Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.starke Hitze verlangt, lieferte hier so wenig Farbstoff, daß man Solange wir uns in Caripe und in den anderen Mis- ſtarke Hitze verlangt, lieferte hier ſo wenig Farbſtoff, daß man Solange wir uns in Caripe und in den anderen Miſ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0278" n="262"/> ſtarke Hitze verlangt, lieferte hier ſo wenig Farbſtoff, daß man<lb/> es aufgab. Wir fanden im Gemeindeconuco viele Küchen-<lb/> kräuter, Mais, Zuckerrohr und fünftauſend Kaffeeſtämme, die<lb/> eine reiche Ernte verſprachen. Die Mönche hofften in wenigen<lb/> Jahren ihrer dreimal ſo viel zu haben. Man ſieht auch hier<lb/> wieder, wie die geiſtliche Hierarchie überall, wo ſie es mit den<lb/> Anfängen der Kultur zu thun hat, in derſelben Richtung ihre<lb/> Thätigkeit entwickelt. Wo die Klöſter es noch nicht zum Reich-<lb/> tum gebracht haben, auf dem neuen Kontinente wie in Gallien,<lb/> in Syrien wie im nördlichen Europa, überall wirken ſie höchſt<lb/> vorteilhaft auf die Urbarmachung des Bodens und die Ein-<lb/> führung fremdländiſcher Gewächſe. In Caripe ſtellt ſich der<lb/> Gemeindeconuco als ein großer, ſchöner Garten dar. Die<lb/> Eingeborenen ſind gehalten, jeden Morgen von ſechs bis<lb/> zehn Uhr darin zu arbeiten. Die Alkaden und Alguazile von<lb/> indianiſchem Blute führen dabei die Aufſicht. Es ſind das<lb/> die hohen Staatsbeamten, die allein einen Stock tragen dürfen<lb/> und vom Superior des Kloſters angeſtellt werden. Sie legen<lb/> auf jenes Recht ſehr großes Gewicht. Ihr pedantiſcher,<lb/> ſchweigſamer Ernſt, ihre kalte, geheimnisvolle Miene, der<lb/> Eifer, mit dem ſie in der Kirche und bei den Gemeinde-<lb/> verſammlungen repräſentieren, kommt den Europäern höchſt<lb/> luſtig vor. Wir waren an dieſe Züge im Charakter des<lb/> Indianers noch nicht gewöhnt, fanden ſie aber ſpäter gerade<lb/> ſo am Orinoko, in Mexiko und Peru bei Völkern von ſehr<lb/> verſchiedenen Sitten und Sprachen. Die Alkaden kamen alle<lb/> Tage ins Kloſter, nicht ſowohl um mit den Mönchen über<lb/> Angelegenheiten der Miſſion zu verhandeln, als unter dem<lb/> Vorwande, ſich nach dem Befinden der kürzlich angekommenen<lb/> Reiſenden zu erkundigen. Da wir ihnen Branntwein gaben,<lb/> wurden die Beſuche häufiger, als die Geiſtlichen gerne ſahen.</p><lb/> <p>Solange wir uns in Caripe und in den anderen Miſ-<lb/> ſionen der Chaymas aufhielten, ſahen wir die Indianer überall<lb/> milde behandeln. Im allgemeinen ſchien uns in den Miſſionen<lb/> der aragoneſiſchen Kapuziner grundſätzlich eine Ordnung und<lb/> eine Zucht zu herrſchen, wie ſie leider in der Neuen Welt<lb/> ſelten zu finden ſind. Mißbräuche, die mit dem allgemeinen<lb/> Geiſte aller klöſterlichen Anſtalten zuſammenhängen, dürfen<lb/> dem einzelnen Orden nicht zur Laſt gelegt werden. Der<lb/> Guardian des Kloſters verkauft den Ertrag des Gemeinde-<lb/> conuco, und da alle Indianer darin arbeiten, ſo haben auch<lb/> alle gleichen Teil am Gewinn. Mais, Kleidungsſtücke, Acker-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0278]
ſtarke Hitze verlangt, lieferte hier ſo wenig Farbſtoff, daß man
es aufgab. Wir fanden im Gemeindeconuco viele Küchen-
kräuter, Mais, Zuckerrohr und fünftauſend Kaffeeſtämme, die
eine reiche Ernte verſprachen. Die Mönche hofften in wenigen
Jahren ihrer dreimal ſo viel zu haben. Man ſieht auch hier
wieder, wie die geiſtliche Hierarchie überall, wo ſie es mit den
Anfängen der Kultur zu thun hat, in derſelben Richtung ihre
Thätigkeit entwickelt. Wo die Klöſter es noch nicht zum Reich-
tum gebracht haben, auf dem neuen Kontinente wie in Gallien,
in Syrien wie im nördlichen Europa, überall wirken ſie höchſt
vorteilhaft auf die Urbarmachung des Bodens und die Ein-
führung fremdländiſcher Gewächſe. In Caripe ſtellt ſich der
Gemeindeconuco als ein großer, ſchöner Garten dar. Die
Eingeborenen ſind gehalten, jeden Morgen von ſechs bis
zehn Uhr darin zu arbeiten. Die Alkaden und Alguazile von
indianiſchem Blute führen dabei die Aufſicht. Es ſind das
die hohen Staatsbeamten, die allein einen Stock tragen dürfen
und vom Superior des Kloſters angeſtellt werden. Sie legen
auf jenes Recht ſehr großes Gewicht. Ihr pedantiſcher,
ſchweigſamer Ernſt, ihre kalte, geheimnisvolle Miene, der
Eifer, mit dem ſie in der Kirche und bei den Gemeinde-
verſammlungen repräſentieren, kommt den Europäern höchſt
luſtig vor. Wir waren an dieſe Züge im Charakter des
Indianers noch nicht gewöhnt, fanden ſie aber ſpäter gerade
ſo am Orinoko, in Mexiko und Peru bei Völkern von ſehr
verſchiedenen Sitten und Sprachen. Die Alkaden kamen alle
Tage ins Kloſter, nicht ſowohl um mit den Mönchen über
Angelegenheiten der Miſſion zu verhandeln, als unter dem
Vorwande, ſich nach dem Befinden der kürzlich angekommenen
Reiſenden zu erkundigen. Da wir ihnen Branntwein gaben,
wurden die Beſuche häufiger, als die Geiſtlichen gerne ſahen.
Solange wir uns in Caripe und in den anderen Miſ-
ſionen der Chaymas aufhielten, ſahen wir die Indianer überall
milde behandeln. Im allgemeinen ſchien uns in den Miſſionen
der aragoneſiſchen Kapuziner grundſätzlich eine Ordnung und
eine Zucht zu herrſchen, wie ſie leider in der Neuen Welt
ſelten zu finden ſind. Mißbräuche, die mit dem allgemeinen
Geiſte aller klöſterlichen Anſtalten zuſammenhängen, dürfen
dem einzelnen Orden nicht zur Laſt gelegt werden. Der
Guardian des Kloſters verkauft den Ertrag des Gemeinde-
conuco, und da alle Indianer darin arbeiten, ſo haben auch
alle gleichen Teil am Gewinn. Mais, Kleidungsſtücke, Acker-
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