den Steppen fortziehen kann, bis über den Aequator hinaus an den Fuß der Anden von Pasto. Sie kennen nach den Berichten der Reisenden die Pampas von Buenos Ayres, die gleichfalls mit feinem Gras bewachsene, baumlose Llanos sind und von verwilderten Rindern und Pferden wimmeln. Sie sind, nach Anleitung unserer meisten Karten von Amerika, der Meinung, der Kontinent habe nur eine Bergkette, die der Anden, die von Süd nach Nord läuft, und nach einem unbestimmten systematischen Begriffe lassen sie alle Ebenen vom Orinoko und vom Apure an bis zum Rio de la Plata und der Magelhaensschen Meerenge untereinander zusammen- hängen.
Ich entwerfe im folgenden ein möglichst klares und ge- drängtes Bild vom allgemeinen Bau eines Festlandes, dessen Endpunkte, unter so verschiedenen Klimaten sie auch liegen, in mehreren Zügen miteinander übereinkommen. Um den Umriß und die Grenzen der Ebenen richtig aufzufassen, muß man die Bergketten kennen, welche den Uferrand derselben bilden. Von der Küstenkordillere, deren höchster Gipfel die Silla bei Caracas ist, und die durch den Paramo de las Rosas mit dem Nevado von Merida und den Anden von Neugranada zusammenhängt, haben wir bereits gesprochen. Eine zweite Bergkette, oder vielmehr ein minder hoher, aber weit breiterer Bergstock läuft zwischen dem 3. und 7. Parallelkreise von den Mündungen des Guaviare und Meta zu den Quellen des Orinoko, Marony und Essequibo, gegen das holländische und französische Guyana zu. Ich nenne diese Kette die Kor- dillere der Parime oder der großen Fälle des Orinoko; man kann sie 1125 km weit verfolgen, es ist aber nicht sowohl eine Kette, als ein Haufen granitischer Berge, zwischen denen kleine Ebenen liegen und die nicht überall Reihen bilden. Der Bergstock der Parime verschmälert sich bedeutend zwischen den Quellen des Orinoko und den Bergen von Demerara zu den Sierren von Quimiropaca und Pacaraimo, welche die Wasser- scheide bilden zwischen dem Carony und dem Rio Parime oder Rio de Aguas blancas. Dies ist der Schauplatz der Unter- nehmungen, um den Dorado aufzusuchen und die große Stadt Manoa, das Timbuktu der Neuen Welt. Die Kordillere der Parime hängt mit den Anden von Neugranada nicht zusammen; sie sind durch einen 360 km breiten Zwischenraum getrennt. Dächte man sich, dieselbe sie hier durch eine große Erdum- wälzung zerstört worden, was übrigens gar nicht wahrscheinlich
A. v. Humboldt, Reise. II. 18
den Steppen fortziehen kann, bis über den Aequator hinaus an den Fuß der Anden von Paſto. Sie kennen nach den Berichten der Reiſenden die Pampas von Buenos Ayres, die gleichfalls mit feinem Gras bewachſene, baumloſe Llanos ſind und von verwilderten Rindern und Pferden wimmeln. Sie ſind, nach Anleitung unſerer meiſten Karten von Amerika, der Meinung, der Kontinent habe nur eine Bergkette, die der Anden, die von Süd nach Nord läuft, und nach einem unbeſtimmten ſyſtematiſchen Begriffe laſſen ſie alle Ebenen vom Orinoko und vom Apure an bis zum Rio de la Plata und der Magelhaensſchen Meerenge untereinander zuſammen- hängen.
