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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Während wir nach dem Bade uns, nach Landessitte halb
in ein Tuch gewickelt, von der Sonne trocknen ließen, trat
ein kleiner Mulatte zu uns. Nachdem er uns freundlich ge-
grüßt, hielt er uns eine lange Rede über die Kraft der Wasser
von Mariara, über die vielen Kranken, die sie seit einigen
Jahren besuchten, über die günstige Lage der Quellen zwischen
zwei Städten, Valencia und Caracas, wo die Sittenverderbnis
mit jedem Tage ärger werde. Er zeigte uns sein Haus, eine
kleine offene Hütte aus Palmblättern, in einer Einzäunung,
ganz nahebei, an einem Bache, der in das Bad läuft. Er
versicherte uns, wir finden daselbst alle möglichen Bequem-
lichkeiten, Nägel, unsere Hängematten zu befestigen, Ochsen-
häute, um auf Rohrbänken zu schlafen, irdene Gefäße mit
immer frischem Wasser, und was uns nach dem Bade am
besten bekommen werde, Iguanas, große Eidechsen, deren
Fleisch für eine erfrischende Speise gilt. Wir ersahen aus
diesem Vortrage, daß der arme Mann uns für Kranke hielt,
die sich an der Quelle einrichten wollten. Er nannte sich
"Wasserinspektor und Pulpero 1 des Platzes". Auch hatte
seine Zuvorkommenheit gegen uns ein Ende, als er erfuhr,
daß wir bloß aus Neugierde da waren, oder, wie man in
den Kolonieen, dem wahren Schlaraffenlande, sagt, "para ver,
no mas"
(um zu sehen, weiter nichts).

Man gebraucht das Wasser von Mariara mit Erfolg
gegen rheumatische Geschwülste, alte Geschwüre und gegen die
schreckliche Hautkrankheit, Bubas genannt, die nicht immer
syphilitischen Ursprunges ist. Da die Quellen nur sehr wenig
Schwefelwasserstoff enthalten, muß man da baden, wo sie zu
Tage kommen. Weiterhin überrieselt man mit dem Wasser
die Indigofelder. Der reiche Besitzer von Mariara, Don
Domingo Tovar, ging damit um, ein Badehaus zu bauen
und eine Anstalt einzurichten, wo Wohlhabende etwas mehr
fänden als Eidechsenfleisch zum Essen und Häute auf Bänken
zum Ruhen.

Am 21. Februar abends brachen wir von der schönen
Hacienda de Cura nach Guacara und Nueva Valencia auf.
Wegen der schrecklichen Hitze bei Tage reisten wir lieber bei
Nacht. Wir kamen durch den Weiler Punta Zamuro am

1 Eigentümer einer Pulperia, einer kleinen Bude, in der
man Eßwaren und Getränke feil hat.

Während wir nach dem Bade uns, nach Landesſitte halb
in ein Tuch gewickelt, von der Sonne trocknen ließen, trat
ein kleiner Mulatte zu uns. Nachdem er uns freundlich ge-
grüßt, hielt er uns eine lange Rede über die Kraft der Waſſer
von Mariara, über die vielen Kranken, die ſie ſeit einigen
Jahren beſuchten, über die günſtige Lage der Quellen zwiſchen
zwei Städten, Valencia und Caracas, wo die Sittenverderbnis
mit jedem Tage ärger werde. Er zeigte uns ſein Haus, eine
kleine offene Hütte aus Palmblättern, in einer Einzäunung,
ganz nahebei, an einem Bache, der in das Bad läuft. Er
verſicherte uns, wir finden daſelbſt alle möglichen Bequem-
lichkeiten, Nägel, unſere Hängematten zu befeſtigen, Ochſen-
häute, um auf Rohrbänken zu ſchlafen, irdene Gefäße mit
immer friſchem Waſſer, und was uns nach dem Bade am
beſten bekommen werde, Iguanas, große Eidechſen, deren
Fleiſch für eine erfriſchende Speiſe gilt. Wir erſahen aus
dieſem Vortrage, daß der arme Mann uns für Kranke hielt,
die ſich an der Quelle einrichten wollten. Er nannte ſich
„Waſſerinſpektor und Pulpero 1 des Platzes“. Auch hatte
ſeine Zuvorkommenheit gegen uns ein Ende, als er erfuhr,
daß wir bloß aus Neugierde da waren, oder, wie man in
den Kolonieen, dem wahren Schlaraffenlande, ſagt, „para ver,
no mas“
(um zu ſehen, weiter nichts).

