Nachkommen der Konquistadoren, das heißt der Spanier, die bei der ersten Eroberung im Heere gedient. Mehrere dieser Krieger, der Waffengenossen der Cortez, Losada und Pizarro, gehörten den vornehmsten Familien der pyrenäischen Halbinsel an; andere aus den unteren Volksklassen haben ihren Namen durch die ritterliche Tapferkeit, die ein bezeichnender Zug des frühen 16. Jahrhunderts ist, zu Ehren gebracht. Ich habe oben daran erinnert, daß in der Geschichte dieser Zeit der religiösen und kriegerischen Begeisterung im Gefolge der großen Anführer mehrere redliche, schlichte, großmütige Männer auftraten. Sie eiferten wider die Grausamkeiten, welche die Ehre des spanischen Namens befleckten; aber sie ver- schwanden in der Menge und konnten der allgemeinen Aechtung nicht entgehen. Der Name "Konquistadores" ist desto verhaßter geblieben, als die wenigsten, nachdem sie friedliche Völker mißhandelt und im Schoße des Ueberflusses geschwelgt, dafür am Ende ihrer Laufbahn mit jenem schweren Umschlag des Glückes gebüßt haben, der den Haß der Men- schen sänftigt und nicht selten das harte Urteil der Geschichte mildert.
Aber nicht allein der Fortschritt der Kultur und der Konflikt zwischen zwei Adelsklassen von verschiedenem Ursprung nötigt die privilegierten Stände, ihre Ansprüche aufzugeben oder doch aus Klugheit nicht merken zu lassen. Die Aristo- kratie findet in den spanischen Kolonieen noch ein anderes Gegengewicht, das sich von Tag zu Tage mehr geltend macht. Unter den Weißen hat sich das Gefühl der Gleichheit aller Gemüter bemächtigt. Ueberall, wo die Farbigen entweder als Sklaven oder als Freigelassene angesehen werden, ist die an- gestammte Freiheit, das Bewußtsein, daß man nur Freie zu Ahnen hat, der eigentliche Adel. In den Kolonieen ist die Hautfarbe das wahre äußere Abzeichen desselben. In Mexiko wie in Peru, in Caracas wie auf Cuba kann man alle Tage einen Menschen, der barfuß geht, sagen hören: "Will der reiche weiße Mann weißer sein als ich?" Da Europa so große Menschenmengen an Amerika abgeben kann, so ist be- greiflich, daß der Satz: Jeder Weiße ist Ritter, todo blanco es caballero, den altadeligen europäischen Familien mit ihren Ansprüchen sehr unbequem ist. Noch mehr: dieser selbe Satz ist in Spanien bei einem wegen seiner Biederkeit, seines Fleißes und seines Nationalgeistes mit Recht geachteten Volksstamm längst anerkannt; jeder Biscayer nennt sich adelig, und da
Nachkommen der Konquiſtadoren, das heißt der Spanier, die bei der erſten Eroberung im Heere gedient. Mehrere dieſer Krieger, der Waffengenoſſen der Cortez, Loſada und Pizarro, gehörten den vornehmſten Familien der pyrenäiſchen Halbinſel an; andere aus den unteren Volksklaſſen haben ihren Namen durch die ritterliche Tapferkeit, die ein bezeichnender Zug des frühen 16. Jahrhunderts iſt, zu Ehren gebracht. Ich habe oben daran erinnert, daß in der Geſchichte dieſer Zeit der religiöſen und kriegeriſchen Begeiſterung im Gefolge der großen Anführer mehrere redliche, ſchlichte, großmütige Männer auftraten. Sie eiferten wider die Grauſamkeiten, welche die Ehre des ſpaniſchen Namens befleckten; aber ſie ver- ſchwanden in der Menge und konnten der allgemeinen Aechtung nicht entgehen. Der Name „Konquiſtadores“ iſt deſto verhaßter geblieben, als die wenigſten, nachdem ſie friedliche Völker mißhandelt und im Schoße des Ueberfluſſes geſchwelgt, dafür am Ende ihrer Laufbahn mit jenem ſchweren Umſchlag des Glückes gebüßt haben, der den Haß der Men- ſchen ſänftigt und nicht ſelten das harte Urteil der Geſchichte mildert.
