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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Provinz Caracas fast gar nicht beachtet. Man könnte sie auf
der feuchten, fieberreichen Küste zwischen Porto Cabello und
Ocumare in Menge sammeln, besonders aber in Turiamo, wo
die Früchte des Epidendrum Vanilla 29 bis 32 cm lang
werden. Die Engländer und Angloamerikaner suchen häufig
im Hafen von Guayra Vanille zu kaufen, und die Handels-
leute können sie nur mit Mühe in kleinen Quantitäten auf-
treiben. In den Thälern, die sich von der Küstenbergkette zum
Meere der Antillen herabziehen, in der Provinz Truxillo, wie in
den Missionen in Guyana bei den Fällen des Orinoko könnte
man sehr viel Vanille sammeln, und der Ertrag wäre noch reich-
licher, wenn man, wie die Mexikaner thun, die Pflanze von Zeit
zu Zeit von den Lianen säuberte, die sie umschlingen und ersticken.

Bei der Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der
Kakaopflanzungen in den Provinzen von Venezuela, bei den
Bemerkungen über den Zusammenhang zwischen dem Ertrag
der Pflanzungen und der Feuchtigkeit und Gesundheit der
Luft, haben wir der warmen, fruchtbaren Thäler der Küsten-
kordilleren erwähnt. In seiner westlichen Erstreckung, dem
See Maracaybo zu, zeigt dieser Landstrich eine sehr interessante
mannigfaltige Terrainbildung. Ich stelle am Ende dieses
Kapitels zusammen, was ich über die Beschaffenheit des Bodens
und den Metallreichtum in den Bezirken Aroa, Barquesimeto
und Carora habe in Erfahrung bringen können.

Von der Sierra Nevada von Merida und den Paramos
von Niquitao, Bocono und Las Rosas an, 1 wo der kostbare
Chinabaum wächst, senkt sich die östliche Kordillere von Neu-
granada so rasch, daß sie zwischen dem 9. und 10. Breitengrade
nur noch eine Kette kleiner Berge bildet, an die sich im Nordost
der Altar und der Torito anschließen und die die Nebenflüsse
des Rio Apure und des Orinoko von den zahlreichen Ge-
wässern scheiden, die entweder in das Meer der Antillen oder

1 Wir wissen aus dem Munde vieler reisenden Mönche, daß
der kleine Paramo de las Rosas, der in mehr als 3120 m
Meereshöhe zu liegen scheint, mit Rosmarin und roten und weißen
europäischen Rosen, die hier verwildert sind, bewachsen ist. Man
pflückt die Rosen, um bei Kirchenfesten die Altäre in den benach-
barten Dörfern damit zu schmücken. Durch welchen Zufall ist unsere
hundertblätterige Rose hier verwildert, da wir sie doch in den An-
den von Quito und Peru nirgends angetroffen haben? Ist es auch
wirklich unsere Gartenrose?

Provinz Caracas faſt gar nicht beachtet. Man könnte ſie auf
der feuchten, fieberreichen Küſte zwiſchen Porto Cabello und
Ocumare in Menge ſammeln, beſonders aber in Turiamo, wo
die Früchte des Epidendrum Vanilla 29 bis 32 cm lang
werden. Die Engländer und Angloamerikaner ſuchen häufig
im Hafen von Guayra Vanille zu kaufen, und die Handels-
leute können ſie nur mit Mühe in kleinen Quantitäten auf-
treiben. In den Thälern, die ſich von der Küſtenbergkette zum
Meere der Antillen herabziehen, in der Provinz Truxillo, wie in
den Miſſionen in Guyana bei den Fällen des Orinoko könnte
man ſehr viel Vanille ſammeln, und der Ertrag wäre noch reich-
licher, wenn man, wie die Mexikaner thun, die Pflanze von Zeit
zu Zeit von den Lianen ſäuberte, die ſie umſchlingen und erſticken.

Bei der Schilderung des gegenwärtigen Zuſtandes der
Kakaopflanzungen in den Provinzen von Venezuela, bei den
Bemerkungen über den Zuſammenhang zwiſchen dem Ertrag
der Pflanzungen und der Feuchtigkeit und Geſundheit der
Luft, haben wir der warmen, fruchtbaren Thäler der Küſten-
kordilleren erwähnt. In ſeiner weſtlichen Erſtreckung, dem
See Maracaybo zu, zeigt dieſer Landſtrich eine ſehr intereſſante
mannigfaltige Terrainbildung. Ich ſtelle am Ende dieſes
Kapitels zuſammen, was ich über die Beſchaffenheit des Bodens
und den Metallreichtum in den Bezirken Aroa, Barqueſimeto
und Carora habe in Erfahrung bringen können.

