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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Von diesen vier Erzeugnissen, die seit zwei bis drei Jahr-
hunderten die vornehmsten Artikel im Handel und der Pro-
duktion der Kolonieen geworden sind, gehört der erste aus-
schließlich Amerika, der zweite ausschließlich Asien an. Ich
sage ausschließlich, denn die Kakaoausfuhr der Philippinen ist
jetzt so unbedeutend wie die Versuche, die man in Brasilien,
auf Trinidad und Jamaika mit dem Theebau gemacht hat.
Die vereinigten Provinzen von Caracas liefern zwei Dritt-
teile des Kakaos, der im westlichen und südlichen Europa ver-
zehrt wird. Dies ist um so bemerkenswerter, als es der ge-
meinen Annahme widerspricht; aber die Kakaosorten von
Caracas, Maracaybo und Cumana sind nicht alle von der-
selben Qualität. Der Graf Casa-Valencia schätzt den Ver-
brauch Spaniens nur auf 3 bis 3,5 Millionen kg, der Abbe
Hervas auf 9 Millionen. Wer lange in Spanien, Italien
und Frankreich gelebt hat, muß die Bemerkung gemacht haben,
daß nur im ersteren Lande Schokolade auch von den untersten
Volksklassen getrunken wird, und wird es schwerlich glaublich
finden, daß Spanien nur ein Dritteil des in Europa ein-
geführten Kakaos verzehren soll.

Die letzten Kriege haben für den Kakaohandel in Caracas
weit verderblichere Folgen gehabt als in Guayaquil. Wegen
des Preisaufschlages ist in Europa weniger Kakao von der
teuersten Sorte verzehrt worden. Früher machte man in
Spanien die gewöhnliche Schokolade aus einem Vierteil Kakao
von Caracas und drei Vierteilen Kakao von Guayaquil; jetzt
nahm man letzteren allein. Dabei ist zu bemerken, daß viel
geringer Kakao, wie der vom Marannon, vom Rio Negro, von
Honduras und von der Insel Santa Lucia, im Handel Kakao
von Guayaquil heißt. Aus letzterem Hafen werden nicht über
60000 Fanegas ausgeführt, zwei Dritteile weniger als aus
den Häfen der Capitania general von Caracas.

Wenn auch die Kakaopflanzungen in den Provinzen Cu-
mana, Barcelona und Maracaybo sich in dem Maße vermehrt
haben, in dem sie in der Provinz Caracas eingegangen sind,
so glaubt man doch, daß dieser alte Kulturzweig im ganzen
allmählich abnimmt. In vielen Fällen verdrängen der Kaffee-
baum und die Baumwollenstaude den Kakaobaum, der für die
Ungeduld des Landbauers viel zu spät trägt. Man behauptet
auch, die neuen Pflanzungen geben weniger Ertrag als die
alten. Die Bäume werden nicht mehr so kräftig und tragen
später und nicht so reichlich Früchte. Auch soll der Boden erschöpft

Von dieſen vier Erzeugniſſen, die ſeit zwei bis drei Jahr-
hunderten die vornehmſten Artikel im Handel und der Pro-
duktion der Kolonieen geworden ſind, gehört der erſte aus-
ſchließlich Amerika, der zweite ausſchließlich Aſien an. Ich
ſage ausſchließlich, denn die Kakaoausfuhr der Philippinen iſt
jetzt ſo unbedeutend wie die Verſuche, die man in Braſilien,
auf Trinidad und Jamaika mit dem Theebau gemacht hat.
Die vereinigten Provinzen von Caracas liefern zwei Dritt-
teile des Kakaos, der im weſtlichen und ſüdlichen Europa ver-
zehrt wird. Dies iſt um ſo bemerkenswerter, als es der ge-
meinen Annahme widerſpricht; aber die Kakaoſorten von
Caracas, Maracaybo und Cumana ſind nicht alle von der-
ſelben Qualität. Der Graf Caſa-Valencia ſchätzt den Ver-
brauch Spaniens nur auf 3 bis 3,5 Millionen kg, der Abbé
Hervas auf 9 Millionen. Wer lange in Spanien, Italien
und Frankreich gelebt hat, muß die Bemerkung gemacht haben,
daß nur im erſteren Lande Schokolade auch von den unterſten
Volksklaſſen getrunken wird, und wird es ſchwerlich glaublich
finden, daß Spanien nur ein Dritteil des in Europa ein-
geführten Kakaos verzehren ſoll.

