Blüten der Pevetera, gleichfalls einer Pflanze mit zusammen- gesetzter Blüte, deren Geruch dem des peruanischen Heliotrops ähnelt. Die Pevetera geht aber in den Bergen nicht bis zur Zone der Alpenrosen hinauf, sie kommt im Thale von Chacao vor und die Damen von Caracas verfertigen ein sehr angenehmes Riechwasser daraus.
Wir hielten uns im Pejual mit der Untersuchung der schönen harzigen und wohlriechenden Pflanzen lange auf. Der Himmel wurde immer finsterer, der Thermometer sank unter 11°. Es ist dies eine Temperatur, bei der man in diesem Himmelsstrich zu frieren anfängt. Tritt man aus dem Gebüsch von Alpensträuchern, so ist man wieder in einer Savanne. Wir stiegen ein Stück am westlichen Gipfel hinauf, um darauf in die Einsattelung, in das Thal zwischen beiden Gipfeln der Silla hinabzugelangen. Hier war wegen des üppigen Pflanzenwuchses schwer durchzukommen. Ein Botaniker riete nicht leicht darauf, daß das dichte Buschwerk, das diesen Grund bedeckt, von einem Gewächs aus der Familie der Musaceen1 gebildet wird. Es ist wahrscheinlich eine Macanta oder Heliconia; die Blätter sind breit, glänzend; sie wird 4,5 bis 5 m hoch und die saftigen Stengel stehen dicht bei- sammen wie das Schilfrohr auf feuchten Gründen im östlichen Europa. Durch diesen Wald von Musaceen mußten wir uns einen Weg bahnen. Die Neger gingen mit ihren Messern oder Machetes vor uns her. Das Volk wirft diese Alpen- banane und die baumartigen Gräser unter dem Namen Carice zusammen; wir sahen weder Blüte noch Frucht des Gewächses. Man ist überrascht, in 2140 m Höhe, weit über den Andro- meden, Thibaudien und der Alpenrose der Kordilleren, einer Monokotyledonenfamilie zu begegnen, von der man meint, sie gehöre ausschließlich den heißen Niederungen unter den Tropen an. In einer ebenso hohen und noch nördlicheren Gebirgs- kette, in den blauen Bergen auf Jamaika, wachsen die Papa- geien-Helikonia und der Bichai auch vorzugsweise an alpinischen schattigen Orten.
Wir arbeiteten uns durch das Dickicht von Musaceen oder baumartigen Kräutern immer dem östlichen Gipfel zu, den wir ersteigen wollten. Von Zeit zu Zeit war er durch einen Wolkenriß zu sehen; auf einmal aber waren wir in dicken Nebel gehüllt und wir konnten uns nur nach dem
1 Scitamineen oder Bananengewächse.
Blüten der Pevetera, gleichfalls einer Pflanze mit zuſammen- geſetzter Blüte, deren Geruch dem des peruaniſchen Heliotrops ähnelt. Die Pevetera geht aber in den Bergen nicht bis zur Zone der Alpenroſen hinauf, ſie kommt im Thale von Chacao vor und die Damen von Caracas verfertigen ein ſehr angenehmes Riechwaſſer daraus.