Von der Sierra Nevada von Merida und den Paramos
von Niquitao, Bocono und Las Roſas an, 1 wo der koſtbare
Chinabaum wächſt, ſenkt ſich die öſtliche Kordillere von Neu-
granada ſo raſch, daß ſie zwiſchen dem 9. und 10. Breitengrade
nur noch eine Kette kleiner Berge bildet, an die ſich im Nordoſt
der Altar und der Torito anſchließen und die die Nebenflüſſe
des Rio Apure und des Orinoko von den zahlreichen Ge-
wäſſern ſcheiden, die entweder in das Meer der Antillen oder

1 Wir wiſſen aus dem Munde vieler reiſenden Mönche, daß
der kleine Paramo de las Roſas, der in mehr als 3120 m
Meereshöhe zu liegen ſcheint, mit Rosmarin und roten und weißen
europäiſchen Roſen, die hier verwildert ſind, bewachſen iſt. Man
pflückt die Roſen, um bei Kirchenfeſten die Altäre in den benach-
barten Dörfern damit zu ſchmücken. Durch welchen Zufall iſt unſere
hundertblätterige Roſe hier verwildert, da wir ſie doch in den An-
den von Quito und Peru nirgends angetroffen haben? Iſt es auch
wirklich unſere Gartenroſe?
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[256/0264] Provinz Caracas faſt gar nicht beachtet. Man könnte ſie auf der feuchten, fieberreichen Küſte zwiſchen Porto Cabello und Ocumare in Menge ſammeln, beſonders aber in Turiamo, wo die Früchte des Epidendrum Vanilla 29 bis 32 cm lang werden. Die Engländer und Angloamerikaner ſuchen häufig im Hafen von Guayra Vanille zu kaufen, und die Handels- leute können ſie nur mit Mühe in kleinen Quantitäten auf- treiben. In den Thälern, die ſich von der Küſtenbergkette zum Meere der Antillen herabziehen, in der Provinz Truxillo, wie in den Miſſionen in Guyana bei den Fällen des Orinoko könnte man ſehr viel Vanille ſammeln, und der Ertrag wäre noch reich- licher, wenn man, wie die Mexikaner thun, die Pflanze von Zeit zu Zeit von den Lianen ſäuberte, die ſie umſchlingen und erſticken. Bei der Schilderung des gegenwärtigen Zuſtandes der Kakaopflanzungen in den Provinzen von Venezuela, bei den Bemerkungen über den Zuſammenhang zwiſchen dem Ertrag der Pflanzungen und der Feuchtigkeit und Geſundheit der Luft, haben wir der warmen, fruchtbaren Thäler der Küſten- kordilleren erwähnt. In ſeiner weſtlichen Erſtreckung, dem See Maracaybo zu, zeigt dieſer Landſtrich eine ſehr intereſſante mannigfaltige Terrainbildung. Ich ſtelle am Ende dieſes Kapitels zuſammen, was ich über die Beſchaffenheit des Bodens und den Metallreichtum in den Bezirken Aroa, Barqueſimeto und Carora habe in Erfahrung bringen können. Von der Sierra Nevada von Merida und den Paramos von Niquitao, Bocono und Las Roſas an, 1 wo der koſtbare Chinabaum wächſt, ſenkt ſich die öſtliche Kordillere von Neu- granada ſo raſch, daß ſie zwiſchen dem 9. und 10. Breitengrade nur noch eine Kette kleiner Berge bildet, an die ſich im Nordoſt der Altar und der Torito anſchließen und die die Nebenflüſſe des Rio Apure und des Orinoko von den zahlreichen Ge- wäſſern ſcheiden, die entweder in das Meer der Antillen oder 1 Wir wiſſen aus dem Munde vieler reiſenden Mönche, daß der kleine Paramo de las Roſas, der in mehr als 3120 m Meereshöhe zu liegen ſcheint, mit Rosmarin und roten und weißen europäiſchen Roſen, die hier verwildert ſind, bewachſen iſt. Man pflückt die Roſen, um bei Kirchenfeſten die Altäre in den benach- barten Dörfern damit zu ſchmücken. Durch welchen Zufall iſt unſere hundertblätterige Roſe hier verwildert, da wir ſie doch in den An- den von Quito und Peru nirgends angetroffen haben? Iſt es auch wirklich unſere Gartenroſe?

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/264>, abgerufen am 27.04.2024.