einst so fruchtbar als die Gelände von Tacoronte und Sauzal. Wohl den Ländern, wo der Mensch dem Boden, auf dem er wohnt, nicht mißtrauen darf!
Auf unserem Wege zum Hafen von Orotava kamen wir durch die hübschen Dörfer Matanza und Victoria. Diese beiden Namen findet man in allen spanischen Kolonieen neben- einander; sie machen einen widrigen Eindruck in einem Lande, wo alles Ruhe und Frieden atmet. Matanza bedeutet Schlachtbank, Blutbad, und schon das Wort deutet an, um welchen Preis der Sieg erkauft worden. In der Neuen Welt weist er gewöhnlich auf eine Niederlage der Eingeborenen hin; auf Tenerifa bezeichnet das Wort Matanza den Ort, wo die Spanier von denselben Guanchen geschlagen wurden, die man bald darauf auf den spanischen Märkten als Sklaven verkaufte.
Ehe wir nach Orotava kamen, besuchten wir den bota- nischen Garten nicht weit vom Hafen. Wir trafen da den französischen Vizekonsul Legros, der oft auf der Spitze des Piks gewesen war und an dem wir einen vortrefflichen Führer fanden. Er hatte mit Kapitän Baudin eine Fahrt nach den Antillen gemacht, durch die der Pariser Pflanzengarten an- sehnlich bereichert worden ist. Ein furchbarer Sturm, den Ledru in seiner Reise nach Puertorico beschreibt, zwang das Fahrzeug, bei Tenerifa anzulegen, und das herrliche Klima der Insel brachte Legros zum Entschluß, sich hier niederzulassen. Ihm verdankt die gelehrte Welt Europas die ersten genauen Nachrichten über den großen Seitenausbruch des Piks, den man sehr uneigentlich den Ausbruch des Vulkanes von Cha- horra nennt. 1
Die Anlage eines botanischen Gartens auf Tenerifa ist ein sehr glücklicher Gedanke, da derselbe sowohl für die wissen- schaftliche Botanik als für die Einführung nützlicher Gewächse in Europa sehr förderlich werden kann. Die erste Idee eines solchen verdankt man dem Marquis von Nava (Marquis von Villanueva del Prado), einem Manne, der Poivre an die Seite gestellt zu werden verdient und im Triebe, das Gute zu för- dern, von seinem Vermögen den edelsten Gebrauch gemacht hat. Mit ungeheuren Kosten ließ er den Hügel von Durasno, der amphitheatralisch aufsteigt, abheben, und im Jahre 1795 machte man mit den Anpflanzungen den Anfang. Nava war der Ansicht, daß die Kanarien, vermöge des milden Klimas
1 Am 8. Juni 1798.
einſt ſo fruchtbar als die Gelände von Tacoronte und Sauzal. Wohl den Ländern, wo der Menſch dem Boden, auf dem er wohnt, nicht mißtrauen darf!
Auf unſerem Wege zum Hafen von Orotava kamen wir durch die hübſchen Dörfer Matanza und Victoria. Dieſe beiden Namen findet man in allen ſpaniſchen Kolonieen neben- einander; ſie machen einen widrigen Eindruck in einem Lande, wo alles Ruhe und Frieden atmet. Matanza bedeutet Schlachtbank, Blutbad, und ſchon das Wort deutet an, um welchen Preis der Sieg erkauft worden. In der Neuen Welt weiſt er gewöhnlich auf eine Niederlage der Eingeborenen hin; auf Tenerifa bezeichnet das Wort Matanza den Ort, wo die Spanier von denſelben Guanchen geſchlagen wurden, die man bald darauf auf den ſpaniſchen Märkten als Sklaven verkaufte.
