den Ebenen von Louisiana zuweilen gleichzeitig durch Stöße erschüttert werden kann, die von einem gemeinsamen Herde ausgehen.
Auf den Küsten von Terra Firma herrscht allgemein der Glaube, die Erdbeben werden häufiger, wenn ein paar Jahre lang die elektrischen Entladungen in der Luft auffallend selten gewesen sind. Man wollte in Cumana und Caracas die Beob- achtung gemacht haben, daß seit dem Jahre 1792 die Regen- güsse nicht so oft als sonst von Blitz und Donner begleitet gewesen, und man war schnell bei der Hand, sowohl die gänz- liche Zerstörung von Cumana im Jahre 1799 als die Erd- stöße, die man 1800, 1801 und 1802 in Maracaybo, Porto Cabello und Caracas gespürt, "einer Anhäufung der Elek- trizität im Inneren der Erde" zuzuschreiben. Wenn man lange in Neuandalusien oder in den Niederungen von Peru gelebt hat, kann man nicht wohl in Abrede ziehen, daß zu Anfang der Regenzeit, also eben zur Zeit der Gewitter, das Auftreten von Erdbeben am meisten zu besorgen ist. Die Luft und die Beschaffenheit der Erdoberfläche scheinen auf eine uns noch ganz unbekannte Weise auf die Vorgänge in großen Tiefen Einfluß zu äußern, und wenn man einen Zusammenhang zwischen der Seltenheit der Gewitter und der Häufigkeit der Erdbeben bemerkt haben will, so gründet sich dies, meiner Meinung nach, keineswegs auf lange Erfahrung, sondern ist nur eine Hypothese der Halbgelehrten im Lande. Gewisse Erscheinungen können zufällig zusammentreffen. Den auf- fallend starken Stößen, die man am Mississippi und Ohio zwei Jahre lang fast beständig spürte, und die im Jahre 1812 mit denen im Thale von Caracas zusammentrafen, ging in Louisiana ein fast gewitterloses Jahr voran, und dies fiel wieder allgemein auf. Es kann nicht wunder nehmen, wenn man im Vaterlande Franklins zur Erklärung von Erscheinungen gar gern die Lehre von der Elektrizität her- beizieht.
Der Stoß, den man im Dezember 1811 in Caracas spürte, war der einzige, der der schrecklichen Katastrophe am 26. März 1812 voranging. Man wußte in Terra Firma nichts davon, daß einerseits der Vulkan auf San Vincent sich rührte und andererseits am 7. und 8. Februar 1812 im Becken des Mis- sissippi die Erde Tag und Nacht fortbebte. Um diese Zeit herrschte in der Provinz Venezuela große Trockenheit. In Caracas und 400 km in der Runde war in den fünf Monaten
den Ebenen von Louiſiana zuweilen gleichzeitig durch Stöße erſchüttert werden kann, die von einem gemeinſamen Herde ausgehen.
Auf den Küſten von Terra Firma herrſcht allgemein der Glaube, die Erdbeben werden häufiger, wenn ein paar Jahre lang die elektriſchen Entladungen in der Luft auffallend ſelten geweſen ſind. Man wollte in Cumana und Caracas die Beob- achtung gemacht haben, daß ſeit dem Jahre 1792 die Regen- güſſe nicht ſo oft als ſonſt von Blitz und Donner begleitet geweſen, und man war ſchnell bei der Hand, ſowohl die gänz- liche Zerſtörung von Cumana im Jahre 1799 als die Erd- ſtöße, die man 1800, 1801 und 1802 in Maracaybo, Porto Cabello und Caracas geſpürt, „einer Anhäufung der Elek- trizität im Inneren der Erde“ zuzuſchreiben. Wenn man lange in Neuandaluſien oder in den Niederungen von Peru gelebt hat, kann man nicht wohl in Abrede ziehen, daß zu Anfang der Regenzeit, alſo eben zur Zeit der Gewitter, das Auftreten von Erdbeben am meiſten zu beſorgen iſt. Die Luft und die Beſchaffenheit der Erdoberfläche ſcheinen auf eine uns noch ganz unbekannte Weiſe auf die Vorgänge in großen Tiefen Einfluß zu äußern, und wenn man einen Zuſammenhang zwiſchen der Seltenheit der Gewitter und der Häufigkeit der Erdbeben bemerkt haben will, ſo gründet ſich dies, meiner Meinung nach, keineswegs auf lange Erfahrung, ſondern iſt nur eine Hypotheſe der Halbgelehrten im Lande. Gewiſſe Erſcheinungen können zufällig zuſammentreffen. Den auf- fallend ſtarken Stößen, die man am Miſſiſſippi und Ohio zwei Jahre lang faſt beſtändig ſpürte, und die im Jahre 1812 mit denen im Thale von Caracas zuſammentrafen, ging in Louiſiana ein faſt gewitterloſes Jahr voran, und dies fiel wieder allgemein auf. Es kann nicht wunder nehmen, wenn man im Vaterlande Franklins zur Erklärung von Erſcheinungen gar gern die Lehre von der Elektrizität her- beizieht.
