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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Kleingewehrfeuer, und, was sehr beachtenswert ist, dasselbe
schien weit stärker auf offener See, weit weg von der Insel,
als im Angesicht des Landes, ganz in der Nähe des brennenden
Vulkanes."

Vom Vulkan San Vincent bis zum Rio Apure beim
Einfluß des Nula sind es in gerader Linie 390 km; die
Explosionen wurden demnach in einer Entfernung gehört gleich
der vom Vesuv nach Paris. Dieses Phänomen, dem sich
viele Beobachtungen in der Kordillere der Anden anschließen,
beweist, wieviel größer die unterirdische Wirkungssphäre eines
Vulkanes ist, als man nach den unbedeutenden Veränderungen,
die er an der Erdoberfläche hervorbringt, glauben sollte. Die
Knalle, die man in der Neuen Welt tagelang 360, 450,
ja 900 km von einem Krater hört, gelangen nicht mittels der
Fortpflanzung des Schalles durch die Luft zu uns; der Ton
wird vielmehr durch die Erde geleitet, vielleicht am Punkte
selbst, wo wir uns befinden. Wenn die Ausbrüche des Vul-
kanes von San Vincent, des Cotopaxi oder Tunguragua von
so weit herschallten wie eine ungeheuer große Kanone, so
müßte der Schall im umgekehrten Verhältnis der Entfernung
stärker werden; aber die Beobachtung zeigt, daß dies nicht
der Fall ist. Noch mehr: in der Südsee, auf der Fahrt von
Guayaquil an die Küste von Mexiko, fuhren Bonpland und
ich über Striche, wo alle Matrosen an Bord über ein dumpfes
Geräusch erschraken, das aus der Tiefe des Meeres heraufkam
und uns durch das Wasser mitgeteilt wurde. Eben fand
wieder ein Ausbruch des Colopaxi statt, und wir waren so
weit von diesem Vulkan entfernt, als der Aetna von der Stadt
Neapel. Vom Vulkan Cotopaxi zur kleinen Stadt Honda am
Ufer des Magdalenenstromes sind es nicht weniger als 650 km,
und doch hörte man während der großen Ausbrüche jenes
Vulkanes in Honda ein unterirdisches Getöse, das man für
Geschützsalven hielt. Die Franziskaner verbreiteten das Ge-
rücht, Cartagena werde von den Engländern belagert und
beschossen, und alle Einwohner glaubten daran. Der Coto-
paxi ist nun aber ein Kegel, der 3500 m und mehr über dem
Becken von Honda liegt; er steigt aus einer Hochebene empor,
die selbst noch 2920 m mehr Meereshöhe hat als das Thal
des Magdalenenstromes. All' die kolossalen Berge von Quito,
der Provinz De los Pastos und von Popayan, zahllose Thäler
und Erdspalten liegen dazwischen. Unter diesen Umständen
läßt sich nicht annehmen, daß der Ton durch die Luft oder

A. v. Humboldt, Reise. II. 11

Kleingewehrfeuer, und, was ſehr beachtenswert iſt, dasſelbe
ſchien weit ſtärker auf offener See, weit weg von der Inſel,
als im Angeſicht des Landes, ganz in der Nähe des brennenden
Vulkanes.“