Aber nicht allein der Fortſchritt der Kultur und der Konflikt zwiſchen zwei Adelsklaſſen von verſchiedenem Urſprung nötigt die privilegierten Stände, ihre Anſprüche aufzugeben oder doch aus Klugheit nicht merken zu laſſen. Die Ariſto- kratie findet in den ſpaniſchen Kolonieen noch ein anderes Gegengewicht, das ſich von Tag zu Tage mehr geltend macht. Unter den Weißen hat ſich das Gefühl der Gleichheit aller Gemüter bemächtigt. Ueberall, wo die Farbigen entweder als Sklaven oder als Freigelaſſene angeſehen werden, iſt die an- geſtammte Freiheit, das Bewußtſein, daß man nur Freie zu Ahnen hat, der eigentliche Adel. In den Kolonieen iſt die Hautfarbe das wahre äußere Abzeichen desſelben. In Mexiko wie in Peru, in Caracas wie auf Cuba kann man alle Tage einen Menſchen, der barfuß geht, ſagen hören: „Will der reiche weiße Mann weißer ſein als ich?“ Da Europa ſo große Menſchenmengen an Amerika abgeben kann, ſo iſt be- greiflich, daß der Satz: Jeder Weiße iſt Ritter, todo blanco es caballero, den altadeligen europäiſchen Familien mit ihren Anſprüchen ſehr unbequem iſt. Noch mehr: dieſer ſelbe Satz iſt in Spanien bei einem wegen ſeiner Biederkeit, ſeines Fleißes und ſeines Nationalgeiſtes mit Recht geachteten Volksſtamm längſt anerkannt; jeder Biscayer nennt ſich adelig, und da
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0131"n="123"/>
Nachkommen der <hirendition="#g">Konquiſtadoren</hi>, das heißt der Spanier,<lb/>
die bei der erſten Eroberung im Heere gedient. Mehrere dieſer<lb/>
Krieger, der Waffengenoſſen der Cortez, Loſada und Pizarro,<lb/>
gehörten den vornehmſten Familien der pyrenäiſchen Halbinſel<lb/>
an; andere aus den unteren Volksklaſſen haben ihren Namen<lb/>
durch die ritterliche Tapferkeit, die ein bezeichnender Zug<lb/>
des frühen 16. Jahrhunderts iſt, zu Ehren gebracht. Ich<lb/>
habe oben daran erinnert, daß in der Geſchichte dieſer Zeit<lb/>
der religiöſen und kriegeriſchen Begeiſterung im Gefolge der<lb/>
großen Anführer mehrere redliche, ſchlichte, großmütige Männer<lb/>
auftraten. Sie eiferten wider die Grauſamkeiten, welche<lb/>
die Ehre des ſpaniſchen Namens befleckten; aber ſie ver-<lb/>ſchwanden in der Menge und konnten der allgemeinen<lb/>
Aechtung nicht entgehen. Der Name „Konquiſtadores“ iſt<lb/>
deſto verhaßter geblieben, als die wenigſten, nachdem ſie<lb/>
friedliche Völker mißhandelt und im Schoße des Ueberfluſſes<lb/>
geſchwelgt, dafür am Ende ihrer Laufbahn mit jenem ſchweren<lb/>
Umſchlag des Glückes gebüßt haben, der den Haß der Men-<lb/>ſchen ſänftigt und nicht ſelten das harte Urteil der Geſchichte<lb/>
mildert.</p><lb/><p>Aber nicht allein der Fortſchritt der Kultur und der<lb/>
Konflikt zwiſchen zwei Adelsklaſſen von verſchiedenem Urſprung<lb/>
nötigt die privilegierten Stände, ihre Anſprüche aufzugeben<lb/>
oder doch aus Klugheit nicht merken zu laſſen. Die Ariſto-<lb/>
kratie findet in den ſpaniſchen Kolonieen noch ein anderes<lb/>
Gegengewicht, das ſich von Tag zu Tage mehr geltend macht.<lb/>
Unter den Weißen hat ſich das Gefühl der Gleichheit aller<lb/>
Gemüter bemächtigt. Ueberall, wo die Farbigen entweder als<lb/>
Sklaven oder als Freigelaſſene angeſehen werden, iſt die an-<lb/>
geſtammte Freiheit, das Bewußtſein, daß man nur Freie zu<lb/>
Ahnen hat, der eigentliche Adel. In den Kolonieen iſt die<lb/>
