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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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ab und dreht sie zu Strängen. Der zubereitete Tabak sollte
im Juni in die königlichen Magazine geschafft werden, aber
aus Faulheit und weil sie dem Bau des Mais und des
Manioc mehr Aufmerksamkeit schenken, machen die Leute den
Tabak selten vor August fertig. Begreiflich verlieren die
Blätter an Arom, wenn sie zu lange der feuchten Luft aus-
gesetzt bleiben. Der Verwalter läßt den Tabak 60 Tage
unberührt in den königlichen Magazinen liegen; dann schneidet
man die Bündel auf, um die Qualität zu prüfen. Findet
der Verwalter den Tabak gut zubereitet, so bezahlt er dem
Pflanzer für die Aroba von 12,5 kg 3 Piaster. Dasselbe
Gewicht wird auf Rechnung der Krone für 121/2 Piaster
wieder verkauft. Der faule (potrido) Tabak, d. h. der
noch einmal gegärt hat, wird öffentlich verbrannt, und der
Pflanzer, der von der königlichen Pacht Vorschüsse erhalten
hat, kommt unwiderruflich um die Früchte seiner langen
Arbeit. Wir sahen auf dem großen Platze Haufen von 500
Arobas vernichten, aus denen man in Europa sicher Schnupf-
tabak gemacht hätte.

Der Boden von Cumanacoa eignet sich für diesen Kul-
turzweig so ausgezeichnet, daß der Tabak überall, wo der
Same Feuchtigkeit findet, wild wächst. So kommt er beim
Cerro del Cuchivano und bei der Höhle von Caripe vor. In
Cumanacoa, wie in den benachbarten Distrikten von Aricagua
und San Lorenzo, wird übrigens nur die Tabaksart mit
großen sitzenden Blättern, der sogenannte virginische Tabak, 1
gebaut. Ganz unbekannt ist der Tabak mit gestielten Blät-
tern, 2 der eigentliche Yetl der alten Mexikaner, den man
in Deutschland sonderbarerweise türkischen Tabak nennt.

Wäre der Tabaksbau frei, so könnte die Provinz Cumana
einen großen Teil von Europa damit versehen; ja, andere
Distrikte scheinen sich für die Erzeugung dieser Kolonialware
ganz so gut zu eignen wie das Thal von Cumanacoa, wo
der übermäßige Regen nicht selten dem Arom der Blätter
Eintrag thut. Gegenwärtig, wo der Tabaksbau auf ein paar
Quadratkilometer beschränkt ist, beträgt der ganze Ertrag der
Ernte nur 6000 Arobas. Die beiden Provinzen Cumana
und Barcelona verbrauchen aber 12000, und der Ausfall
wird aus dem spanischen Guyana gedeckt. In der Gegend

1 Nicotiana Tabacum.
2 Nicotiana rustica.

ab und dreht ſie zu Strängen. Der zubereitete Tabak ſollte
im Juni in die königlichen Magazine geſchafft werden, aber
aus Faulheit und weil ſie dem Bau des Mais und des
Manioc mehr Aufmerkſamkeit ſchenken, machen die Leute den
Tabak ſelten vor Auguſt fertig. Begreiflich verlieren die
Blätter an Arom, wenn ſie zu lange der feuchten Luft aus-
geſetzt bleiben. Der Verwalter läßt den Tabak 60 Tage
unberührt in den königlichen Magazinen liegen; dann ſchneidet
man die Bündel auf, um die Qualität zu prüfen. Findet
der Verwalter den Tabak gut zubereitet, ſo bezahlt er dem
Pflanzer für die Aroba von 12,5 kg 3 Piaſter. Dasſelbe
Gewicht wird auf Rechnung der Krone für 12½ Piaſter
wieder verkauft. Der faule (potrido) Tabak, d. h. der
noch einmal gegärt hat, wird öffentlich verbrannt, und der
Pflanzer, der von der königlichen Pacht Vorſchüſſe erhalten
hat, kommt unwiderruflich um die Früchte ſeiner langen
Arbeit. Wir ſahen auf dem großen Platze Haufen von 500
Arobas vernichten, aus denen man in Europa ſicher Schnupf-
tabak gemacht hätte.

