Statthalterschaft von Alonzo Diaz Moreno gegründet, und ist also zwölf Jahre älter als Caracas. Wir haben schon früher bemerkt, daß in Venezuela die spanische Bevölkerung von West nach Ost vorgerückt ist. Valencia war anfangs nur eine zu Burburata gehörige Gemeinde, aber letztere Stadt ist jetzt nur noch ein Platz, wo Maultiere eingeschifft werden. Man bedauert, und vielleicht mit Recht, daß Valencia nicht die Hauptstadt des Landes geworden ist. Ihre Lage auf einer Ebene, am Ufer des Sees würde an die von Mexiko erinnern. Wenn man bedenkt, wie bequem man durch die Thäler von Aragua in die Lanos und an die Nebenflüsse des Orinoko gelangt, wenn man sich überzeugt, daß sich durch den Rio Pao und die Portuguesa eine Schiffahrtsverbindung im inneren Lande bis zur Mündung des Orinoko, zum Cassiquiare und dem Amazonenstrom herstellen ließe, so sieht man ein, daß die Hauptstadt der ausgedehnten Provinzen von Venezuela in der Nähe des prächtigen Hafens von Porto Cabello, unter einem reinen, heiteren Himmel besser läge als bei der schlecht geschützten Reede von Guayra in einem gemäßigten, aber das ganze Jahr nebeligen Thale. So nahe beim Königreich Neugranada, mitten inne zwischen den getreidereichen Ge- bieten von Victoria und Barquesimeto hätte die Stadt Valencia gedeihen müssen; sie konnte aber nicht gegen Ca- racas aufkommen, das ihr zwei Jahrhunderte lang einen bedeutenden Teil der Einwohner entzogen hat. Die Man- tuanosfamilien lebten lieber in der Hauptstadt als in einer Provinzialstadt.
Wer nicht weiß, von welcher Unmasse von Ameisen alle Länder in der heißen Zone heimgesucht sind, macht sich keinen Begriff von den Zerstörungen dieser Insekten und von den Bodensenkungen, die von ihnen herrühren. Sie sind im Boden, auf dem Valencia steht, in so ungeheurer Menge, daß die Gänge, die sie graben, unterirdischen Kanälen gleichen, in der Regenzeit sich mit Wasser füllen und den Gebäuden sehr ge- fährlich werden. Man hat hier nicht zu den sonderbaren Mitteln gegriffen, die man zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf San Domingo anwendete, als Ameisenschwärme die schönen Ebenen von La Vega und die reichen Besitzungen des Ordens des heil. Franziskus verheerten. Nachdem die Mönche ver- gebens die Ameisenlarven verbrannt und es mit Räucherungen versucht hatten, gaben sie den Leuten den Rat, einen Heiligen herauszulosen, der als Abagado contra las Hormigas dienen
Statthalterſchaft von Alonzo Diaz Moreno gegründet, und iſt alſo zwölf Jahre älter als Caracas. Wir haben ſchon früher bemerkt, daß in Venezuela die ſpaniſche Bevölkerung von Weſt nach Oſt vorgerückt iſt. Valencia war anfangs nur eine zu Burburata gehörige Gemeinde, aber letztere Stadt iſt jetzt nur noch ein Platz, wo Maultiere eingeſchifft werden. Man bedauert, und vielleicht mit Recht, daß Valencia nicht die Hauptſtadt des Landes geworden iſt. Ihre Lage auf einer Ebene, am Ufer des Sees würde an die von Mexiko erinnern. Wenn man bedenkt, wie bequem man durch die Thäler von Aragua in die Lanos und an die Nebenflüſſe des Orinoko gelangt, wenn man ſich überzeugt, daß ſich durch den Rio Pao und die Portugueſa eine Schiffahrtsverbindung im inneren Lande bis zur Mündung des Orinoko, zum Caſſiquiare und dem Amazonenſtrom herſtellen ließe, ſo ſieht man ein, daß die Hauptſtadt der ausgedehnten Provinzen von Venezuela in der Nähe des prächtigen Hafens von Porto Cabello, unter einem reinen, heiteren Himmel beſſer läge als bei der ſchlecht geſchützten Reede von Guayra in einem gemäßigten, aber das ganze Jahr nebeligen Thale. So nahe beim Königreich Neugranada, mitten inne zwiſchen den getreidereichen Ge- bieten von Victoria und Barqueſimeto hätte die Stadt Valencia gedeihen müſſen; ſie konnte aber nicht gegen Ca- racas aufkommen, das ihr zwei Jahrhunderte lang einen bedeutenden Teil der Einwohner entzogen hat. Die Man- tuanosfamilien lebten lieber in der Hauptſtadt als in einer Provinzialſtadt.
