Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.ist nicht vom kupferfarbigen Stamm der Chaymas, er ist ein Es gibt unter den mancherlei Spielarten unseres Ge- Ueberblickt man die Lebenserscheinungen in ihrer Ge- 1 Aristoteles, Historia animalium Lib. III, c. 20.
iſt nicht vom kupferfarbigen Stamm der Chaymas, er iſt ein Es gibt unter den mancherlei Spielarten unſeres Ge- Ueberblickt man die Lebenserſcheinungen in ihrer Ge- 1 Aristoteles, Historia animalium Lib. III, c. 20.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="232"/> iſt nicht vom kupferfarbigen Stamm der Chaymas, er iſt ein<lb/> Weißer von europäiſchem Blut. Ferner haben Petersburger<lb/> Anatomen die Beobachtung gemacht, daß Milch in den Brüſten<lb/> der Männer beim niederen ruſſiſchen Volke weit häufiger vor-<lb/> kommt, als bei ſüdlicheren Völkern, und die Ruſſen haben<lb/> nie für ſchwächlich und weibiſch gegolten.</p><lb/> <p>Es gibt unter den mancherlei Spielarten unſeres Ge-<lb/> ſchlechtes eine, bei der der Buſen zur Zeit der Mannbarkeit<lb/> einen anſehnlichen Umfang erhält. Lozano gehörte nicht dazu,<lb/> und er verſicherte uns wiederholt, erſt durch die Reizung der<lb/> Bruſt infolge des Saugens ſei bei ihm die Milch gekommen.<lb/> Dadurch wird beſtätigt, was die Alten beobachtet haben:<lb/> „Männer, die etwas Milch haben, geben ihrer in Menge,<lb/> ſobald man an den Brüſten ſaugt.“ <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Aristoteles, Historia animalium Lib. III, c.</hi> 20.</note> Dieſe ſonderbare Wir-<lb/> kung eines Nervenreizes war den griechiſchen Schäfern bekannt;<lb/> die auf dem Berge Oeta rieben den Ziegen, die noch nicht<lb/> geworfen hatten, die Euter mit Neſſeln, um die Milch her-<lb/> beizulocken.</p><lb/> <p>Ueberblickt man die Lebenserſcheinungen in ihrer Ge-<lb/> ſamtheit, ſo zeigt ſich, daß keine ganz für ſich allein ſteht.<lb/> In allen Jahrhunderten werden Beiſpiele erzählt von jungen,<lb/> nicht mannbaren Mädchen oder von bejahrten Weibern mit<lb/> eingeſchrumpften Brüſten, welche Kinder ſäugten. Bei Männern<lb/> kommt ſolches weit ſeltener vor, und nach vielem Suchen<lb/> habe ich kaum zwei oder drei Fälle finden können. Einer<lb/> wird vom veroneſiſchen Anatomen Alexander Benedictus an-<lb/> geführt, der am Ende des 15. Jahrhunderts lebte. Er er-<lb/> zählt, ein Syrier habe nach dem Tode der Mutter ſein Kind,<lb/> um es zu beſchwichtigen, an die Bruſt gedrückt. Sofort ſchoß<lb/> die Milch ſo ſtark ein, daß der Vater ſein Kind allein ſäugen<lb/> konnte. Andere Beiſpiele werden von Santorellus, Feria und<lb/> Robert, Biſchof von Cork, berichtet. Da die meiſten dieſer<lb/> Fälle ziemlich entlegenen Zeiten angehören, iſt es von In-<lb/> tereſſe für die Phyſiologie, daß die Erſcheinung zu unſerer<lb/> Zeit beſtätigt werden konnte. Sie hängt übrigens genau mit<lb/> dem Streit über die Endurſachen zuſammen. Daß auch der<lb/> Mann Brüſte hat, iſt den Philoſophen lange ein Stein des<lb/> Anſtoßes geweſen, und noch neuerdings hat man geradezu<lb/> behauptet: „Die Natur habe die Fähigkeit zu ſäugen dem einen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0248]
iſt nicht vom kupferfarbigen Stamm der Chaymas, er iſt ein
Weißer von europäiſchem Blut. Ferner haben Petersburger
Anatomen die Beobachtung gemacht, daß Milch in den Brüſten
der Männer beim niederen ruſſiſchen Volke weit häufiger vor-
kommt, als bei ſüdlicheren Völkern, und die Ruſſen haben
nie für ſchwächlich und weibiſch gegolten.
Es gibt unter den mancherlei Spielarten unſeres Ge-
ſchlechtes eine, bei der der Buſen zur Zeit der Mannbarkeit
einen anſehnlichen Umfang erhält. Lozano gehörte nicht dazu,
und er verſicherte uns wiederholt, erſt durch die Reizung der
Bruſt infolge des Saugens ſei bei ihm die Milch gekommen.
Dadurch wird beſtätigt, was die Alten beobachtet haben:
„Männer, die etwas Milch haben, geben ihrer in Menge,
ſobald man an den Brüſten ſaugt.“ 1 Dieſe ſonderbare Wir-
kung eines Nervenreizes war den griechiſchen Schäfern bekannt;
die auf dem Berge Oeta rieben den Ziegen, die noch nicht
geworfen hatten, die Euter mit Neſſeln, um die Milch her-
beizulocken.
Ueberblickt man die Lebenserſcheinungen in ihrer Ge-
ſamtheit, ſo zeigt ſich, daß keine ganz für ſich allein ſteht.
In allen Jahrhunderten werden Beiſpiele erzählt von jungen,
nicht mannbaren Mädchen oder von bejahrten Weibern mit
eingeſchrumpften Brüſten, welche Kinder ſäugten. Bei Männern
kommt ſolches weit ſeltener vor, und nach vielem Suchen
habe ich kaum zwei oder drei Fälle finden können. Einer
wird vom veroneſiſchen Anatomen Alexander Benedictus an-
geführt, der am Ende des 15. Jahrhunderts lebte. Er er-
zählt, ein Syrier habe nach dem Tode der Mutter ſein Kind,
um es zu beſchwichtigen, an die Bruſt gedrückt. Sofort ſchoß
die Milch ſo ſtark ein, daß der Vater ſein Kind allein ſäugen
konnte. Andere Beiſpiele werden von Santorellus, Feria und
Robert, Biſchof von Cork, berichtet. Da die meiſten dieſer
Fälle ziemlich entlegenen Zeiten angehören, iſt es von In-
tereſſe für die Phyſiologie, daß die Erſcheinung zu unſerer
Zeit beſtätigt werden konnte. Sie hängt übrigens genau mit
dem Streit über die Endurſachen zuſammen. Daß auch der
Mann Brüſte hat, iſt den Philoſophen lange ein Stein des
Anſtoßes geweſen, und noch neuerdings hat man geradezu
behauptet: „Die Natur habe die Fähigkeit zu ſäugen dem einen
1 Aristoteles, Historia animalium Lib. III, c. 20.
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