Wir hielten uns im Pejual mit der Unterſuchung der ſchönen harzigen und wohlriechenden Pflanzen lange auf. Der Himmel wurde immer finſterer, der Thermometer ſank unter 11°. Es iſt dies eine Temperatur, bei der man in dieſem Himmelsſtrich zu frieren anfängt. Tritt man aus dem Gebüſch von Alpenſträuchern, ſo iſt man wieder in einer Savanne. Wir ſtiegen ein Stück am weſtlichen Gipfel hinauf, um darauf in die Einſattelung, in das Thal zwiſchen beiden Gipfeln der Silla hinabzugelangen. Hier war wegen des üppigen Pflanzenwuchſes ſchwer durchzukommen. Ein Botaniker riete nicht leicht darauf, daß das dichte Buſchwerk, das dieſen Grund bedeckt, von einem Gewächs aus der Familie der Muſaceen1 gebildet wird. Es iſt wahrſcheinlich eine Macanta oder Heliconia; die Blätter ſind breit, glänzend; ſie wird 4,5 bis 5 m hoch und die ſaftigen Stengel ſtehen dicht bei- ſammen wie das Schilfrohr auf feuchten Gründen im öſtlichen Europa. Durch dieſen Wald von Muſaceen mußten wir uns einen Weg bahnen. Die Neger gingen mit ihren Meſſern oder Machetes vor uns her. Das Volk wirft dieſe Alpen- banane und die baumartigen Gräſer unter dem Namen Carice zuſammen; wir ſahen weder Blüte noch Frucht des Gewächſes. Man iſt überraſcht, in 2140 m Höhe, weit über den Andro- meden, Thibaudien und der Alpenroſe der Kordilleren, einer Monokotyledonenfamilie zu begegnen, von der man meint, ſie gehöre ausſchließlich den heißen Niederungen unter den Tropen an. In einer ebenſo hohen und noch nördlicheren Gebirgs- kette, in den blauen Bergen auf Jamaika, wachſen die Papa- geien-Helikonia und der Bichai auch vorzugsweiſe an alpiniſchen ſchattigen Orten.
Wir arbeiteten uns durch das Dickicht von Muſaceen oder baumartigen Kräutern immer dem öſtlichen Gipfel zu, den wir erſteigen wollten. Von Zeit zu Zeit war er durch einen Wolkenriß zu ſehen; auf einmal aber waren wir in dicken Nebel gehüllt und wir konnten uns nur nach dem
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Blüten der Pevetera, gleichfalls einer Pflanze mit zuſammen-
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zur Zone der Alpenroſen hinauf, ſie kommt im Thale von
Chacao vor und die Damen von Caracas verfertigen ein ſehr
angenehmes Riechwaſſer daraus.
Wir hielten uns im Pejual mit der Unterſuchung der
ſchönen harzigen und wohlriechenden Pflanzen lange auf.
Der Himmel wurde immer finſterer, der Thermometer ſank
unter 11°. Es iſt dies eine Temperatur, bei der man in
dieſem Himmelsſtrich zu frieren anfängt. Tritt man aus
dem Gebüſch von Alpenſträuchern, ſo iſt man wieder in einer
Savanne. Wir ſtiegen ein Stück am weſtlichen Gipfel hinauf,
um darauf in die Einſattelung, in das Thal zwiſchen beiden
Gipfeln der Silla hinabzugelangen. Hier war wegen des
üppigen Pflanzenwuchſes ſchwer durchzukommen. Ein Botaniker
riete nicht leicht darauf, daß das dichte Buſchwerk, das dieſen
Grund bedeckt, von einem Gewächs aus der Familie der
Muſaceen 1 gebildet wird. Es iſt wahrſcheinlich eine Macanta
oder Heliconia; die Blätter ſind breit, glänzend; ſie wird
4,5 bis 5 m hoch und die ſaftigen Stengel ſtehen dicht bei-
ſammen wie das Schilfrohr auf feuchten Gründen im öſtlichen
Europa. Durch dieſen Wald von Muſaceen mußten wir uns
einen Weg bahnen. Die Neger gingen mit ihren Meſſern
oder Machetes vor uns her. Das Volk wirft dieſe Alpen-
banane und die baumartigen Gräſer unter dem Namen Carice
zuſammen; wir ſahen weder Blüte noch Frucht des Gewächſes.
Man iſt überraſcht, in 2140 m Höhe, weit über den Andro-
meden, Thibaudien und der Alpenroſe der Kordilleren, einer
Monokotyledonenfamilie zu begegnen, von der man meint, ſie
gehöre ausſchließlich den heißen Niederungen unter den Tropen
an. In einer ebenſo hohen und noch nördlicheren Gebirgs-
kette, in den blauen Bergen auf Jamaika, wachſen die Papa-
geien-Helikonia und der Bichai auch vorzugsweiſe an
alpiniſchen ſchattigen Orten.
Wir arbeiteten uns durch das Dickicht von Muſaceen
oder baumartigen Kräutern immer dem öſtlichen Gipfel zu,
den wir erſteigen wollten. Von Zeit zu Zeit war er durch
einen Wolkenriß zu ſehen; auf einmal aber waren wir in
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/144>, abgerufen am 15.08.2024.
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