noch nach Südost getrieben, und zwar infolge eines An- stoßes, dessen Ursprung man an den Küsten der Neuen Welt zu suchen hat. Im weiten Meeresbecken pflanzen sich alle Bewegungen fort, gerade wie im Luftmeere. Verfolgt man die Strömungen rückwärts zu ihren fernen Quellen, gibt man sich Rechenschaft von dem Wechsel in ihrer Geschwindigkeit, warum sie bald abnimmt, wie zwischen dem Kanal von Ba- hama und der Bank von Neufundland, bald wieder wächst, wie in der Nähe der Meerenge von Gibraltar und bei den Kanarischen Inseln, so kann man nicht darüber im Zweifel sein, daß dieselbe Ursache, welche die Gewässer im Meerbusen von Mexiko herumdreht, sie auch bei der Insel Madeira in Bewegung setzt.
Südlich von letztgenannter Insel läßt sich die Strömung in ihrer Richtung nach Südost und Süd-Süd-Ost gegen die Küste von Afrika zwischen Kap Cantin und Kap Bojador ver- folgen. In diesen Strichen sieht sich ein Schiff bei stillem Wetter nahe an der Küste, wenn es sich nach der nicht be- richtigten Schätzung noch weit davon entfernt glaubt. Ist die Oeffnung bei Gibraltar die Ursache der Bewegung des Wassers, warum hat denn die Strömung südlich von der Meerenge nicht die entgegengesetzte Richtung? Im Gegenteil aber geht sie unter dem 25. und 26. Grad der Breite erst gerade nach Süd und dann nach Südwest. Kap Blanc, nach Kap Verd das am weitesten sich hinausstreckende Vorgebirge, scheint Einfluß auf diese Richtung zu äußern, und unter der Breite desselben mischen sich die Wasser, deren Bewegung wir von der Küste von Honduras bis zur afrikanischen verfolgt haben, mit dem großen tropischen Strom, um den Lauf von Morgen nach Abend von neuem zu beginnen. Wir haben oben bemerkt, daß mehrere hundert Kilometer westwärts von den Kanarien der eigentümliche Zug der Aequinoktialgewässer schon in der gemäßigten Zone, vom 28. und 29. Breitengrad an, bemerklich wird; aber im Meridian der Insel Ferro kommen die Schiffe südwärts bis zum Wendekreise des Krebses, ehe sie sich nach der Schätzung ostwärts von ihrer wahren Länge befinden.
Wie nun aber die nördliche Grenze des tropischen Stromes und der Passatwinde nach den Jahreszeiten sich verschiebt, so zeigt sich auch der Golfstrom nach Stellung und Richtung veränderlich. Diese Schwankungen sind besonders auffallend vom 28. Breitengrad bis zur großen Bank von Neufundland,
noch nach Südoſt getrieben, und zwar infolge eines An- ſtoßes, deſſen Urſprung man an den Küſten der Neuen Welt zu ſuchen hat. Im weiten Meeresbecken pflanzen ſich alle Bewegungen fort, gerade wie im Luftmeere. Verfolgt man die Strömungen rückwärts zu ihren fernen Quellen, gibt man ſich Rechenſchaft von dem Wechſel in ihrer Geſchwindigkeit, warum ſie bald abnimmt, wie zwiſchen dem Kanal von Ba- hama und der Bank von Neufundland, bald wieder wächſt, wie in der Nähe der Meerenge von Gibraltar und bei den Kanariſchen Inſeln, ſo kann man nicht darüber im Zweifel ſein, daß dieſelbe Urſache, welche die Gewäſſer im Meerbuſen von Mexiko herumdreht, ſie auch bei der Inſel Madeira in Bewegung ſetzt.
