Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.einer gewaltigen Last Bananen und trug ein Kind auf dem Man macht sich keinen Begriff davon, wie schwer die einer gewaltigen Laſt Bananen und trug ein Kind auf dem Man macht ſich keinen Begriff davon, wie ſchwer die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="20"/> einer gewaltigen Laſt Bananen und trug ein Kind auf dem<lb/> Arm, und zwei andere ſaßen nicht ſelten oben auf dem Bündel.<lb/> Trotz dieſer geſellſchaftlichen Unterordnung ſchienen mir die<lb/> Weiber der ſüdamerikaniſchen Indianer glücklicher als die der<lb/> Wilden im Norden. Zwiſchen den Alleghanies und dem Miſſiſ-<lb/> ſippi werden überall, wo die Eingeborenen nicht größten-<lb/> teils von der Jagd leben, Mais, Bohnen und Kürbiſſe nur<lb/> von den Weibern gebaut; der Mann gibt ſich mit dem Acker-<lb/> bau gar nicht ab. In der heißen Zone gibt es nur ſehr<lb/> wenige Jägervölker, und in den Miſſionen arbeiten die Män-<lb/> ner im Felde ſo gut wie die Weiber.</p><lb/> <p>Man macht ſich keinen Begriff davon, wie ſchwer die<lb/> Indianer Spaniſch lernen. Sie haben einen Abſcheu davor,<lb/> ſolange ſie mit den Weißen nicht in Berührung kommen und<lb/> ihnen der Ehrgeiz fremd bleibt, civiliſierte Indianer zu heißen,<lb/> oder, wie man ſich in den Miſſionen ausdrückt, <hi rendition="#g">latiniſierte</hi><lb/> Indianer, <hi rendition="#aq">Indios muy latinos.</hi> Was mir aber nicht allein<lb/> bei den Chaymas, ſondern in allen ſehr entlegenen Miſſionen,<lb/> die ich ſpäter beſucht, am meiſten auffiel, das iſt, daß es<lb/> den Indianern ſo ungemein ſchwer wird, die einfachſten Ge-<lb/> danken zuſammenzubringen und auf ſpaniſch auszudrücken,<lb/> ſelbſt wenn ſie die Bedeutung der Worte und den Satzbau<lb/> ganz gut kennen. Man ſollte ſie für noch einfältiger halten<lb/> als Kinder, wenn ein Weißer ſie über Gegenſtände befragt,<lb/> mit denen ſie von Kindesbeinen an vertraut ſind. Die Miſ-<lb/> ſionäre verſichern, dieſes Stocken ſei nicht Folge der Schüchtern-<lb/> heit; bei den Indianern, die täglich ins Haus des Miſſionärs<lb/> kommen und bei der öffentlichen Arbeit die Aufſicht führen,<lb/> ſei es keineswegs natürliche Beſchränktheit, ſondern nur Un-<lb/> vermögen, den Mechanismus einer von ihren Landesſprachen<lb/> abweichenden Sprache zu handhaben. Je unkultivierter der<lb/> Menſch iſt, deſto mehr moraliſche Starrheit und Unbiegſam-<lb/> keit kommt ihm zu. Es iſt alſo nicht zu verwundern, wenn<lb/> der Indianer, der vereinſamt in den Miſſionen lebt, Hemm-<lb/> niſſen begegnet, von denen diejenigen nichts wiſſen, die mit<lb/> Meſtizen, Mulatten und Weißen in der Nähe der Städte in<lb/> Pfarrdörfern wohnen. Ich war oft erſtaunt, mit welcher<lb/> Geläufigkeit in Caripe der <hi rendition="#g">Alkalde</hi>, der <hi rendition="#g">Governador</hi>,<lb/> der <hi rendition="#g">Sargento mayor</hi> ſtundenlang zu den vor der Kirche<lb/> verſammelten Indianern ſprachen; ſie verteilten die Arbeiten<lb/> für die Woche, ſchalten die Trägen, drohten den Unanſtel-<lb/> ligen. Dieſe Häuptlinge, die ſelbſt Chaymas ſind und die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0028]
einer gewaltigen Laſt Bananen und trug ein Kind auf dem
Arm, und zwei andere ſaßen nicht ſelten oben auf dem Bündel.
Trotz dieſer geſellſchaftlichen Unterordnung ſchienen mir die
Weiber der ſüdamerikaniſchen Indianer glücklicher als die der
Wilden im Norden. Zwiſchen den Alleghanies und dem Miſſiſ-
ſippi werden überall, wo die Eingeborenen nicht größten-
teils von der Jagd leben, Mais, Bohnen und Kürbiſſe nur
von den Weibern gebaut; der Mann gibt ſich mit dem Acker-
bau gar nicht ab. In der heißen Zone gibt es nur ſehr
wenige Jägervölker, und in den Miſſionen arbeiten die Män-
ner im Felde ſo gut wie die Weiber.
Man macht ſich keinen Begriff davon, wie ſchwer die
Indianer Spaniſch lernen. Sie haben einen Abſcheu davor,
ſolange ſie mit den Weißen nicht in Berührung kommen und
ihnen der Ehrgeiz fremd bleibt, civiliſierte Indianer zu heißen,
oder, wie man ſich in den Miſſionen ausdrückt, latiniſierte
Indianer, Indios muy latinos. Was mir aber nicht allein
bei den Chaymas, ſondern in allen ſehr entlegenen Miſſionen,
die ich ſpäter beſucht, am meiſten auffiel, das iſt, daß es
den Indianern ſo ungemein ſchwer wird, die einfachſten Ge-
danken zuſammenzubringen und auf ſpaniſch auszudrücken,
ſelbſt wenn ſie die Bedeutung der Worte und den Satzbau
ganz gut kennen. Man ſollte ſie für noch einfältiger halten
als Kinder, wenn ein Weißer ſie über Gegenſtände befragt,
mit denen ſie von Kindesbeinen an vertraut ſind. Die Miſ-
ſionäre verſichern, dieſes Stocken ſei nicht Folge der Schüchtern-
heit; bei den Indianern, die täglich ins Haus des Miſſionärs
kommen und bei der öffentlichen Arbeit die Aufſicht führen,
ſei es keineswegs natürliche Beſchränktheit, ſondern nur Un-
vermögen, den Mechanismus einer von ihren Landesſprachen
abweichenden Sprache zu handhaben. Je unkultivierter der
Menſch iſt, deſto mehr moraliſche Starrheit und Unbiegſam-
keit kommt ihm zu. Es iſt alſo nicht zu verwundern, wenn
der Indianer, der vereinſamt in den Miſſionen lebt, Hemm-
niſſen begegnet, von denen diejenigen nichts wiſſen, die mit
Meſtizen, Mulatten und Weißen in der Nähe der Städte in
Pfarrdörfern wohnen. Ich war oft erſtaunt, mit welcher
Geläufigkeit in Caripe der Alkalde, der Governador,
der Sargento mayor ſtundenlang zu den vor der Kirche
verſammelten Indianern ſprachen; ſie verteilten die Arbeiten
für die Woche, ſchalten die Trägen, drohten den Unanſtel-
ligen. Dieſe Häuptlinge, die ſelbſt Chaymas ſind und die
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