Ehe wir nach Orotava kamen, beſuchten wir den bota- niſchen Garten nicht weit vom Hafen. Wir trafen da den franzöſiſchen Vizekonſul Legros, der oft auf der Spitze des Piks geweſen war und an dem wir einen vortrefflichen Führer fanden. Er hatte mit Kapitän Baudin eine Fahrt nach den Antillen gemacht, durch die der Pariſer Pflanzengarten an- ſehnlich bereichert worden iſt. Ein furchbarer Sturm, den Ledru in ſeiner Reiſe nach Puertorico beſchreibt, zwang das Fahrzeug, bei Tenerifa anzulegen, und das herrliche Klima der Inſel brachte Legros zum Entſchluß, ſich hier niederzulaſſen. Ihm verdankt die gelehrte Welt Europas die erſten genauen Nachrichten über den großen Seitenausbruch des Piks, den man ſehr uneigentlich den Ausbruch des Vulkanes von Cha- horra nennt. 1
Die Anlage eines botaniſchen Gartens auf Tenerifa iſt ein ſehr glücklicher Gedanke, da derſelbe ſowohl für die wiſſen- ſchaftliche Botanik als für die Einführung nützlicher Gewächſe in Europa ſehr förderlich werden kann. Die erſte Idee eines ſolchen verdankt man dem Marquis von Nava (Marquis von Villanueva del Prado), einem Manne, der Poivre an die Seite geſtellt zu werden verdient und im Triebe, das Gute zu för- dern, von ſeinem Vermögen den edelſten Gebrauch gemacht hat. Mit ungeheuren Koſten ließ er den Hügel von Durasno, der amphitheatraliſch aufſteigt, abheben, und im Jahre 1795 machte man mit den Anpflanzungen den Anfang. Nava war der Anſicht, daß die Kanarien, vermöge des milden Klimas
1 Am 8. Juni 1798.
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einſt ſo fruchtbar als die Gelände von Tacoronte und Sauzal.
Wohl den Ländern, wo der Menſch dem Boden, auf dem er
wohnt, nicht mißtrauen darf!
Auf unſerem Wege zum Hafen von Orotava kamen wir
durch die hübſchen Dörfer Matanza und Victoria. Dieſe
beiden Namen findet man in allen ſpaniſchen Kolonieen neben-
einander; ſie machen einen widrigen Eindruck in einem Lande,
wo alles Ruhe und Frieden atmet. Matanza bedeutet
Schlachtbank, Blutbad, und ſchon das Wort deutet an, um
welchen Preis der Sieg erkauft worden. In der Neuen Welt
weiſt er gewöhnlich auf eine Niederlage der Eingeborenen hin;
auf Tenerifa bezeichnet das Wort Matanza den Ort, wo die
Spanier von denſelben Guanchen geſchlagen wurden, die man
bald darauf auf den ſpaniſchen Märkten als Sklaven verkaufte.
Ehe wir nach Orotava kamen, beſuchten wir den bota-
niſchen Garten nicht weit vom Hafen. Wir trafen da den
franzöſiſchen Vizekonſul Legros, der oft auf der Spitze des
Piks geweſen war und an dem wir einen vortrefflichen Führer
fanden. Er hatte mit Kapitän Baudin eine Fahrt nach den
Antillen gemacht, durch die der Pariſer Pflanzengarten an-
ſehnlich bereichert worden iſt. Ein furchbarer Sturm, den
Ledru in ſeiner Reiſe nach Puertorico beſchreibt, zwang das
Fahrzeug, bei Tenerifa anzulegen, und das herrliche Klima der
Inſel brachte Legros zum Entſchluß, ſich hier niederzulaſſen.
Ihm verdankt die gelehrte Welt Europas die erſten genauen
Nachrichten über den großen Seitenausbruch des Piks, den
man ſehr uneigentlich den Ausbruch des Vulkanes von Cha-
horra nennt. 1
Die Anlage eines botaniſchen Gartens auf Tenerifa iſt
ein ſehr glücklicher Gedanke, da derſelbe ſowohl für die wiſſen-
ſchaftliche Botanik als für die Einführung nützlicher Gewächſe
in Europa ſehr förderlich werden kann. Die erſte Idee eines
ſolchen verdankt man dem Marquis von Nava (Marquis von
Villanueva del Prado), einem Manne, der Poivre an die Seite
geſtellt zu werden verdient und im Triebe, das Gute zu för-
dern, von ſeinem Vermögen den edelſten Gebrauch gemacht
hat. Mit ungeheuren Koſten ließ er den Hügel von Durasno,
der amphitheatraliſch aufſteigt, abheben, und im Jahre 1795
machte man mit den Anpflanzungen den Anfang. Nava war
der Anſicht, daß die Kanarien, vermöge des milden Klimas
1 Am 8. Juni 1798.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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