Südlich von letztgenannter Inſel läßt ſich die Strömung in ihrer Richtung nach Südoſt und Süd-Süd-Oſt gegen die Küſte von Afrika zwiſchen Kap Cantin und Kap Bojador ver- folgen. In dieſen Strichen ſieht ſich ein Schiff bei ſtillem Wetter nahe an der Küſte, wenn es ſich nach der nicht be- richtigten Schätzung noch weit davon entfernt glaubt. Iſt die Oeffnung bei Gibraltar die Urſache der Bewegung des Waſſers, warum hat denn die Strömung ſüdlich von der Meerenge nicht die entgegengeſetzte Richtung? Im Gegenteil aber geht ſie unter dem 25. und 26. Grad der Breite erſt gerade nach Süd und dann nach Südweſt. Kap Blanc, nach Kap Verd das am weiteſten ſich hinausſtreckende Vorgebirge, ſcheint Einfluß auf dieſe Richtung zu äußern, und unter der Breite desſelben miſchen ſich die Waſſer, deren Bewegung wir von der Küſte von Honduras bis zur afrikaniſchen verfolgt haben, mit dem großen tropiſchen Strom, um den Lauf von Morgen nach Abend von neuem zu beginnen. Wir haben oben bemerkt, daß mehrere hundert Kilometer weſtwärts von den Kanarien der eigentümliche Zug der Aequinoktialgewäſſer ſchon in der gemäßigten Zone, vom 28. und 29. Breitengrad an, bemerklich wird; aber im Meridian der Inſel Ferro kommen die Schiffe ſüdwärts bis zum Wendekreiſe des Krebſes, ehe ſie ſich nach der Schätzung oſtwärts von ihrer wahren Länge befinden.
Wie nun aber die nördliche Grenze des tropiſchen Stromes und der Paſſatwinde nach den Jahreszeiten ſich verſchiebt, ſo zeigt ſich auch der Golfſtrom nach Stellung und Richtung veränderlich. Dieſe Schwankungen ſind beſonders auffallend vom 28. Breitengrad bis zur großen Bank von Neufundland,
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[27/0043]
noch nach Südoſt getrieben, und zwar infolge eines An-
ſtoßes, deſſen Urſprung man an den Küſten der Neuen Welt
zu ſuchen hat. Im weiten Meeresbecken pflanzen ſich alle
Bewegungen fort, gerade wie im Luftmeere. Verfolgt man
die Strömungen rückwärts zu ihren fernen Quellen, gibt man
ſich Rechenſchaft von dem Wechſel in ihrer Geſchwindigkeit,
warum ſie bald abnimmt, wie zwiſchen dem Kanal von Ba-
hama und der Bank von Neufundland, bald wieder wächſt,
wie in der Nähe der Meerenge von Gibraltar und bei den
Kanariſchen Inſeln, ſo kann man nicht darüber im Zweifel
ſein, daß dieſelbe Urſache, welche die Gewäſſer im Meerbuſen
von Mexiko herumdreht, ſie auch bei der Inſel Madeira in
Bewegung ſetzt.
Südlich von letztgenannter Inſel läßt ſich die Strömung
in ihrer Richtung nach Südoſt und Süd-Süd-Oſt gegen die
Küſte von Afrika zwiſchen Kap Cantin und Kap Bojador ver-
folgen. In dieſen Strichen ſieht ſich ein Schiff bei ſtillem
Wetter nahe an der Küſte, wenn es ſich nach der nicht be-
richtigten Schätzung noch weit davon entfernt glaubt. Iſt
die Oeffnung bei Gibraltar die Urſache der Bewegung des
Waſſers, warum hat denn die Strömung ſüdlich von der
Meerenge nicht die entgegengeſetzte Richtung? Im Gegenteil
aber geht ſie unter dem 25. und 26. Grad der Breite erſt
gerade nach Süd und dann nach Südweſt. Kap Blanc, nach
Kap Verd das am weiteſten ſich hinausſtreckende Vorgebirge,
ſcheint Einfluß auf dieſe Richtung zu äußern, und unter der
Breite desſelben miſchen ſich die Waſſer, deren Bewegung
wir von der Küſte von Honduras bis zur afrikaniſchen verfolgt
haben, mit dem großen tropiſchen Strom, um den Lauf von
Morgen nach Abend von neuem zu beginnen. Wir haben
oben bemerkt, daß mehrere hundert Kilometer weſtwärts von
den Kanarien der eigentümliche Zug der Aequinoktialgewäſſer
ſchon in der gemäßigten Zone, vom 28. und 29. Breitengrad
an, bemerklich wird; aber im Meridian der Inſel Ferro
kommen die Schiffe ſüdwärts bis zum Wendekreiſe des Krebſes,
ehe ſie ſich nach der Schätzung oſtwärts von ihrer wahren
Länge befinden.
Wie nun aber die nördliche Grenze des tropiſchen Stromes
und der Paſſatwinde nach den Jahreszeiten ſich verſchiebt, ſo
zeigt ſich auch der Golfſtrom nach Stellung und Richtung
veränderlich. Dieſe Schwankungen ſind beſonders auffallend
vom 28. Breitengrad bis zur großen Bank von Neufundland,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/43>, abgerufen am 18.05.2022.
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