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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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dadurch beschleunigt, die Beschwerden der Kolonisten drangen
leichter nach Europa und die Staatsgewalt konnte hin und
wieder Bedrückungen ein Ende machen, die sonst aus so weiter
Ferne nie zu ihrer Kenntnis gelangt wären.

Der Minister hatte uns ganz besonders dem Brigadier
Don Rafael Clavijo empfohlen, der seit kurzem die Ober-
aufsicht über die Seeposten hatte. Dieser Offizier, bekannt
als ausgezeichneter Schiffsbauer, war in Corunda mit der Ein-
richtung neuer Werfte beschäftigt. Er bot alles auf, um uns
den Aufenthalt im Hafen angenehm zu machen, und gab uns
den Rat, uns auf der Korvette 1 Pizarro einzuschiffen, die
nach der Havana und Mexiko ging. Dieses Fahrzeug, das
die Post für Juni an Bord hatte, sollte mit der Alcudia
segeln, dem Paketboot für den Mai, das wegen der Blockade
seit drei Wochen nicht hatte auslaufen können. Der Pizarro
galt für keinen guten Segler, aber durch einen glücklichen
Zufall war er vor kurzem auf seiner langen Fahrt vom Rio
de la Plata nach Corunda den kreuzenden englischen Fahrzeugen
entgangen. Clavijo ließ an Bord der Korvette Einrichtungen
treffen, daß wir unsere Instrumente aufstellen und während
der Ueberfahrt unsere chemischen Versuche über die atmosphä-
rische Luft vornehmen konnten. Der Kapitän des Pizarro erhielt
Befehl, bei Tenerifa so lange anzulegen, daß wir den Hafen
von Orotava besuchen und den Gipfel des Piks besteigen könnten.

Die Einschiffung verzögerte sich nur zehn Tage, dennoch
kam uns der Aufenthalt gewaltig lang vor. Wir benutzten
die Zeit, die Pflanzen einzulegen, die wir in den schönen,
noch von keinem Naturforscher betretenen Thälern Galiciens
gesammelt; wir untersuchten die Tange und Weichtiere, welche
die Flut von Nordwest her in Menge an den Fuß des steilen
Felsens wirft, auf dem der Wachtturm des Herkules steht.
Dieser Turm, auch "der eiserne Turm" genannt, wurde im
Jahre 1788 restauriert. Er ist 30 m hoch, seine Mauern
sind 1,46 m dick, und nach seiner Bauart ist er unzweifelhaft
ein Werk der Römer. Eine in der Nähe der Fundamente
gefundene Inschrift, von der ich durch Herrn de Labordes'
Gefälligkeit eine Abschrift besitze, besagt, der Turm sei von
Cajus Servius Lupus, Architekten der Stadt Aqua Flavia
(Chaves), erbaut und dem Mars geweiht. Warum heißt der

1 Nach dem spanischen Sprachgebrauch war der Pizarro eine
leichte Fregatte (Fregata lijera).

dadurch beſchleunigt, die Beſchwerden der Koloniſten drangen
leichter nach Europa und die Staatsgewalt konnte hin und
wieder Bedrückungen ein Ende machen, die ſonſt aus ſo weiter
Ferne nie zu ihrer Kenntnis gelangt wären.

Der Miniſter hatte uns ganz beſonders dem Brigadier
Don Rafael Clavijo empfohlen, der ſeit kurzem die Ober-
aufſicht über die Seepoſten hatte. Dieſer Offizier, bekannt
als ausgezeichneter Schiffsbauer, war in Coruña mit der Ein-
richtung neuer Werfte beſchäftigt. Er bot alles auf, um uns
den Aufenthalt im Hafen angenehm zu machen, und gab uns
den Rat, uns auf der Korvette 1 Pizarro einzuſchiffen, die
nach der Havana und Mexiko ging. Dieſes Fahrzeug, das
die Poſt für Juni an Bord hatte, ſollte mit der Alcudia
ſegeln, dem Paketboot für den Mai, das wegen der Blockade
ſeit drei Wochen nicht hatte auslaufen können. Der Pizarro
galt für keinen guten Segler, aber durch einen glücklichen
Zufall war er vor kurzem auf ſeiner langen Fahrt vom Rio
de la Plata nach Coruña den kreuzenden engliſchen Fahrzeugen
entgangen. Clavijo ließ an Bord der Korvette Einrichtungen
treffen, daß wir unſere Inſtrumente aufſtellen und während
der Ueberfahrt unſere chemiſchen Verſuche über die atmoſphä-
riſche Luft vornehmen konnten. Der Kapitän des Pizarro erhielt
Befehl, bei Tenerifa ſo lange anzulegen, daß wir den Hafen
von Orotava beſuchen und den Gipfel des Piks beſteigen könnten.