Der Boden von Cumanacoa eignet ſich für dieſen Kul-
turzweig ſo ausgezeichnet, daß der Tabak überall, wo der
Same Feuchtigkeit findet, wild wächſt. So kommt er beim
Cerro del Cuchivano und bei der Höhle von Caripe vor. In
Cumanacoa, wie in den benachbarten Diſtrikten von Aricagua
und San Lorenzo, wird übrigens nur die Tabaksart mit
großen ſitzenden Blättern, der ſogenannte virginiſche Tabak, 1
gebaut. Ganz unbekannt iſt der Tabak mit geſtielten Blät-
tern, 2 der eigentliche Yetl der alten Mexikaner, den man
in Deutſchland ſonderbarerweiſe türkiſchen Tabak nennt.

Wäre der Tabaksbau frei, ſo könnte die Provinz Cumana
einen großen Teil von Europa damit verſehen; ja, andere
Diſtrikte ſcheinen ſich für die Erzeugung dieſer Kolonialware
ganz ſo gut zu eignen wie das Thal von Cumanacoa, wo
der übermäßige Regen nicht ſelten dem Arom der Blätter
Eintrag thut. Gegenwärtig, wo der Tabaksbau auf ein paar
Quadratkilometer beſchränkt iſt, beträgt der ganze Ertrag der
Ernte nur 6000 Arobas. Die beiden Provinzen Cumana
und Barcelona verbrauchen aber 12000, und der Ausfall
wird aus dem ſpaniſchen Guyana gedeckt. In der Gegend

1 Nicotiana Tabacum.
2 Nicotiana rustica.
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[237/0253] ab und dreht ſie zu Strängen. Der zubereitete Tabak ſollte im Juni in die königlichen Magazine geſchafft werden, aber aus Faulheit und weil ſie dem Bau des Mais und des Manioc mehr Aufmerkſamkeit ſchenken, machen die Leute den Tabak ſelten vor Auguſt fertig. Begreiflich verlieren die Blätter an Arom, wenn ſie zu lange der feuchten Luft aus- geſetzt bleiben. Der Verwalter läßt den Tabak 60 Tage unberührt in den königlichen Magazinen liegen; dann ſchneidet man die Bündel auf, um die Qualität zu prüfen. Findet der Verwalter den Tabak gut zubereitet, ſo bezahlt er dem Pflanzer für die Aroba von 12,5 kg 3 Piaſter. Dasſelbe Gewicht wird auf Rechnung der Krone für 12½ Piaſter wieder verkauft. Der faule (potrido) Tabak, d. h. der noch einmal gegärt hat, wird öffentlich verbrannt, und der Pflanzer, der von der königlichen Pacht Vorſchüſſe erhalten hat, kommt unwiderruflich um die Früchte ſeiner langen Arbeit. Wir ſahen auf dem großen Platze Haufen von 500 Arobas vernichten, aus denen man in Europa ſicher Schnupf- tabak gemacht hätte. Der Boden von Cumanacoa eignet ſich für dieſen Kul- turzweig ſo ausgezeichnet, daß der Tabak überall, wo der Same Feuchtigkeit findet, wild wächſt. So kommt er beim Cerro del Cuchivano und bei der Höhle von Caripe vor. In Cumanacoa, wie in den benachbarten Diſtrikten von Aricagua und San Lorenzo, wird übrigens nur die Tabaksart mit großen ſitzenden Blättern, der ſogenannte virginiſche Tabak, 1 gebaut. Ganz unbekannt iſt der Tabak mit geſtielten Blät- tern, 2 der eigentliche Yetl der alten Mexikaner, den man in Deutſchland ſonderbarerweiſe türkiſchen Tabak nennt. Wäre der Tabaksbau frei, ſo könnte die Provinz Cumana einen großen Teil von Europa damit verſehen; ja, andere Diſtrikte ſcheinen ſich für die Erzeugung dieſer Kolonialware ganz ſo gut zu eignen wie das Thal von Cumanacoa, wo der übermäßige Regen nicht ſelten dem Arom der Blätter Eintrag thut. Gegenwärtig, wo der Tabaksbau auf ein paar Quadratkilometer beſchränkt iſt, beträgt der ganze Ertrag der Ernte nur 6000 Arobas. Die beiden Provinzen Cumana und Barcelona verbrauchen aber 12000, und der Ausfall wird aus dem ſpaniſchen Guyana gedeckt. In der Gegend 1 Nicotiana Tabacum. 2 Nicotiana rustica.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/253>, abgerufen am 22.11.2024.