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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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warf, 1 während der Cuchivano ein Kalkberg ist in einer
Gegend, wo weit und breit keine Trappbildungen vorkommen.
Kann man jene Flammen etwa daraus erklären, daß das
Wasser, wenn es mit den Kiesen im Mergelschiefer in Be-
rührung kommt, zersetzt wird? Ist das Feuer, das aus den
Höhlen des Cuchivano kommt, brennendes Wasserstoffgas?
Das Wasser, das durch den Kalkstein sickert und durch die
Schwefelschichten zersetzt wird, und die Erdbeben von Cumana,
die Lager gediegenen Schwefels bei Carupano und die schweflig
sauren Dämpfe, die man zuweilen in den Savannen spürt:
zwischen all dem ließe sich leicht ein Zusammenhang denken;
es ist auch nicht zu bezweifeln, daß, wenn sich bei der starken
Affinität zwischen dem Eisenoxyd und den Erden bei hoher
Temperatur Wasser über Schwefelkiesen zersetzt, die Entbindung
von Wasserstoffgas erfolgen kann, welche mehrere neuere Geo-
logen eine so wichtige Rolle spielen lassen. Aber bei vul-
kanischen Ausbrüchen tritt weit konstanter schweflichte Säure
auf als Wasserstoff, und der Geruch, den man zuweilen bei
starken Erdstößen verspürt, ist vorzugsweise der Geruch von
schweflichter Säure. Ueberblickt man die vulkanischen Er-
scheinungen und die Erdbeben im ganzen, bedenkt man, in
welch ungeheuren Entfernungen sich die Stöße unter dem
Meeresboden fortpflanzen, so läßt man bald Erklärungen
fallen, die von unbedeutenden Schichten von Schwefelkies und
bituminösem Mergel ausgehen. Nach meiner Ansicht können
die Stöße, die man in der Provinz Cumana so häufig spürt,
so wenig den zu Tag ausgehenden Gebirgsarten zugeschrieben
werden, als die Stöße, welche die Apenninen erschüttern, As-
phaltadern oder brennenden Erdölquellen. Alle diese Er-
scheinungen hängen von allgemeineren, fast hätte ich gesagt,
tiefer liegenden Ursachen her, und der Herd der vulkanischen
Wirkungen ist nicht in den sekundären Gebirgsbildungen, aus
denen die äußere Erdrinde besteht, sondern in sehr bedeutender
Tiefe unter der Oberfläche in den Urgebirgsarten zu suchen.
Je weiter die Geologie fortschreitet, desto mehr sieht man ein,
wie wenig man mit den Theorieen ausrichtet, die sich auf
wenige, rein örtliche Beobachtungen gründen.

Nach Meridianhöhen des südlichen Fisches, die ich in der
Nacht vom 7. September beobachtet, liegt Cumanacoa unter

1 Albano monte biduum continenter lapidibus pluit. Li-
vius XXV,
7.

warf, 1 während der Cuchivano ein Kalkberg iſt in einer
Gegend, wo weit und breit keine Trappbildungen vorkommen.
Kann man jene Flammen etwa daraus erklären, daß das
Waſſer, wenn es mit den Kieſen im Mergelſchiefer in Be-
rührung kommt, zerſetzt wird? Iſt das Feuer, das aus den
Höhlen des Cuchivano kommt, brennendes Waſſerſtoffgas?
Das Waſſer, das durch den Kalkſtein ſickert und durch die
Schwefelſchichten zerſetzt wird, und die Erdbeben von Cumana,
die Lager gediegenen Schwefels bei Carupano und die ſchweflig
ſauren Dämpfe, die man zuweilen in den Savannen ſpürt:
zwiſchen all dem ließe ſich leicht ein Zuſammenhang denken;
es iſt auch nicht zu bezweifeln, daß, wenn ſich bei der ſtarken
Affinität zwiſchen dem Eiſenoxyd und den Erden bei hoher
Temperatur Waſſer über Schwefelkieſen zerſetzt, die Entbindung
von Waſſerſtoffgas erfolgen kann, welche mehrere neuere Geo-
logen eine ſo wichtige Rolle ſpielen laſſen. Aber bei vul-
kaniſchen Ausbrüchen tritt weit konſtanter ſchweflichte Säure
auf als Waſſerſtoff, und der Geruch, den man zuweilen bei
ſtarken Erdſtößen verſpürt, iſt vorzugsweiſe der Geruch von
ſchweflichter Säure. Ueberblickt man die vulkaniſchen Er-
ſcheinungen und die Erdbeben im ganzen, bedenkt man, in
welch ungeheuren Entfernungen ſich die Stöße unter dem
Meeresboden fortpflanzen, ſo läßt man bald Erklärungen
fallen, die von unbedeutenden Schichten von Schwefelkies und
bituminöſem Mergel ausgehen. Nach meiner Anſicht können
die Stöße, die man in der Provinz Cumana ſo häufig ſpürt,
ſo wenig den zu Tag ausgehenden Gebirgsarten zugeſchrieben
werden, als die Stöße, welche die Apenninen erſchüttern, As-
phaltadern oder brennenden Erdölquellen. Alle dieſe Er-
ſcheinungen hängen von allgemeineren, faſt hätte ich geſagt,
tiefer liegenden Urſachen her, und der Herd der vulkaniſchen
Wirkungen iſt nicht in den ſekundären Gebirgsbildungen, aus
denen die äußere Erdrinde beſteht, ſondern in ſehr bedeutender
Tiefe unter der Oberfläche in den Urgebirgsarten zu ſuchen.
Je weiter die Geologie fortſchreitet, deſto mehr ſieht man ein,
wie wenig man mit den Theorieen ausrichtet, die ſich auf
wenige, rein örtliche Beobachtungen gründen.

