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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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in die Thäler von Aragua. Der Weg ist in einen talkigen,
zersetzten Gneis gehauen. Ein mit Glimmerblättern gemengter
Thon bedeckt 1 m hoch das Gestein. Im Winter leidet man
vom Staub und in der Regenzeit wird der Boden ein Morast.
Abwärts von der Ebene von Buenavista, etwa 100 m gegen
Südost, kommt man an eine starke Quelle im Gneis, die
mehrere Fälle bildet, welche die üppigste Vegetation umgibt.
Der Pfad zur Quelle hinunter ist so steil, daß man die
Wipfel der Baumfarne, deren Stamm 8 m hoch wird, mit
der Hand berühren kann. Die Felsen ringsum sind mit
Jungermannia und Moosen aus der Familie Hypnum be-
kleidet. Der Bach schießt im Schatten von Helikonien hin
und entblößt die Wurzeln der Plumeria, des Cupey, der
Brownea und des Ficus gigantea. Dieser feuchte, von
Schlangen heimgesuchte Ort gewährt dem Botaniker die reichste
Ausbeute. Die Brownea, von den Eingeborenen Rosa del
monte
oder Palo de Cruz genannt, trägt oft vier- bis fünf-
hundert purpurrote Blüten in einem einzigen Strauße. Jede
Blüte hat fast immer 11 Staubfäden, und das prachtvolle
Gewächs, dessen Stamm 15 bis 20 m hoch wächst, wird selten,
weil sein Holz eine sehr gesuchte Kohle gibt. Den Boden
bedecken Ananas, Hemimeris, Polygala und Melastomen.
Eine kletternde Grasart schwebt in leichten Gewinden zwischen
Bäumen, deren Hiersein bekundet, wie kühl das Klima in
diesen Bergen ist. Dahin gehören die Aralia capitata, die
Vismia caparosa, die Clethra fagifolia. Mitten unter diesen,
der schönen Region der Baumfarne (region de los helechos)
eigentümlichen Gewächsen erheben sich in den Lichtungen hie
und da Palmbäume und Gruppen von Guarumo oder
Cekropia mit silberfarbigen Blättern, deren dünner Stamm
am Gipfel schwarz ist, wie verbrannt vom Sauerstoff der
Luft. Es ist auffallend, daß ein so schöner Baum vom
Habitus der Theophrasta und der Palmen meist nur acht bis
zehn Kronblätter hat. Die Ameisen, die im Stamme des
Guarumo hausen und das Zellgewebe im Inneren zerstören,
scheinen das Wachstum des Baumes zu hemmen. Wir hatten
in diesen kühlen Bergen von Higuerote schon einmal botanisiert,
im Dezember, als wir den Generalkapitän Guevara auf dem
Ausfluge begleiteten, den er mit dem Intendanten der Provinz
in die Valles de Aragua machte. Damals entdeckte Bon-
pland im dicksten Walde ein paar Stämme des Aguatire,
dessen wegen seiner schönen Farbe berühmtes Holz einmal ein

in die Thäler von Aragua. Der Weg iſt in einen talkigen,
zerſetzten Gneis gehauen. Ein mit Glimmerblättern gemengter
Thon bedeckt 1 m hoch das Geſtein. Im Winter leidet man
vom Staub und in der Regenzeit wird der Boden ein Moraſt.
Abwärts von der Ebene von Buenaviſta, etwa 100 m gegen
Südoſt, kommt man an eine ſtarke Quelle im Gneis, die
mehrere Fälle bildet, welche die üppigſte Vegetation umgibt.
Der Pfad zur Quelle hinunter iſt ſo ſteil, daß man die
Wipfel der Baumfarne, deren Stamm 8 m hoch wird, mit
der Hand berühren kann. Die Felſen ringsum ſind mit
Jungermannia und Mooſen aus der Familie Hypnum be-
kleidet. Der Bach ſchießt im Schatten von Helikonien hin
und entblößt die Wurzeln der Plumeria, des Cupey, der
Brownea und des Ficus gigantea. Dieſer feuchte, von
Schlangen heimgeſuchte Ort gewährt dem Botaniker die reichſte
Ausbeute. Die Brownea, von den Eingeborenen Rosa del
monte
oder Palo de Cruz genannt, trägt oft vier- bis fünf-
hundert purpurrote Blüten in einem einzigen Strauße. Jede
Blüte hat faſt immer 11 Staubfäden, und das prachtvolle
Gewächs, deſſen Stamm 15 bis 20 m hoch wächſt, wird ſelten,
weil ſein Holz eine ſehr geſuchte Kohle gibt. Den Boden
bedecken Ananas, Hemimeris, Polygala und Melaſtomen.