Der Stoß, den man im Dezember 1811 in Caracas ſpürte, war der einzige, der der ſchrecklichen Kataſtrophe am 26. März 1812 voranging. Man wußte in Terra Firma nichts davon, daß einerſeits der Vulkan auf San Vincent ſich rührte und andererſeits am 7. und 8. Februar 1812 im Becken des Miſ- ſiſſippi die Erde Tag und Nacht fortbebte. Um dieſe Zeit herrſchte in der Provinz Venezuela große Trockenheit. In Caracas und 400 km in der Runde war in den fünf Monaten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="153"/>
den Ebenen von Louiſiana zuweilen gleichzeitig durch Stöße<lb/>
erſchüttert werden kann, die von einem gemeinſamen Herde<lb/>
ausgehen.</p><lb/><p>Auf den Küſten von Terra Firma herrſcht allgemein der<lb/>
Glaube, die Erdbeben werden häufiger, wenn ein paar Jahre<lb/>
lang die elektriſchen Entladungen in der Luft auffallend ſelten<lb/>
geweſen ſind. Man wollte in Cumana und Caracas die Beob-<lb/>
achtung gemacht haben, daß ſeit dem Jahre 1792 die Regen-<lb/>
güſſe nicht ſo oft als ſonſt von Blitz und Donner begleitet<lb/>
geweſen, und man war ſchnell bei der Hand, ſowohl die gänz-<lb/>
liche Zerſtörung von Cumana im Jahre 1799 als die Erd-<lb/>ſtöße, die man 1800, 1801 und 1802 in Maracaybo, Porto<lb/>
Cabello und Caracas geſpürt, „einer Anhäufung der Elek-<lb/>
trizität im Inneren der Erde“ zuzuſchreiben. Wenn man lange<lb/>
in Neuandaluſien oder in den Niederungen von Peru gelebt<lb/>
hat, kann man nicht wohl in Abrede ziehen, daß zu Anfang<lb/>
der Regenzeit, alſo eben zur Zeit der Gewitter, das Auftreten<lb/>
von Erdbeben am meiſten zu beſorgen iſt. Die Luft und die<lb/>
Beſchaffenheit der Erdoberfläche ſcheinen auf eine uns noch<lb/>
ganz unbekannte Weiſe auf die Vorgänge in großen Tiefen<lb/>
Einfluß zu äußern, und wenn man einen Zuſammenhang<lb/>
zwiſchen der Seltenheit der Gewitter und der Häufigkeit der<lb/>
Erdbeben bemerkt haben will, ſo gründet ſich dies, meiner<lb/>
Meinung nach, keineswegs auf lange Erfahrung, ſondern iſt<lb/>
nur eine Hypotheſe der Halbgelehrten im Lande. Gewiſſe<lb/>
Erſcheinungen können zufällig zuſammentreffen. Den auf-<lb/>
fallend ſtarken Stößen, die man am Miſſiſſippi und Ohio<lb/>
zwei Jahre lang faſt beſtändig ſpürte, und die im Jahre<lb/>
1812 mit denen im Thale von Caracas zuſammentrafen,<lb/>
ging in Louiſiana ein faſt gewitterloſes Jahr voran, und<lb/>
dies fiel wieder allgemein auf. Es kann nicht wunder nehmen,<lb/>
wenn man im Vaterlande Franklins zur Erklärung von<lb/>
Erſcheinungen gar gern die Lehre von der Elektrizität her-<lb/>
beizieht.</p><lb/><p>Der Stoß, den man im Dezember 1811 in Caracas ſpürte,<lb/>
war der einzige, der der ſchrecklichen Kataſtrophe am 26. März<lb/>
1812 voranging. Man wußte in Terra Firma nichts davon,<lb/>
daß einerſeits der Vulkan auf San Vincent ſich rührte und<lb/>
andererſeits am 7. und 8. Februar 1812 im Becken des Miſ-<lb/>ſiſſippi die Erde Tag und Nacht fortbebte. Um dieſe Zeit<lb/>
herrſchte in der Provinz Venezuela große Trockenheit. In<lb/>
Caracas und 400 <hirendition="#aq">km</hi> in der Runde war in den fünf Monaten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[153/0161]
den Ebenen von Louiſiana zuweilen gleichzeitig durch Stöße
erſchüttert werden kann, die von einem gemeinſamen Herde
ausgehen.
