem es
keinen anderen Pfad gibt als die Flüſſe. Wegen des kräftigen
Pflanzenwuchſes, der den Boden überzieht, fällt hier die Eben-
heit desſelben weniger auf, und nur die Becken von Caracas
und La Plata nennt man Ebenen. In der Sprache der
Koloniſten heißen die drei eben beſchriebenen Becken: die
Llanos von Varinas und Caracas, die Bosques oder
Selvas (Wälder) des Amazonenſtromes, und die Pampas
von Buenos Ayres. Der Wald bedeckt nicht nur größtenteils
die Ebenen des Amazonenſtromes von der Kordillere
von Chiquitos bis zu der der Parime, er überzieht auch dieſe
beiden Bergketten, welche ſelten die Höhe der Pyrenäen
erreichen. Deshalb ſind die weiten Ebenen des Amazonen-
ſtromes, des Madeira und Rio Negro nicht ſo ſcharf begrenzt
wie die Llanos von Caracas und die Pampas von Buenos
Ayres. Da die Waldregion Ebenen und Gebirge zugleich
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/282>, abgerufen am 16.07.2024.
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