Eine kletternde Grasart ſchwebt in leichten Gewinden zwiſchen
Bäumen, deren Hierſein bekundet, wie kühl das Klima in
dieſen Bergen iſt. Dahin gehören die Aralia capitata, die
Vismia caparosa, die Clethra fagifolia. Mitten unter dieſen,
der ſchönen Region der Baumfarne (region de los helechos)
eigentümlichen Gewächſen erheben ſich in den Lichtungen hie
und da Palmbäume und Gruppen von Guarumo oder
Cekropia mit ſilberfarbigen Blättern, deren dünner Stamm
am Gipfel ſchwarz iſt, wie verbrannt vom Sauerſtoff der
Luft. Es iſt auffallend, daß ein ſo ſchöner Baum vom
Habitus der Theophraſta und der Palmen meiſt nur acht bis
zehn Kronblätter hat. Die Ameiſen, die im Stamme des
Guarumo hauſen und das Zellgewebe im Inneren zerſtören,
ſcheinen das Wachstum des Baumes zu hemmen. Wir hatten
in dieſen kühlen Bergen von Higuerote ſchon einmal botaniſiert,
im Dezember, als wir den Generalkapitän Guevara auf dem
Ausfluge begleiteten, den er mit dem Intendanten der Provinz
in die Valles de Aragua machte. Damals entdeckte Bon-
pland im dickſten Walde ein paar Stämme des Aguatire,
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[175/0183] in die Thäler von Aragua. Der Weg iſt in einen talkigen, zerſetzten Gneis gehauen. Ein mit Glimmerblättern gemengter Thon bedeckt 1 m hoch das Geſtein. Im Winter leidet man vom Staub und in der Regenzeit wird der Boden ein Moraſt. Abwärts von der Ebene von Buenaviſta, etwa 100 m gegen Südoſt, kommt man an eine ſtarke Quelle im Gneis, die mehrere Fälle bildet, welche die üppigſte Vegetation umgibt. Der Pfad zur Quelle hinunter iſt ſo ſteil, daß man die Wipfel der Baumfarne, deren Stamm 8 m hoch wird, mit der Hand berühren kann. Die Felſen ringsum ſind mit Jungermannia und Mooſen aus der Familie Hypnum be- kleidet. Der Bach ſchießt im Schatten von Helikonien hin und entblößt die Wurzeln der Plumeria, des Cupey, der Brownea und des Ficus gigantea. Dieſer feuchte, von Schlangen heimgeſuchte Ort gewährt dem Botaniker die reichſte Ausbeute. Die Brownea, von den Eingeborenen Rosa del monte oder Palo de Cruz genannt, trägt oft vier- bis fünf- hundert purpurrote Blüten in einem einzigen Strauße. Jede Blüte hat faſt immer 11 Staubfäden, und das prachtvolle Gewächs, deſſen Stamm 15 bis 20 m hoch wächſt, wird ſelten, weil ſein Holz eine ſehr geſuchte Kohle gibt. Den Boden bedecken Ananas, Hemimeris, Polygala und Melaſtomen. Eine kletternde Grasart ſchwebt in leichten Gewinden zwiſchen Bäumen, deren Hierſein bekundet, wie kühl das Klima in dieſen Bergen iſt. Dahin gehören die Aralia capitata, die Vismia caparosa, die Clethra fagifolia. Mitten unter dieſen, der ſchönen Region der Baumfarne (region de los helechos) eigentümlichen Gewächſen erheben ſich in den Lichtungen hie und da Palmbäume und Gruppen von Guarumo oder Cekropia mit ſilberfarbigen Blättern, deren dünner Stamm am Gipfel ſchwarz iſt, wie verbrannt vom Sauerſtoff der Luft. Es iſt auffallend, daß ein ſo ſchöner Baum vom Habitus der Theophraſta und der Palmen meiſt nur acht bis zehn Kronblätter hat. Die Ameiſen, die im Stamme des Guarumo hauſen und das Zellgewebe im Inneren zerſtören, ſcheinen das Wachstum des Baumes zu hemmen. Wir hatten in dieſen kühlen Bergen von Higuerote ſchon einmal botaniſiert, im Dezember, als wir den Generalkapitän Guevara auf dem Ausfluge begleiteten, den er mit dem Intendanten der Provinz in die Valles de Aragua machte. Damals entdeckte Bon- pland im dickſten Walde ein paar Stämme des Aguatire, deſſen wegen ſeiner ſchönen Farbe berühmtes Holz einmal ein

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/183>, abgerufen am 22.11.2024.