Nach Meridianhöhen des ſüdlichen Fiſches, die ich in der
Nacht vom 7. September beobachtet, liegt Cumanacoa unter

1 Albano monte biduum continenter lapidibus pluit. Li-
vius XXV,
7.
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[247/0263] warf, 1 während der Cuchivano ein Kalkberg iſt in einer Gegend, wo weit und breit keine Trappbildungen vorkommen. Kann man jene Flammen etwa daraus erklären, daß das Waſſer, wenn es mit den Kieſen im Mergelſchiefer in Be- rührung kommt, zerſetzt wird? Iſt das Feuer, das aus den Höhlen des Cuchivano kommt, brennendes Waſſerſtoffgas? Das Waſſer, das durch den Kalkſtein ſickert und durch die Schwefelſchichten zerſetzt wird, und die Erdbeben von Cumana, die Lager gediegenen Schwefels bei Carupano und die ſchweflig ſauren Dämpfe, die man zuweilen in den Savannen ſpürt: zwiſchen all dem ließe ſich leicht ein Zuſammenhang denken; es iſt auch nicht zu bezweifeln, daß, wenn ſich bei der ſtarken Affinität zwiſchen dem Eiſenoxyd und den Erden bei hoher Temperatur Waſſer über Schwefelkieſen zerſetzt, die Entbindung von Waſſerſtoffgas erfolgen kann, welche mehrere neuere Geo- logen eine ſo wichtige Rolle ſpielen laſſen. Aber bei vul- kaniſchen Ausbrüchen tritt weit konſtanter ſchweflichte Säure auf als Waſſerſtoff, und der Geruch, den man zuweilen bei ſtarken Erdſtößen verſpürt, iſt vorzugsweiſe der Geruch von ſchweflichter Säure. Ueberblickt man die vulkaniſchen Er- ſcheinungen und die Erdbeben im ganzen, bedenkt man, in welch ungeheuren Entfernungen ſich die Stöße unter dem Meeresboden fortpflanzen, ſo läßt man bald Erklärungen fallen, die von unbedeutenden Schichten von Schwefelkies und bituminöſem Mergel ausgehen. Nach meiner Anſicht können die Stöße, die man in der Provinz Cumana ſo häufig ſpürt, ſo wenig den zu Tag ausgehenden Gebirgsarten zugeſchrieben werden, als die Stöße, welche die Apenninen erſchüttern, As- phaltadern oder brennenden Erdölquellen. Alle dieſe Er- ſcheinungen hängen von allgemeineren, faſt hätte ich geſagt, tiefer liegenden Urſachen her, und der Herd der vulkaniſchen Wirkungen iſt nicht in den ſekundären Gebirgsbildungen, aus denen die äußere Erdrinde beſteht, ſondern in ſehr bedeutender Tiefe unter der Oberfläche in den Urgebirgsarten zu ſuchen. Je weiter die Geologie fortſchreitet, deſto mehr ſieht man ein, wie wenig man mit den Theorieen ausrichtet, die ſich auf wenige, rein örtliche Beobachtungen gründen. Nach Meridianhöhen des ſüdlichen Fiſches, die ich in der Nacht vom 7. September beobachtet, liegt Cumanacoa unter 1 Albano monte biduum continenter lapidibus pluit. Li- vius XXV, 7.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/263>, abgerufen am 27.04.2024.