Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.gefällig gewesen wären, und der Wald immer dichter zu werden Nach mehreren Stunden beständig abwärts über zerstreute Die Savanne, über die wir zum indianischen Dorfe Santa gefällig geweſen wären, und der Wald immer dichter zu werden Nach mehreren Stunden beſtändig abwärts über zerſtreute Die Savanne, über die wir zum indianiſchen Dorfe Santa <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0299" n="283"/> gefällig geweſen wären, und der Wald immer dichter zu werden<lb/> ſchien. Wir mußten uns trennen; die indianiſchen Führer,<lb/> welche die Chaymasſprache verſtanden, waren noch weit zurück,<lb/> da die beladenen Maultiere bei jedem Schritt in den Schluchten<lb/> ſtürzten.</p><lb/> <p>Nach mehreren Stunden beſtändig abwärts über zerſtreute<lb/> Felsblöcke ſahen wir uns unerwartet am Ende des Waldes<lb/> von Santa Maria. So weit das Auge reichte, lag eine Gras-<lb/> flur vor uns, die ſich in der Regenzeit friſch begrünt hatte.<lb/> Links ſahen wir in ein enges Thal hinein, das ſich dem<lb/> Guacharogebirge zu zieht und im Hintergrunde mit dichtem<lb/> Walde bedeckt iſt. Der Blick ſtreifte über die Baumwipfel<lb/> weg, die 260 <hi rendition="#aq">m</hi> tief unter dem Wege ſich wie ein hingebreiteter,<lb/> dunkelgrüner Teppich ausnahmen. Die Lichtungen im Walde<lb/> glichen großen Trichtern, in denen wir an der zierlichen Ge-<lb/> ſtalt und den gefiederten Blättern Praga- und Iraſſepalmen<lb/> erkannten. Vollends maleriſch wird die Landſchaft dadurch,<lb/> daß die Sierra del Guacharo vor einem liegt. Ihr nörd-<lb/> licher, dem Meerbuſen von Cariaco zugekehrter Abhang iſt<lb/> ſteil und bildet eine Felsmauer, ein faſt ſenkrechtes Profil,<lb/> über 970 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch. Dieſe Wand iſt ſo ſchwach bewachſen, daß<lb/> man die Linien der Kalkſchichten mit dem Auge verfolgen kann.<lb/> Der Gipfel der Sierra iſt abgeplattet und nur am Oſtende<lb/> erhebt ſich, gleich einer geneigten Pyramide, der majeſtätiſche<lb/> Pik Guacharo. Seine Geſtalt erinnert an die Aiguilles und<lb/> Hörner der Schweizer Alpen (Schreckhörner, Finſteraarhorn).<lb/> Da die meiſten Berge mit ſteilem Abhange höher ſcheinen,<lb/> als ſie wirklich ſind, ſo iſt es nicht zu verwundern, daß man<lb/> in den Miſſionen der Meinung iſt, der Guacharo überrage<lb/> den Turimiquiri und den Brigantin.</p><lb/> <p>Die Savanne, über die wir zum indianiſchen Dorfe Santa<lb/> Cruz zogen, beſteht aus mehreren ſehr ebenen Plateaus, die<lb/> wie Stockwerke übereinander liegen. Dieſe geologiſche Er-<lb/> ſcheinung, die in allen Erdſtrichen vorkommt, ſcheint darauf<lb/> hinzudeuten, daß hier lange Zeit Waſſerbecken übereinander<lb/> lagen und ſich ineinander ergoſſen. Der Kalkſtein geht nicht<lb/> mehr zu Tage aus; er iſt mit einer dicken Schicht Dammerde<lb/> bedeckt. Wo wir ihn im Walde von Santa Maria zum letzten-<lb/> mal ſahen, fanden wir Neſter von Eiſenerz darin, und, wenn<lb/> wir recht geſehen haben, ein Ammonshorn; es gelang uns<lb/> aber nicht, es loszubrechen. Es maß 18 <hi rendition="#aq">cm</hi> im Durchmeſſer.<lb/> Dieſe Beobachtung iſt um ſo intereſſanter, als wir ſonſt in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [283/0299]
gefällig geweſen wären, und der Wald immer dichter zu werden
ſchien. Wir mußten uns trennen; die indianiſchen Führer,
welche die Chaymasſprache verſtanden, waren noch weit zurück,
da die beladenen Maultiere bei jedem Schritt in den Schluchten
ſtürzten.
Nach mehreren Stunden beſtändig abwärts über zerſtreute
Felsblöcke ſahen wir uns unerwartet am Ende des Waldes
von Santa Maria. So weit das Auge reichte, lag eine Gras-
flur vor uns, die ſich in der Regenzeit friſch begrünt hatte.
Links ſahen wir in ein enges Thal hinein, das ſich dem
Guacharogebirge zu zieht und im Hintergrunde mit dichtem
Walde bedeckt iſt. Der Blick ſtreifte über die Baumwipfel
weg, die 260 m tief unter dem Wege ſich wie ein hingebreiteter,
dunkelgrüner Teppich ausnahmen. Die Lichtungen im Walde
glichen großen Trichtern, in denen wir an der zierlichen Ge-
ſtalt und den gefiederten Blättern Praga- und Iraſſepalmen
erkannten. Vollends maleriſch wird die Landſchaft dadurch,
daß die Sierra del Guacharo vor einem liegt. Ihr nörd-
licher, dem Meerbuſen von Cariaco zugekehrter Abhang iſt
ſteil und bildet eine Felsmauer, ein faſt ſenkrechtes Profil,
über 970 m hoch. Dieſe Wand iſt ſo ſchwach bewachſen, daß
man die Linien der Kalkſchichten mit dem Auge verfolgen kann.
Der Gipfel der Sierra iſt abgeplattet und nur am Oſtende
erhebt ſich, gleich einer geneigten Pyramide, der majeſtätiſche
Pik Guacharo. Seine Geſtalt erinnert an die Aiguilles und
Hörner der Schweizer Alpen (Schreckhörner, Finſteraarhorn).
Da die meiſten Berge mit ſteilem Abhange höher ſcheinen,
als ſie wirklich ſind, ſo iſt es nicht zu verwundern, daß man
in den Miſſionen der Meinung iſt, der Guacharo überrage
den Turimiquiri und den Brigantin.
Die Savanne, über die wir zum indianiſchen Dorfe Santa
Cruz zogen, beſteht aus mehreren ſehr ebenen Plateaus, die
wie Stockwerke übereinander liegen. Dieſe geologiſche Er-
ſcheinung, die in allen Erdſtrichen vorkommt, ſcheint darauf
hinzudeuten, daß hier lange Zeit Waſſerbecken übereinander
lagen und ſich ineinander ergoſſen. Der Kalkſtein geht nicht
mehr zu Tage aus; er iſt mit einer dicken Schicht Dammerde
bedeckt. Wo wir ihn im Walde von Santa Maria zum letzten-
mal ſahen, fanden wir Neſter von Eiſenerz darin, und, wenn
wir recht geſehen haben, ein Ammonshorn; es gelang uns
aber nicht, es loszubrechen. Es maß 18 cm im Durchmeſſer.
Dieſe Beobachtung iſt um ſo intereſſanter, als wir ſonſt in
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