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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Augenblick niedergingen. Je weiter wir nach Süden kamen,
desto häufiger wurden sie, besonders bei den Kanarischen Inseln.
Ich glaube auf meinen Reisen die Beobachtung gemacht zu
haben, daß diese Feuermeteore überhaupt in manchen Land-
strichen häufiger vorkommen und glänzender sind als in an-
deren. Nie sah ich ihrer so viele als in der Nähe der Vulkane
der Provinz Quito und in der Südsee an der vulkanischen
Küste von Guatemala. Der Einfluß, den Oertlichkeit, Klima
und Jahreszeit auf die Bildung der Sternschnuppen zu haben
scheinen, trennt diese Klasse von Meteoren von den Aerolithen,
die wahrscheinlich dem Weltraume außerhalb unseres Luft-
kreises angehören. Nach den übereinstimmenden Beobachtungen
von Benzenberg und Brandes erscheinen in Europa viele
Sternschnuppen nicht mehr als 58470 m über der Erde.
Man hat sogar eine gemessen, die nur 27280 m hoch war.
Es wäre zu wünschen, daß dergleichen Messungen, die nur
annähernde Resultate ergeben können, öfters wiederholt würden.
In den heißen Landstrichen, besonders unter den Tropen,
zeigen die Sternschnuppen einen Schweif, der noch 12 bis
15 Sekunden fortleuchtet; ein andermal ist es, als platzten
sie und zerstieben in mehrere Lichtfunken, und im allgemeinen
sind sie viel weiter unten in der Luft als im nördlichen Eu-
ropa. Man sieht sie nur bei heiterem, blauem Himmel, und
unter einer Wolke ist wohl noch nie eine beobachtet worden.
Häufig haben die Sternschnuppen ein paar Stunden lang
eine und dieselbe Richtung, und dies ist dann die Richtung
des Windes. In der Bucht von Neapel haben Gay-Lussac
und ich Lichterscheinungen beobachtet, die denen, welche mich
bei meinem langen Aufenthalt in Mexiko und Quito be-
schäftigten, sehr ähnlich waren. Das Wesen dieser Meteore
hängt vielleicht ab von der Beschaffenheit von Boden und
Luft, gleich gewissen Erscheinungen von Luftspiegelung und
Strahlenbrechung an der Erdoberfläche, wie sie an den Küsten
von Kalabrien und Sizilien vorkommen.

Wir bekamen auf unserer Fahrt weder die Inseln De-
siertas noch Madeira zu Gesicht. Gerne hätte ich die Länge
dieser Inseln berichtigt und von den vulkanischen Bergen nord-
wärts von Funchal Höhenwinkel genommen. De Borda be-
richtet, man sehe diese Berge auf 90 km, was nur auf eine
Höhe von 806 m hinwiese; wir wissen aber, daß nach neueren
Messungen der höchste Gipfel von Madeira 1573 m hoch ist.
Die kleinen Inseln Desiertas und Salvages, auf denen man

Augenblick niedergingen. Je weiter wir nach Süden kamen,
deſto häufiger wurden ſie, beſonders bei den Kanariſchen Inſeln.
Ich glaube auf meinen Reiſen die Beobachtung gemacht zu
haben, daß dieſe Feuermeteore überhaupt in manchen Land-
ſtrichen häufiger vorkommen und glänzender ſind als in an-
deren. Nie ſah ich ihrer ſo viele als in der Nähe der Vulkane
der Provinz Quito und in der Südſee an der vulkaniſchen
Küſte von Guatemala. Der Einfluß, den Oertlichkeit, Klima
und Jahreszeit auf die Bildung der Sternſchnuppen zu haben
ſcheinen, trennt dieſe Klaſſe von Meteoren von den Aerolithen,
die wahrſcheinlich dem Weltraume außerhalb unſeres Luft-
kreiſes angehören. Nach den übereinſtimmenden Beobachtungen
von Benzenberg und Brandes erſcheinen in Europa viele
Sternſchnuppen nicht mehr als 58470 m über der Erde.
Man hat ſogar eine gemeſſen, die nur 27280 m hoch war.
Es wäre zu wünſchen, daß dergleichen Meſſungen, die nur
annähernde Reſultate ergeben können, öfters wiederholt würden.
In den heißen Landſtrichen, beſonders unter den Tropen,
zeigen die Sternſchnuppen einen Schweif, der noch 12 bis
15 Sekunden fortleuchtet; ein andermal iſt es, als platzten
ſie und zerſtieben in mehrere Lichtfunken, und im allgemeinen
ſind ſie viel weiter unten in der Luft als im nördlichen Eu-
ropa. Man ſieht ſie nur bei heiterem, blauem Himmel, und
unter einer Wolke iſt wohl noch nie eine beobachtet worden.
Häufig haben die Sternſchnuppen ein paar Stunden lang
eine und dieſelbe Richtung, und dies iſt dann die Richtung
des Windes. In der Bucht von Neapel haben Gay-Luſſac
und ich Lichterſcheinungen beobachtet, die denen, welche mich
bei meinem langen Aufenthalt in Mexiko und Quito be-
ſchäftigten, ſehr ähnlich waren. Das Weſen dieſer Meteore
hängt vielleicht ab von der Beſchaffenheit von Boden und
Luft, gleich gewiſſen Erſcheinungen von Luftſpiegelung und
Strahlenbrechung an der Erdoberfläche, wie ſie an den Küſten
von Kalabrien und Sizilien vorkommen.