Die letzten Kriege haben für den Kakaohandel in Caracas
weit verderblichere Folgen gehabt als in Guayaquil. Wegen
des Preisaufſchlages iſt in Europa weniger Kakao von der
teuerſten Sorte verzehrt worden. Früher machte man in
Spanien die gewöhnliche Schokolade aus einem Vierteil Kakao
von Caracas und drei Vierteilen Kakao von Guayaquil; jetzt
nahm man letzteren allein. Dabei iſt zu bemerken, daß viel
geringer Kakao, wie der vom Marañon, vom Rio Negro, von
Honduras und von der Inſel Santa Lucia, im Handel Kakao
von Guayaquil heißt. Aus letzterem Hafen werden nicht über
60000 Fanegas ausgeführt, zwei Dritteile weniger als aus
den Häfen der Capitania general von Caracas.

Wenn auch die Kakaopflanzungen in den Provinzen Cu-
mana, Barcelona und Maracaybo ſich in dem Maße vermehrt
haben, in dem ſie in der Provinz Caracas eingegangen ſind,
ſo glaubt man doch, daß dieſer alte Kulturzweig im ganzen
allmählich abnimmt. In vielen Fällen verdrängen der Kaffee-
baum und die Baumwollenſtaude den Kakaobaum, der für die
Ungeduld des Landbauers viel zu ſpät trägt. Man behauptet
auch, die neuen Pflanzungen geben weniger Ertrag als die
alten. Die Bäume werden nicht mehr ſo kräftig und tragen
ſpäter und nicht ſo reichlich Früchte. Auch ſoll der Boden erſchöpft

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[254/0262] Von dieſen vier Erzeugniſſen, die ſeit zwei bis drei Jahr- hunderten die vornehmſten Artikel im Handel und der Pro- duktion der Kolonieen geworden ſind, gehört der erſte aus- ſchließlich Amerika, der zweite ausſchließlich Aſien an. Ich ſage ausſchließlich, denn die Kakaoausfuhr der Philippinen iſt jetzt ſo unbedeutend wie die Verſuche, die man in Braſilien, auf Trinidad und Jamaika mit dem Theebau gemacht hat. Die vereinigten Provinzen von Caracas liefern zwei Dritt- teile des Kakaos, der im weſtlichen und ſüdlichen Europa ver- zehrt wird. Dies iſt um ſo bemerkenswerter, als es der ge- meinen Annahme widerſpricht; aber die Kakaoſorten von Caracas, Maracaybo und Cumana ſind nicht alle von der- ſelben Qualität. Der Graf Caſa-Valencia ſchätzt den Ver- brauch Spaniens nur auf 3 bis 3,5 Millionen kg, der Abbé Hervas auf 9 Millionen. Wer lange in Spanien, Italien und Frankreich gelebt hat, muß die Bemerkung gemacht haben, daß nur im erſteren Lande Schokolade auch von den unterſten Volksklaſſen getrunken wird, und wird es ſchwerlich glaublich finden, daß Spanien nur ein Dritteil des in Europa ein- geführten Kakaos verzehren ſoll. Die letzten Kriege haben für den Kakaohandel in Caracas weit verderblichere Folgen gehabt als in Guayaquil. Wegen des Preisaufſchlages iſt in Europa weniger Kakao von der teuerſten Sorte verzehrt worden. Früher machte man in Spanien die gewöhnliche Schokolade aus einem Vierteil Kakao von Caracas und drei Vierteilen Kakao von Guayaquil; jetzt nahm man letzteren allein. Dabei iſt zu bemerken, daß viel geringer Kakao, wie der vom Marañon, vom Rio Negro, von Honduras und von der Inſel Santa Lucia, im Handel Kakao von Guayaquil heißt. Aus letzterem Hafen werden nicht über 60000 Fanegas ausgeführt, zwei Dritteile weniger als aus den Häfen der Capitania general von Caracas. Wenn auch die Kakaopflanzungen in den Provinzen Cu- mana, Barcelona und Maracaybo ſich in dem Maße vermehrt haben, in dem ſie in der Provinz Caracas eingegangen ſind, ſo glaubt man doch, daß dieſer alte Kulturzweig im ganzen allmählich abnimmt. In vielen Fällen verdrängen der Kaffee- baum und die Baumwollenſtaude den Kakaobaum, der für die Ungeduld des Landbauers viel zu ſpät trägt. Man behauptet auch, die neuen Pflanzungen geben weniger Ertrag als die alten. Die Bäume werden nicht mehr ſo kräftig und tragen ſpäter und nicht ſo reichlich Früchte. Auch ſoll der Boden erſchöpft

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/262>, abgerufen am 27.04.2024.