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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Königin nennen; er ernannte, wie Oviedo erzählt, Minister,
Staatsräte, Beamte der Casa real, sogar einen schwarzen
Bischof. Nicht lange, so war er keck genug, die benachbarte
Stadt Nueva Segovia de Barquesimeto anzugreifen; er wurde
aber von Diego de Losada zurückgeschlagen und kam im Hand-
gemenge um. Diesem afrikanischen Königreiche folgte in Nirgua
ein Freistaat der Zambos, daß heißt der Abkömmlinge von
Negern und Indianern. Der ganze Gemeinderat, der Ca-
bildo
, besteht aus Farbigen, die der König von Spanien
als seine "lieben und getreuen Unterthanen, die Zambos von
Nirgua" anredete. Nur wenige weiße Familien mögen in
einem Lande leben, wo ein mit ihren Ansprüchen so wenig
verträgliches Regiment herrscht, und die kleine Stadt heißt
spottweise La republica de Zambos y Mulatos. Es ist ebenso
unklug, die Regierung einer einzelnen Kaste zu überlassen, als
sie ihrer natürlichen Rechte zu berauben und ihr dadurch eine
Einzelstellung zu geben.

Wenn in den wegen ihres vortrefflichen Bauholzes be-
rühmten Thälern des Aroa; Yaracuy und Tocuyo der üppige
Pflanzenwuchs und die große Feuchtigkeit der Luft so viele
Fieber erzeugen, so verhält es sich mit den Savannen oder
Llanos von Monai und Carora ganz anders. Diese Llanos
sind durch das Gebirgsland von Tocuyo und Nirgua von
den großen Ebenen an der Portugueza und bei Cala-
bozo
getrennt. Dürre Savannen, auf denen Miasmen herr-
schen, sind eine sehr auffallende Erscheinung. Sumpfboden
kommt daselbst keiner vor, wohl aber mehrere Erscheinungen,
die auf die Entbindung von Wasserstoffgas hindeuten. 1 Wenn

1 Was ist die unter dem Namen Farol (Laterne) de Maracaybo
bekannte Lichterscheinung, die man jede Nacht auf der See wie im
inneren Lande sieht, z. B. in Merida, wo Palacios dieselbe zwei
Jahre lang beobachtet hat? Der Umstand, daß man das Licht über
180 km weit sieht, hat zu der Vermutung geführt, es könnte daher
rühren, daß in einer Bergschlucht sich jeden Tag ein Gewitter ent-
lade. Man soll auch donnern hören, wenn man dem Farol nahe
kommt. Andere sprechen in unbestimmtem Ausdruck von einem
Luftvulkan; aus asphalthaltigem Erdreich, ähnlich dem bei Mena,
sollen brennbare Dünste aufsteigen und daher beständig sichtbar sein.
Der Ort, wo sich die Erscheinung zeigt, ist ein unbewohntes Ge-
birgsland am Rio Catatumbo, nicht weit von seiner Vereinigung
mit dem Rio Sulia. Der Farol liegt fast ganz im Meridian der

Königin nennen; er ernannte, wie Oviedo erzählt, Miniſter,
Staatsräte, Beamte der Casa real, ſogar einen ſchwarzen
Biſchof. Nicht lange, ſo war er keck genug, die benachbarte
Stadt Nueva Segovia de Barqueſimeto anzugreifen; er wurde
aber von Diego de Loſada zurückgeſchlagen und kam im Hand-
gemenge um. Dieſem afrikaniſchen Königreiche folgte in Nirgua
ein Freiſtaat der Zambos, daß heißt der Abkömmlinge von
Negern und Indianern. Der ganze Gemeinderat, der Ca-
bildo
, beſteht aus Farbigen, die der König von Spanien
als ſeine „lieben und getreuen Unterthanen, die Zambos von
Nirgua“ anredete. Nur wenige weiße Familien mögen in
einem Lande leben, wo ein mit ihren Anſprüchen ſo wenig
verträgliches Regiment herrſcht, und die kleine Stadt heißt
ſpottweiſe La republica de Zambos y Mulatos. Es iſt ebenſo
unklug, die Regierung einer einzelnen Kaſte zu überlaſſen, als
ſie ihrer natürlichen Rechte zu berauben und ihr dadurch eine
Einzelſtellung zu geben.