Vom Vulkan San Vincent bis zum Rio Apure beim
Einfluß des Nula ſind es in gerader Linie 390 km; die
Exploſionen wurden demnach in einer Entfernung gehört gleich
der vom Veſuv nach Paris. Dieſes Phänomen, dem ſich
viele Beobachtungen in der Kordillere der Anden anſchließen,
beweiſt, wieviel größer die unterirdiſche Wirkungsſphäre eines
Vulkanes iſt, als man nach den unbedeutenden Veränderungen,
die er an der Erdoberfläche hervorbringt, glauben ſollte. Die
Knalle, die man in der Neuen Welt tagelang 360, 450,
ja 900 km von einem Krater hört, gelangen nicht mittels der
Fortpflanzung des Schalles durch die Luft zu uns; der Ton
wird vielmehr durch die Erde geleitet, vielleicht am Punkte
ſelbſt, wo wir uns befinden. Wenn die Ausbrüche des Vul-
kanes von San Vincent, des Cotopaxi oder Tunguragua von
ſo weit herſchallten wie eine ungeheuer große Kanone, ſo
müßte der Schall im umgekehrten Verhältnis der Entfernung
ſtärker werden; aber die Beobachtung zeigt, daß dies nicht
der Fall iſt. Noch mehr: in der Südſee, auf der Fahrt von
Guayaquil an die Küſte von Mexiko, fuhren Bonpland und
ich über Striche, wo alle Matroſen an Bord über ein dumpfes
Geräuſch erſchraken, das aus der Tiefe des Meeres heraufkam
und uns durch das Waſſer mitgeteilt wurde. Eben fand
wieder ein Ausbruch des Colopaxi ſtatt, und wir waren ſo
weit von dieſem Vulkan entfernt, als der Aetna von der Stadt
Neapel. Vom Vulkan Cotopaxi zur kleinen Stadt Honda am
Ufer des Magdalenenſtromes ſind es nicht weniger als 650 km,
und doch hörte man während der großen Ausbrüche jenes
Vulkanes in Honda ein unterirdiſches Getöſe, das man für
Geſchützſalven hielt. Die Franziskaner verbreiteten das Ge-
rücht, Cartagena werde von den Engländern belagert und
beſchoſſen, und alle Einwohner glaubten daran. Der Coto-
paxi iſt nun aber ein Kegel, der 3500 m und mehr über dem
Becken von Honda liegt; er ſteigt aus einer Hochebene empor,
die ſelbſt noch 2920 m mehr Meereshöhe hat als das Thal
des Magdalenenſtromes. All’ die koloſſalen Berge von Quito,
der Provinz De los Paſtos und von Popayan, zahlloſe Thäler
und Erdſpalten liegen dazwiſchen. Unter dieſen Umſtänden
läßt ſich nicht annehmen, daß der Ton durch die Luft oder

A. v. Humboldt, Reiſe. II. 11
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[161/0169] Kleingewehrfeuer, und, was ſehr beachtenswert iſt, dasſelbe ſchien weit ſtärker auf offener See, weit weg von der Inſel, als im Angeſicht des Landes, ganz in der Nähe des brennenden Vulkanes.“ Vom Vulkan San Vincent bis zum Rio Apure beim Einfluß des Nula ſind es in gerader Linie 390 km; die Exploſionen wurden demnach in einer Entfernung gehört gleich der vom Veſuv nach Paris. Dieſes Phänomen, dem ſich viele Beobachtungen in der Kordillere der Anden anſchließen, beweiſt, wieviel größer die unterirdiſche Wirkungsſphäre eines Vulkanes iſt, als man nach den unbedeutenden Veränderungen, die er an der Erdoberfläche hervorbringt, glauben ſollte. Die Knalle, die man in der Neuen Welt tagelang 360, 450, ja 900 km von einem Krater hört, gelangen nicht mittels der Fortpflanzung des Schalles durch die Luft zu uns; der Ton wird vielmehr durch die Erde geleitet, vielleicht am Punkte ſelbſt, wo wir uns befinden. Wenn die Ausbrüche des Vul- kanes von San Vincent, des Cotopaxi oder Tunguragua von ſo weit herſchallten wie eine ungeheuer große Kanone, ſo müßte der Schall im umgekehrten Verhältnis der Entfernung ſtärker werden; aber die Beobachtung zeigt, daß dies nicht der Fall iſt. Noch mehr: in der Südſee, auf der Fahrt von Guayaquil an die Küſte von Mexiko, fuhren Bonpland und ich über Striche, wo alle Matroſen an Bord über ein dumpfes Geräuſch erſchraken, das aus der Tiefe des Meeres heraufkam und uns durch das Waſſer mitgeteilt wurde. Eben fand wieder ein Ausbruch des Colopaxi ſtatt, und wir waren ſo weit von dieſem Vulkan entfernt, als der Aetna von der Stadt Neapel. Vom Vulkan Cotopaxi zur kleinen Stadt Honda am Ufer des Magdalenenſtromes ſind es nicht weniger als 650 km, und doch hörte man während der großen Ausbrüche jenes Vulkanes in Honda ein unterirdiſches Getöſe, das man für Geſchützſalven hielt. Die Franziskaner verbreiteten das Ge- rücht, Cartagena werde von den Engländern belagert und beſchoſſen, und alle Einwohner glaubten daran. Der Coto- paxi iſt nun aber ein Kegel, der 3500 m und mehr über dem Becken von Honda liegt; er ſteigt aus einer Hochebene empor, die ſelbſt noch 2920 m mehr Meereshöhe hat als das Thal des Magdalenenſtromes. All’ die koloſſalen Berge von Quito, der Provinz De los Paſtos und von Popayan, zahlloſe Thäler und Erdſpalten liegen dazwiſchen. Unter dieſen Umſtänden läßt ſich nicht annehmen, daß der Ton durch die Luft oder A. v. Humboldt, Reiſe. II. 11

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/169>, abgerufen am 24.11.2024.