Wir bekamen auf unſerer Fahrt weder die Inſeln De-
ſiertas noch Madeira zu Geſicht. Gerne hätte ich die Länge
dieſer Inſeln berichtigt und von den vulkaniſchen Bergen nord-
wärts von Funchal Höhenwinkel genommen. De Borda be-
richtet, man ſehe dieſe Berge auf 90 km, was nur auf eine
Höhe von 806 m hinwieſe; wir wiſſen aber, daß nach neueren
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[38/0054] Augenblick niedergingen. Je weiter wir nach Süden kamen, deſto häufiger wurden ſie, beſonders bei den Kanariſchen Inſeln. Ich glaube auf meinen Reiſen die Beobachtung gemacht zu haben, daß dieſe Feuermeteore überhaupt in manchen Land- ſtrichen häufiger vorkommen und glänzender ſind als in an- deren. Nie ſah ich ihrer ſo viele als in der Nähe der Vulkane der Provinz Quito und in der Südſee an der vulkaniſchen Küſte von Guatemala. Der Einfluß, den Oertlichkeit, Klima und Jahreszeit auf die Bildung der Sternſchnuppen zu haben ſcheinen, trennt dieſe Klaſſe von Meteoren von den Aerolithen, die wahrſcheinlich dem Weltraume außerhalb unſeres Luft- kreiſes angehören. Nach den übereinſtimmenden Beobachtungen von Benzenberg und Brandes erſcheinen in Europa viele Sternſchnuppen nicht mehr als 58470 m über der Erde. Man hat ſogar eine gemeſſen, die nur 27280 m hoch war. Es wäre zu wünſchen, daß dergleichen Meſſungen, die nur annähernde Reſultate ergeben können, öfters wiederholt würden. In den heißen Landſtrichen, beſonders unter den Tropen, zeigen die Sternſchnuppen einen Schweif, der noch 12 bis 15 Sekunden fortleuchtet; ein andermal iſt es, als platzten ſie und zerſtieben in mehrere Lichtfunken, und im allgemeinen ſind ſie viel weiter unten in der Luft als im nördlichen Eu- ropa. Man ſieht ſie nur bei heiterem, blauem Himmel, und unter einer Wolke iſt wohl noch nie eine beobachtet worden. Häufig haben die Sternſchnuppen ein paar Stunden lang eine und dieſelbe Richtung, und dies iſt dann die Richtung des Windes. In der Bucht von Neapel haben Gay-Luſſac und ich Lichterſcheinungen beobachtet, die denen, welche mich bei meinem langen Aufenthalt in Mexiko und Quito be- ſchäftigten, ſehr ähnlich waren. Das Weſen dieſer Meteore hängt vielleicht ab von der Beſchaffenheit von Boden und Luft, gleich gewiſſen Erſcheinungen von Luftſpiegelung und Strahlenbrechung an der Erdoberfläche, wie ſie an den Küſten von Kalabrien und Sizilien vorkommen. Wir bekamen auf unſerer Fahrt weder die Inſeln De- ſiertas noch Madeira zu Geſicht. Gerne hätte ich die Länge dieſer Inſeln berichtigt und von den vulkaniſchen Bergen nord- wärts von Funchal Höhenwinkel genommen. De Borda be- richtet, man ſehe dieſe Berge auf 90 km, was nur auf eine Höhe von 806 m hinwieſe; wir wiſſen aber, daß nach neueren Meſſungen der höchſte Gipfel von Madeira 1573 m hoch iſt. Die kleinen Inſeln Deſiertas und Salvages, auf denen man

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/54>, abgerufen am 26.04.2024.