Man gebraucht das Waſſer von Mariara mit Erfolg
gegen rheumatiſche Geſchwülſte, alte Geſchwüre und gegen die
ſchreckliche Hautkrankheit, Bubas genannt, die nicht immer
ſyphilitiſchen Urſprunges iſt. Da die Quellen nur ſehr wenig
Schwefelwaſſerſtoff enthalten, muß man da baden, wo ſie zu
Tage kommen. Weiterhin überrieſelt man mit dem Waſſer
die Indigofelder. Der reiche Beſitzer von Mariara, Don
Domingo Tovar, ging damit um, ein Badehaus zu bauen
und eine Anſtalt einzurichten, wo Wohlhabende etwas mehr
fänden als Eidechſenfleiſch zum Eſſen und Häute auf Bänken
zum Ruhen.

Am 21. Februar abends brachen wir von der ſchönen
Hacienda de Cura nach Guacara und Nueva Valencia auf.
Wegen der ſchrecklichen Hitze bei Tage reiſten wir lieber bei
Nacht. Wir kamen durch den Weiler Punta Zamuro am

1 Eigentümer einer Pulperia, einer kleinen Bude, in der
man Eßwaren und Getränke feil hat.
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[222/0230] Während wir nach dem Bade uns, nach Landesſitte halb in ein Tuch gewickelt, von der Sonne trocknen ließen, trat ein kleiner Mulatte zu uns. Nachdem er uns freundlich ge- grüßt, hielt er uns eine lange Rede über die Kraft der Waſſer von Mariara, über die vielen Kranken, die ſie ſeit einigen Jahren beſuchten, über die günſtige Lage der Quellen zwiſchen zwei Städten, Valencia und Caracas, wo die Sittenverderbnis mit jedem Tage ärger werde. Er zeigte uns ſein Haus, eine kleine offene Hütte aus Palmblättern, in einer Einzäunung, ganz nahebei, an einem Bache, der in das Bad läuft. Er verſicherte uns, wir finden daſelbſt alle möglichen Bequem- lichkeiten, Nägel, unſere Hängematten zu befeſtigen, Ochſen- häute, um auf Rohrbänken zu ſchlafen, irdene Gefäße mit immer friſchem Waſſer, und was uns nach dem Bade am beſten bekommen werde, Iguanas, große Eidechſen, deren Fleiſch für eine erfriſchende Speiſe gilt. Wir erſahen aus dieſem Vortrage, daß der arme Mann uns für Kranke hielt, die ſich an der Quelle einrichten wollten. Er nannte ſich „Waſſerinſpektor und Pulpero 1 des Platzes“. Auch hatte ſeine Zuvorkommenheit gegen uns ein Ende, als er erfuhr, daß wir bloß aus Neugierde da waren, oder, wie man in den Kolonieen, dem wahren Schlaraffenlande, ſagt, „para ver, no mas“ (um zu ſehen, weiter nichts). Man gebraucht das Waſſer von Mariara mit Erfolg gegen rheumatiſche Geſchwülſte, alte Geſchwüre und gegen die ſchreckliche Hautkrankheit, Bubas genannt, die nicht immer ſyphilitiſchen Urſprunges iſt. Da die Quellen nur ſehr wenig Schwefelwaſſerſtoff enthalten, muß man da baden, wo ſie zu Tage kommen. Weiterhin überrieſelt man mit dem Waſſer die Indigofelder. Der reiche Beſitzer von Mariara, Don Domingo Tovar, ging damit um, ein Badehaus zu bauen und eine Anſtalt einzurichten, wo Wohlhabende etwas mehr fänden als Eidechſenfleiſch zum Eſſen und Häute auf Bänken zum Ruhen. Am 21. Februar abends brachen wir von der ſchönen Hacienda de Cura nach Guacara und Nueva Valencia auf. Wegen der ſchrecklichen Hitze bei Tage reiſten wir lieber bei Nacht. Wir kamen durch den Weiler Punta Zamuro am 1 Eigentümer einer Pulperia, einer kleinen Bude, in der man Eßwaren und Getränke feil hat.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/230>, abgerufen am 22.11.2024.