Wenn in den wegen ihres vortrefflichen Bauholzes be-
rühmten Thälern des Aroa; Yaracuy und Tocuyo der üppige
Pflanzenwuchs und die große Feuchtigkeit der Luft ſo viele
Fieber erzeugen, ſo verhält es ſich mit den Savannen oder
Llanos von Monaï und Carora ganz anders. Dieſe Llanos
ſind durch das Gebirgsland von Tocuyo und Nirgua von
den großen Ebenen an der Portugueza und bei Cala-
bozo
getrennt. Dürre Savannen, auf denen Miasmen herr-
ſchen, ſind eine ſehr auffallende Erſcheinung. Sumpfboden
kommt daſelbſt keiner vor, wohl aber mehrere Erſcheinungen,
die auf die Entbindung von Waſſerſtoffgas hindeuten. 1 Wenn

1 Was iſt die unter dem Namen Farol (Laterne) de Maracaybo
bekannte Lichterſcheinung, die man jede Nacht auf der See wie im
inneren Lande ſieht, z. B. in Merida, wo Palacios dieſelbe zwei
Jahre lang beobachtet hat? Der Umſtand, daß man das Licht über
180 km weit ſieht, hat zu der Vermutung geführt, es könnte daher
rühren, daß in einer Bergſchlucht ſich jeden Tag ein Gewitter ent-
lade. Man ſoll auch donnern hören, wenn man dem Farol nahe
kommt. Andere ſprechen in unbeſtimmtem Ausdruck von einem
Luftvulkan; aus asphalthaltigem Erdreich, ähnlich dem bei Mena,
ſollen brennbare Dünſte aufſteigen und daher beſtändig ſichtbar ſein.
Der Ort, wo ſich die Erſcheinung zeigt, iſt ein unbewohntes Ge-
birgsland am Rio Catatumbo, nicht weit von ſeiner Vereinigung
mit dem Rio Sulia. Der Farol liegt faſt ganz im Meridian der
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[259/0267] Königin nennen; er ernannte, wie Oviedo erzählt, Miniſter, Staatsräte, Beamte der Casa real, ſogar einen ſchwarzen Biſchof. Nicht lange, ſo war er keck genug, die benachbarte Stadt Nueva Segovia de Barqueſimeto anzugreifen; er wurde aber von Diego de Loſada zurückgeſchlagen und kam im Hand- gemenge um. Dieſem afrikaniſchen Königreiche folgte in Nirgua ein Freiſtaat der Zambos, daß heißt der Abkömmlinge von Negern und Indianern. Der ganze Gemeinderat, der Ca- bildo, beſteht aus Farbigen, die der König von Spanien als ſeine „lieben und getreuen Unterthanen, die Zambos von Nirgua“ anredete. Nur wenige weiße Familien mögen in einem Lande leben, wo ein mit ihren Anſprüchen ſo wenig verträgliches Regiment herrſcht, und die kleine Stadt heißt ſpottweiſe La republica de Zambos y Mulatos. Es iſt ebenſo unklug, die Regierung einer einzelnen Kaſte zu überlaſſen, als ſie ihrer natürlichen Rechte zu berauben und ihr dadurch eine Einzelſtellung zu geben. Wenn in den wegen ihres vortrefflichen Bauholzes be- rühmten Thälern des Aroa; Yaracuy und Tocuyo der üppige Pflanzenwuchs und die große Feuchtigkeit der Luft ſo viele Fieber erzeugen, ſo verhält es ſich mit den Savannen oder Llanos von Monaï und Carora ganz anders. Dieſe Llanos ſind durch das Gebirgsland von Tocuyo und Nirgua von den großen Ebenen an der Portugueza und bei Cala- bozo getrennt. Dürre Savannen, auf denen Miasmen herr- ſchen, ſind eine ſehr auffallende Erſcheinung. Sumpfboden kommt daſelbſt keiner vor, wohl aber mehrere Erſcheinungen, die auf die Entbindung von Waſſerſtoffgas hindeuten. 1 Wenn 1 Was iſt die unter dem Namen Farol (Laterne) de Maracaybo bekannte Lichterſcheinung, die man jede Nacht auf der See wie im inneren Lande ſieht, z. B. in Merida, wo Palacios dieſelbe zwei Jahre lang beobachtet hat? Der Umſtand, daß man das Licht über 180 km weit ſieht, hat zu der Vermutung geführt, es könnte daher rühren, daß in einer Bergſchlucht ſich jeden Tag ein Gewitter ent- lade. Man ſoll auch donnern hören, wenn man dem Farol nahe kommt. Andere ſprechen in unbeſtimmtem Ausdruck von einem Luftvulkan; aus asphalthaltigem Erdreich, ähnlich dem bei Mena, ſollen brennbare Dünſte aufſteigen und daher beſtändig ſichtbar ſein. Der Ort, wo ſich die Erſcheinung zeigt, iſt ein unbewohntes Ge- birgsland am Rio Catatumbo, nicht weit von ſeiner Vereinigung mit dem Rio Sulia. Der Farol liegt faſt ganz im Meridian der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/267>, abgerufen am 27.04.2024.