Hautfarbe das wahre äußere Abzeichen desſelben. In Mexiko<lb/>
wie in Peru, in Caracas wie auf Cuba kann man alle Tage<lb/>
einen Menſchen, der barfuß geht, ſagen hören: „Will der<lb/>
reiche weiße Mann weißer ſein als ich?“ Da Europa ſo<lb/>
große Menſchenmengen an Amerika abgeben kann, ſo iſt be-<lb/>
greiflich, daß der Satz: Jeder Weiße iſt Ritter, <hirendition="#aq">todo blanco<lb/>
es caballero,</hi> den altadeligen europäiſchen Familien mit ihren<lb/>
Anſprüchen ſehr unbequem iſt. Noch mehr: dieſer ſelbe Satz<lb/>
iſt in Spanien bei einem wegen ſeiner Biederkeit, ſeines Fleißes<lb/>
und ſeines Nationalgeiſtes mit Recht geachteten Volksſtamm<lb/>
längſt anerkannt; jeder Biscayer nennt ſich adelig, und da<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[123/0131]
Nachkommen der Konquiſtadoren, das heißt der Spanier,
die bei der erſten Eroberung im Heere gedient. Mehrere dieſer
Krieger, der Waffengenoſſen der Cortez, Loſada und Pizarro,
gehörten den vornehmſten Familien der pyrenäiſchen Halbinſel
an; andere aus den unteren Volksklaſſen haben ihren Namen
durch die ritterliche Tapferkeit, die ein bezeichnender Zug
des frühen 16. Jahrhunderts iſt, zu Ehren gebracht. Ich
habe oben daran erinnert, daß in der Geſchichte dieſer Zeit
der religiöſen und kriegeriſchen Begeiſterung im Gefolge der
großen Anführer mehrere redliche, ſchlichte, großmütige Männer
auftraten. Sie eiferten wider die Grauſamkeiten, welche
die Ehre des ſpaniſchen Namens befleckten; aber ſie ver-
ſchwanden in der Menge und konnten der allgemeinen
Aechtung nicht entgehen. Der Name „Konquiſtadores“ iſt
deſto verhaßter geblieben, als die wenigſten, nachdem ſie
friedliche Völker mißhandelt und im Schoße des Ueberfluſſes
geſchwelgt, dafür am Ende ihrer Laufbahn mit jenem ſchweren
Umſchlag des Glückes gebüßt haben, der den Haß der Men-
ſchen ſänftigt und nicht ſelten das harte Urteil der Geſchichte
mildert.
Aber nicht allein der Fortſchritt der Kultur und der
Konflikt zwiſchen zwei Adelsklaſſen von verſchiedenem Urſprung
nötigt die privilegierten Stände, ihre Anſprüche aufzugeben
oder doch aus Klugheit nicht merken zu laſſen. Die Ariſto-
kratie findet in den ſpaniſchen Kolonieen noch ein anderes
Gegengewicht, das ſich von Tag zu Tage mehr geltend macht.
Unter den Weißen hat ſich das Gefühl der Gleichheit aller
Gemüter bemächtigt. Ueberall, wo die Farbigen entweder als
Sklaven oder als Freigelaſſene angeſehen werden, iſt die an-
geſtammte Freiheit, das Bewußtſein, daß man nur Freie zu
Ahnen hat, der eigentliche Adel. In den Kolonieen iſt die
Hautfarbe das wahre äußere Abzeichen desſelben. In Mexiko
wie in Peru, in Caracas wie auf Cuba kann man alle Tage
einen Menſchen, der barfuß geht, ſagen hören: „Will der
reiche weiße Mann weißer ſein als ich?“ Da Europa ſo
große Menſchenmengen an Amerika abgeben kann, ſo iſt be-
greiflich, daß der Satz: Jeder Weiße iſt Ritter, todo blanco
es caballero, den altadeligen europäiſchen Familien mit ihren
Anſprüchen ſehr unbequem iſt. Noch mehr: dieſer ſelbe Satz
iſt in Spanien bei einem wegen ſeiner Biederkeit, ſeines Fleißes
und ſeines Nationalgeiſtes mit Recht geachteten Volksſtamm
längſt anerkannt; jeder Biscayer nennt ſich adelig, und da
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/131>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.