Die Einſchiffung verzögerte ſich nur zehn Tage, dennoch
kam uns der Aufenthalt gewaltig lang vor. Wir benutzten
die Zeit, die Pflanzen einzulegen, die wir in den ſchönen,
noch von keinem Naturforſcher betretenen Thälern Galiciens
geſammelt; wir unterſuchten die Tange und Weichtiere, welche
die Flut von Nordweſt her in Menge an den Fuß des ſteilen
Felſens wirft, auf dem der Wachtturm des Herkules ſteht.
Dieſer Turm, auch „der eiſerne Turm“ genannt, wurde im
Jahre 1788 reſtauriert. Er iſt 30 m hoch, ſeine Mauern
ſind 1,46 m dick, und nach ſeiner Bauart iſt er unzweifelhaft
ein Werk der Römer. Eine in der Nähe der Fundamente
gefundene Inſchrift, von der ich durch Herrn de Labordes’
Gefälligkeit eine Abſchrift beſitze, beſagt, der Turm ſei von
Cajus Servius Lupus, Architekten der Stadt Aqua Flavia
(Chaves), erbaut und dem Mars geweiht. Warum heißt der

1 Nach dem ſpaniſchen Sprachgebrauch war der Pizarro eine
leichte Fregatte (Fregata lijera).
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[15/0031] dadurch beſchleunigt, die Beſchwerden der Koloniſten drangen leichter nach Europa und die Staatsgewalt konnte hin und wieder Bedrückungen ein Ende machen, die ſonſt aus ſo weiter Ferne nie zu ihrer Kenntnis gelangt wären. Der Miniſter hatte uns ganz beſonders dem Brigadier Don Rafael Clavijo empfohlen, der ſeit kurzem die Ober- aufſicht über die Seepoſten hatte. Dieſer Offizier, bekannt als ausgezeichneter Schiffsbauer, war in Coruña mit der Ein- richtung neuer Werfte beſchäftigt. Er bot alles auf, um uns den Aufenthalt im Hafen angenehm zu machen, und gab uns den Rat, uns auf der Korvette 1 Pizarro einzuſchiffen, die nach der Havana und Mexiko ging. Dieſes Fahrzeug, das die Poſt für Juni an Bord hatte, ſollte mit der Alcudia ſegeln, dem Paketboot für den Mai, das wegen der Blockade ſeit drei Wochen nicht hatte auslaufen können. Der Pizarro galt für keinen guten Segler, aber durch einen glücklichen Zufall war er vor kurzem auf ſeiner langen Fahrt vom Rio de la Plata nach Coruña den kreuzenden engliſchen Fahrzeugen entgangen. Clavijo ließ an Bord der Korvette Einrichtungen treffen, daß wir unſere Inſtrumente aufſtellen und während der Ueberfahrt unſere chemiſchen Verſuche über die atmoſphä- riſche Luft vornehmen konnten. Der Kapitän des Pizarro erhielt Befehl, bei Tenerifa ſo lange anzulegen, daß wir den Hafen von Orotava beſuchen und den Gipfel des Piks beſteigen könnten. Die Einſchiffung verzögerte ſich nur zehn Tage, dennoch kam uns der Aufenthalt gewaltig lang vor. Wir benutzten die Zeit, die Pflanzen einzulegen, die wir in den ſchönen, noch von keinem Naturforſcher betretenen Thälern Galiciens geſammelt; wir unterſuchten die Tange und Weichtiere, welche die Flut von Nordweſt her in Menge an den Fuß des ſteilen Felſens wirft, auf dem der Wachtturm des Herkules ſteht. Dieſer Turm, auch „der eiſerne Turm“ genannt, wurde im Jahre 1788 reſtauriert. Er iſt 30 m hoch, ſeine Mauern ſind 1,46 m dick, und nach ſeiner Bauart iſt er unzweifelhaft ein Werk der Römer. Eine in der Nähe der Fundamente gefundene Inſchrift, von der ich durch Herrn de Labordes’ Gefälligkeit eine Abſchrift beſitze, beſagt, der Turm ſei von Cajus Servius Lupus, Architekten der Stadt Aqua Flavia (Chaves), erbaut und dem Mars geweiht. Warum heißt der 1 Nach dem ſpaniſchen Sprachgebrauch war der Pizarro eine leichte Fregatte (Fregata lijera).

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/31>, abgerufen am 28.03.2024.