Ich entwerfe im folgenden ein möglichſt klares und ge- drängtes Bild vom allgemeinen Bau eines Feſtlandes, deſſen Endpunkte, unter ſo verſchiedenen Klimaten ſie auch liegen, in mehreren Zügen miteinander übereinkommen. Um den Umriß und die Grenzen der Ebenen richtig aufzufaſſen, muß man die Bergketten kennen, welche den Uferrand derſelben bilden. Von der Küſtenkordillere, deren höchſter Gipfel die Silla bei Caracas iſt, und die durch den Paramo de las Roſas mit dem Nevado von Merida und den Anden von Neugranada zuſammenhängt, haben wir bereits geſprochen. Eine zweite Bergkette, oder vielmehr ein minder hoher, aber weit breiterer Bergſtock läuft zwiſchen dem 3. und 7. Parallelkreiſe von den Mündungen des Guaviare und Meta zu den Quellen des Orinoko, Marony und Eſſequibo, gegen das holländiſche und franzöſiſche Guyana zu. Ich nenne dieſe Kette die Kor- dillere der Parime oder der großen Fälle des Orinoko; man kann ſie 1125 km weit verfolgen, es iſt aber nicht ſowohl eine Kette, als ein Haufen granitiſcher Berge, zwiſchen denen kleine Ebenen liegen und die nicht überall Reihen bilden. Der Bergſtock der Parime verſchmälert ſich bedeutend zwiſchen den Quellen des Orinoko und den Bergen von Demerara zu den Sierren von Quimiropaca und Pacaraimo, welche die Waſſer- ſcheide bilden zwiſchen dem Carony und dem Rio Parime oder Rio de Aguas blancas. Dies iſt der Schauplatz der Unter- nehmungen, um den Dorado aufzuſuchen und die große Stadt Manoa, das Timbuktu der Neuen Welt. Die Kordillere der Parime hängt mit den Anden von Neugranada nicht zuſammen; ſie ſind durch einen 360 km breiten Zwiſchenraum getrennt. Dächte man ſich, dieſelbe ſie hier durch eine große Erdum- wälzung zerſtört worden, was übrigens gar nicht wahrſcheinlich
A. v. Humboldt, Reiſe. II. 18
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den Steppen fortziehen kann, bis über den Aequator hinaus
an den Fuß der Anden von Paſto. Sie kennen nach den
Berichten der Reiſenden die Pampas von Buenos Ayres, die
gleichfalls mit feinem Gras bewachſene, baumloſe Llanos ſind
und von verwilderten Rindern und Pferden wimmeln. Sie
ſind, nach Anleitung unſerer meiſten Karten von Amerika,
der Meinung, der Kontinent habe nur eine Bergkette, die
der Anden, die von Süd nach Nord läuft, und nach einem
unbeſtimmten ſyſtematiſchen Begriffe laſſen ſie alle Ebenen
vom Orinoko und vom Apure an bis zum Rio de la Plata
und der Magelhaensſchen Meerenge untereinander zuſammen-
hängen.
Ich entwerfe im folgenden ein möglichſt klares und ge-
drängtes Bild vom allgemeinen Bau eines Feſtlandes, deſſen
Endpunkte, unter ſo verſchiedenen Klimaten ſie auch liegen,
in mehreren Zügen miteinander übereinkommen. Um den
Umriß und die Grenzen der Ebenen richtig aufzufaſſen, muß
man die Bergketten kennen, welche den Uferrand derſelben
bilden. Von der Küſtenkordillere, deren höchſter Gipfel die
Silla bei Caracas iſt, und die durch den Paramo de las Roſas
mit dem Nevado von Merida und den Anden von Neugranada
zuſammenhängt, haben wir bereits geſprochen. Eine zweite
Bergkette, oder vielmehr ein minder hoher, aber weit breiterer
Bergſtock läuft zwiſchen dem 3. und 7. Parallelkreiſe von den
Mündungen des Guaviare und Meta zu den Quellen des
Orinoko, Marony und Eſſequibo, gegen das holländiſche und
franzöſiſche Guyana zu. Ich nenne dieſe Kette die Kor-
dillere der Parime oder der großen Fälle des Orinoko;
man kann ſie 1125 km weit verfolgen, es iſt aber nicht ſowohl
eine Kette, als ein Haufen granitiſcher Berge, zwiſchen denen
kleine Ebenen liegen und die nicht überall Reihen bilden. Der
Bergſtock der Parime verſchmälert ſich bedeutend zwiſchen den
Quellen des Orinoko und den Bergen von Demerara zu den
Sierren von Quimiropaca und Pacaraimo, welche die Waſſer-
ſcheide bilden zwiſchen dem Carony und dem Rio Parime oder
Rio de Aguas blancas. Dies iſt der Schauplatz der Unter-
nehmungen, um den Dorado aufzuſuchen und die große Stadt
Manoa, das Timbuktu der Neuen Welt. Die Kordillere der
Parime hängt mit den Anden von Neugranada nicht zuſammen;
ſie ſind durch einen 360 km breiten Zwiſchenraum getrennt.
Dächte man ſich, dieſelbe ſie hier durch eine große Erdum-
wälzung zerſtört worden, was übrigens gar nicht wahrſcheinlich
A. v. Humboldt, Reiſe. II. 18
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/281>, abgerufen am 16.07.2024.
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