geneigten, sehr niedrigen Dächer geben den Trockenkasten von weitem das Ansehen von Treibhäusern. Im Thale von Cumanacoa verläuft die Gärung des Krautes, das man "faulen" läßt, ungemein rasch. Sie währt meist nicht länger als 4 bis 5 Stunden. Dies kann nur von der Feuchtigkeit des Klimas herrühren und daher, daß während der Entwicke- lung der Pflanze die Sonne nicht scheint. Ich glaube auf meinen Reisen die Bemerkung gemacht zu haben, daß je trockener das Klima ist, die Kufe um so langsamer arbeitet und die Stengel zugleich desto mehr Indigo auf der niedersten Oxydationsstufe enthalten. In der Provinz Caracas, wo 562 Kubikfuß locker aufgeschichteten Krautes 18 bis 20 kg trockenen Indigo geben, kommt die Flüssigkeit erst nach 20, 30 oder 35 Stunden in die Stampfe. Wahrscheinlich er- hielten die Einwohner von Cumanacoa mehr Farbstoff aus dem Kraute, wenn sie dasselbe länger in der ersten Kufe weichen ließen. Ich habe während meines Aufenthaltes in Cumana den etwas schweren kupferfarbigen Indigo von Cumanacoa und den von Caracas zur Vergleichung in Schwefelsäure aufgelöst, und die Auflösung des ersteren schien mir weit satter blau.
Trotz der ausgezeichneten Beschaffenheit der Produkte und der Fruchtbarkeit des Bodens ist der Landbau in Cu- manacoa noch völlig in der Kindheit. Arenas, San Fer- nando und Cumanacoa bringen in den Handel nur 1500 kg Indigo, der im Lande 4500 Piaster wert ist. Es fehlt an Menschenhänden und die schwache Bevölkerung nimmt durch die Auswanderung in die Llanos täglich ab. Diese uner- meßlichen Savannen nähren den Menschen reichlich, weil sich das Vieh dort so leicht vermehrt, während der Indigo- und Tabaksbau viel Sorge und Mühe macht. Der Ertrag des letzteren ist desto unsicherer, da die Regenzeit bald länger, bald kürzer dauert. Die Pflanzer sind von der königlichen Pacht, die ihnen Vorschüsse macht, völlig abhängig, und hier, wie in Georgien und Virginien, baut man lieber Nahrungs- gewächse als Tabak. Man hatte neuerdings der Regierung den Vorschlag gemacht, auf königliche Kosten 500 Neger an- zuschaffen und sie den Pflanzern abzugeben, die imstande wären, in 2 oder 3 Jahren den Ankaufspreis abzutragen. Dadurch hoffte man die jährliche Tabaksernte auf 15000 Arobas zu bringen. Zu meiner Freude habe ich viele Grund- eigentümer sich gegen dieses Projekt aussprechen hören. Es
geneigten, ſehr niedrigen Dächer geben den Trockenkaſten von weitem das Anſehen von Treibhäuſern. Im Thale von Cumanacoa verläuft die Gärung des Krautes, das man „faulen“ läßt, ungemein raſch. Sie währt meiſt nicht länger als 4 bis 5 Stunden. Dies kann nur von der Feuchtigkeit des Klimas herrühren und daher, daß während der Entwicke- lung der Pflanze die Sonne nicht ſcheint. Ich glaube auf meinen Reiſen die Bemerkung gemacht zu haben, daß je trockener das Klima iſt, die Kufe um ſo langſamer arbeitet und die Stengel zugleich deſto mehr Indigo auf der niederſten Oxydationsſtufe enthalten. In der Provinz Caracas, wo 562 Kubikfuß locker aufgeſchichteten Krautes 18 bis 20 kg trockenen Indigo geben, kommt die Flüſſigkeit erſt nach 20, 30 oder 35 Stunden in die Stampfe. Wahrſcheinlich er- hielten die Einwohner von Cumanacoa mehr Farbſtoff aus dem Kraute, wenn ſie dasſelbe länger in der erſten Kufe weichen ließen. Ich habe während meines Aufenthaltes in Cumana den etwas ſchweren kupferfarbigen Indigo von Cumanacoa und den von Caracas zur Vergleichung in Schwefelſäure aufgelöſt, und die Auflöſung des erſteren ſchien mir weit ſatter blau.