Wer nicht weiß, von welcher Unmaſſe von Ameiſen alle Länder in der heißen Zone heimgeſucht ſind, macht ſich keinen Begriff von den Zerſtörungen dieſer Inſekten und von den Bodenſenkungen, die von ihnen herrühren. Sie ſind im Boden, auf dem Valencia ſteht, in ſo ungeheurer Menge, daß die Gänge, die ſie graben, unterirdiſchen Kanälen gleichen, in der Regenzeit ſich mit Waſſer füllen und den Gebäuden ſehr ge- fährlich werden. Man hat hier nicht zu den ſonderbaren Mitteln gegriffen, die man zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf San Domingo anwendete, als Ameiſenſchwärme die ſchönen Ebenen von La Vega und die reichen Beſitzungen des Ordens des heil. Franziskus verheerten. Nachdem die Mönche ver- gebens die Ameiſenlarven verbrannt und es mit Räucherungen verſucht hatten, gaben ſie den Leuten den Rat, einen Heiligen herauszuloſen, der als Abagado contra las Hormigas dienen
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[230/0238]
Statthalterſchaft von Alonzo Diaz Moreno gegründet, und iſt
alſo zwölf Jahre älter als Caracas. Wir haben ſchon früher
bemerkt, daß in Venezuela die ſpaniſche Bevölkerung von
Weſt nach Oſt vorgerückt iſt. Valencia war anfangs nur
eine zu Burburata gehörige Gemeinde, aber letztere Stadt iſt
jetzt nur noch ein Platz, wo Maultiere eingeſchifft werden.
Man bedauert, und vielleicht mit Recht, daß Valencia nicht
die Hauptſtadt des Landes geworden iſt. Ihre Lage auf einer
Ebene, am Ufer des Sees würde an die von Mexiko erinnern.
Wenn man bedenkt, wie bequem man durch die Thäler von
Aragua in die Lanos und an die Nebenflüſſe des Orinoko
gelangt, wenn man ſich überzeugt, daß ſich durch den Rio Pao
und die Portugueſa eine Schiffahrtsverbindung im inneren
Lande bis zur Mündung des Orinoko, zum Caſſiquiare und
dem Amazonenſtrom herſtellen ließe, ſo ſieht man ein, daß
die Hauptſtadt der ausgedehnten Provinzen von Venezuela
in der Nähe des prächtigen Hafens von Porto Cabello, unter
einem reinen, heiteren Himmel beſſer läge als bei der ſchlecht
geſchützten Reede von Guayra in einem gemäßigten, aber
das ganze Jahr nebeligen Thale. So nahe beim Königreich
Neugranada, mitten inne zwiſchen den getreidereichen Ge-
bieten von Victoria und Barqueſimeto hätte die Stadt
Valencia gedeihen müſſen; ſie konnte aber nicht gegen Ca-
racas aufkommen, das ihr zwei Jahrhunderte lang einen
bedeutenden Teil der Einwohner entzogen hat. Die Man-
tuanosfamilien lebten lieber in der Hauptſtadt als in einer
Provinzialſtadt.
Wer nicht weiß, von welcher Unmaſſe von Ameiſen alle
Länder in der heißen Zone heimgeſucht ſind, macht ſich keinen
Begriff von den Zerſtörungen dieſer Inſekten und von den
Bodenſenkungen, die von ihnen herrühren. Sie ſind im Boden,
auf dem Valencia ſteht, in ſo ungeheurer Menge, daß die
Gänge, die ſie graben, unterirdiſchen Kanälen gleichen, in der
Regenzeit ſich mit Waſſer füllen und den Gebäuden ſehr ge-
fährlich werden. Man hat hier nicht zu den ſonderbaren
Mitteln gegriffen, die man zu Anfang des 16. Jahrhunderts
auf San Domingo anwendete, als Ameiſenſchwärme die ſchönen
Ebenen von La Vega und die reichen Beſitzungen des Ordens
des heil. Franziskus verheerten. Nachdem die Mönche ver-
gebens die Ameiſenlarven verbrannt und es mit Räucherungen
verſucht hatten, gaben ſie den Leuten den Rat, einen Heiligen
herauszuloſen, der als Abagado contra las Hormigas dienen
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/238>, abgerufen am 17.07.2024.
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