Auf den Küſten von Terra Firma herrſcht allgemein der
Glaube, die Erdbeben werden häufiger, wenn ein paar Jahre
lang die elektriſchen Entladungen in der Luft auffallend ſelten
geweſen ſind. Man wollte in Cumana und Caracas die Beob-
achtung gemacht haben, daß ſeit dem Jahre 1792 die Regen-
güſſe nicht ſo oft als ſonſt von Blitz und Donner begleitet
geweſen, und man war ſchnell bei der Hand, ſowohl die gänz-
liche Zerſtörung von Cumana im Jahre 1799 als die Erd-
ſtöße, die man 1800, 1801 und 1802 in Maracaybo, Porto
Cabello und Caracas geſpürt, „einer Anhäufung der Elek-
trizität im Inneren der Erde“ zuzuſchreiben. Wenn man lange
in Neuandaluſien oder in den Niederungen von Peru gelebt
hat, kann man nicht wohl in Abrede ziehen, daß zu Anfang
der Regenzeit, alſo eben zur Zeit der Gewitter, das Auftreten
von Erdbeben am meiſten zu beſorgen iſt. Die Luft und die
Beſchaffenheit der Erdoberfläche ſcheinen auf eine uns noch
ganz unbekannte Weiſe auf die Vorgänge in großen Tiefen
Einfluß zu äußern, und wenn man einen Zuſammenhang
zwiſchen der Seltenheit der Gewitter und der Häufigkeit der
Erdbeben bemerkt haben will, ſo gründet ſich dies, meiner
Meinung nach, keineswegs auf lange Erfahrung, ſondern iſt
nur eine Hypotheſe der Halbgelehrten im Lande. Gewiſſe
Erſcheinungen können zufällig zuſammentreffen. Den auf-
fallend ſtarken Stößen, die man am Miſſiſſippi und Ohio
zwei Jahre lang faſt beſtändig ſpürte, und die im Jahre
1812 mit denen im Thale von Caracas zuſammentrafen,
ging in Louiſiana ein faſt gewitterloſes Jahr voran, und
dies fiel wieder allgemein auf. Es kann nicht wunder nehmen,
wenn man im Vaterlande Franklins zur Erklärung von
Erſcheinungen gar gern die Lehre von der Elektrizität her-
beizieht.
Der Stoß, den man im Dezember 1811 in Caracas ſpürte,
war der einzige, der der ſchrecklichen Kataſtrophe am 26. März
1812 voranging. Man wußte in Terra Firma nichts davon,
daß einerſeits der Vulkan auf San Vincent ſich rührte und
andererſeits am 7. und 8. Februar 1812 im Becken des Miſ-
ſiſſippi die Erde Tag und Nacht fortbebte. Um dieſe Zeit
herrſchte in der Provinz Venezuela große Trockenheit. In
Caracas und 400 km in der Runde war in den fünf Monaten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/161>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.