Trotz der ausgezeichneten Beſchaffenheit der Produkte und der Fruchtbarkeit des Bodens iſt der Landbau in Cu- manacoa noch völlig in der Kindheit. Arenas, San Fer- nando und Cumanacoa bringen in den Handel nur 1500 kg Indigo, der im Lande 4500 Piaſter wert iſt. Es fehlt an Menſchenhänden und die ſchwache Bevölkerung nimmt durch die Auswanderung in die Llanos täglich ab. Dieſe uner- meßlichen Savannen nähren den Menſchen reichlich, weil ſich das Vieh dort ſo leicht vermehrt, während der Indigo- und Tabaksbau viel Sorge und Mühe macht. Der Ertrag des letzteren iſt deſto unſicherer, da die Regenzeit bald länger, bald kürzer dauert. Die Pflanzer ſind von der königlichen Pacht, die ihnen Vorſchüſſe macht, völlig abhängig, und hier, wie in Georgien und Virginien, baut man lieber Nahrungs- gewächſe als Tabak. Man hatte neuerdings der Regierung den Vorſchlag gemacht, auf königliche Koſten 500 Neger an- zuſchaffen und ſie den Pflanzern abzugeben, die imſtande wären, in 2 oder 3 Jahren den Ankaufspreis abzutragen. Dadurch hoffte man die jährliche Tabaksernte auf 15000 Arobas zu bringen. Zu meiner Freude habe ich viele Grund- eigentümer ſich gegen dieſes Projekt ausſprechen hören. Es
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geneigten, ſehr niedrigen Dächer geben den Trockenkaſten von
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Cumanacoa verläuft die Gärung des Krautes, das man
„faulen“ läßt, ungemein raſch. Sie währt meiſt nicht länger
als 4 bis 5 Stunden. Dies kann nur von der Feuchtigkeit
des Klimas herrühren und daher, daß während der Entwicke-
lung der Pflanze die Sonne nicht ſcheint. Ich glaube auf
meinen Reiſen die Bemerkung gemacht zu haben, daß je
trockener das Klima iſt, die Kufe um ſo langſamer arbeitet
und die Stengel zugleich deſto mehr Indigo auf der niederſten
Oxydationsſtufe enthalten. In der Provinz Caracas, wo
562 Kubikfuß locker aufgeſchichteten Krautes 18 bis 20 kg
trockenen Indigo geben, kommt die Flüſſigkeit erſt nach 20,
30 oder 35 Stunden in die Stampfe. Wahrſcheinlich er-
hielten die Einwohner von Cumanacoa mehr Farbſtoff aus
dem Kraute, wenn ſie dasſelbe länger in der erſten Kufe weichen
ließen. Ich habe während meines Aufenthaltes in Cumana
den etwas ſchweren kupferfarbigen Indigo von Cumanacoa
und den von Caracas zur Vergleichung in Schwefelſäure
aufgelöſt, und die Auflöſung des erſteren ſchien mir weit
ſatter blau.
Trotz der ausgezeichneten Beſchaffenheit der Produkte
und der Fruchtbarkeit des Bodens iſt der Landbau in Cu-
manacoa noch völlig in der Kindheit. Arenas, San Fer-
nando und Cumanacoa bringen in den Handel nur 1500 kg
Indigo, der im Lande 4500 Piaſter wert iſt. Es fehlt an
Menſchenhänden und die ſchwache Bevölkerung nimmt durch
die Auswanderung in die Llanos täglich ab. Dieſe uner-
meßlichen Savannen nähren den Menſchen reichlich, weil ſich
das Vieh dort ſo leicht vermehrt, während der Indigo- und
Tabaksbau viel Sorge und Mühe macht. Der Ertrag des
letzteren iſt deſto unſicherer, da die Regenzeit bald länger,
bald kürzer dauert. Die Pflanzer ſind von der königlichen
Pacht, die ihnen Vorſchüſſe macht, völlig abhängig, und hier,
wie in Georgien und Virginien, baut man lieber Nahrungs-
gewächſe als Tabak. Man hatte neuerdings der Regierung
den Vorſchlag gemacht, auf königliche Koſten 500 Neger an-
zuſchaffen und ſie den Pflanzern abzugeben, die imſtande
wären, in 2 oder 3 Jahren den Ankaufspreis abzutragen.
Dadurch hoffte man die jährliche Tabaksernte auf 15000
Arobas zu bringen. Zu meiner Freude habe ich viele Grund-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/255>, abgerufen am 28.04.2024.
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