Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.und Sörsele, unter dem 65. Breitegrad, erfrischen sich an Auf einem Sandsteinhügel über der Quelle hatten wir Weiter gegen Südwest wird der Boden dürr und sandig; und Sörſele, unter dem 65. Breitegrad, erfriſchen ſich an Auf einem Sandſteinhügel über der Quelle hatten wir Weiter gegen Südweſt wird der Boden dürr und ſandig; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0236" n="220"/> und Sörſele, unter dem 65. Breitegrad, erfriſchen ſich an<lb/> Quellen, deren Temperatur im Auguſt kaum 2 bis 3° über<lb/> dem Frierpunkt ſteht, während bei Tage die Luftwärme im<lb/> Schatten auf 26 oder 27° ſteigt. In unſeren gemäßigten<lb/> Landſtrichen, in Frankreich und Deutſchland, iſt der Abſtand<lb/> zwiſchen der Luft und den Quellen niemals über 16 bis 17°,<lb/> und unter den Tropen ſteigt er ſelten auf 6 bis 7°. Man<lb/> gibt ſich leicht Rechenſchaft von dieſen Erſcheinungen, wenn<lb/> man weiß, daß die Temperatur in der Tiefe des Bodens<lb/> und die der unterirdiſchen Quellen faſt ganz übereinkommt<lb/> mit der mittleren Jahrestemperatur der Luft, und daß dieſe<lb/> von der mittleren Sommerwärme deſto mehr abweicht, je<lb/> mehr man ſich vom Aequator entfernt. — Die magnetiſche<lb/> Inklination war in Quetepe 40,7° der hundertteiligen Skale,<lb/> der Cyanometer gab das Blau des Himmels im Zenith nur<lb/> zu 14° an, ohne Zweifel weil die Regenzeit ſeit mehreren<lb/> Tagen begonnen und die Luft bereits Waſſerdunſt aufge-<lb/> nommen hatte.</p><lb/> <p>Auf einem Sandſteinhügel über der Quelle hatten wir<lb/> eine prachtvolle Ausſicht auf das Meer, das Vorgebirge Ma-<lb/> canao und die Halbinſel Maniquarez. Ein ungeheurer Wald<lb/> breitete ſich zu unſeren Füßen bis zum Ozean hinab; die<lb/> Baumwipfel mit Lianen behangen, mit langen Blütenbüſcheln<lb/> gekrönt, bildeten einen ungeheuren grünen Teppich, deſſen<lb/> tiefdunkle Färbung das Licht in der Luft noch glänzender<lb/> erſcheinen ließ. Dieſer Anblick ergriff uns um ſo mehr, da<lb/> uns hier zum erſtenmal die Vegetation der Tropen in ihrer<lb/> Maſſenhaftigkeit entgegentrat. Auf dem Hügel von Quetepe,<lb/> unter den Stämmen von <hi rendition="#aq">Malpighia corolloboefolia</hi> mit ſtark<lb/> lederartigen Blättern, in Gebüſchen von <hi rendition="#aq">Polygala montana,</hi><lb/> brachen wir die erſten Melaſtomen, namentlich die ſchöne Art,<lb/> die unter dem Namen <hi rendition="#aq">Melastoma rufescens</hi> beſchrieben wor-<lb/> den. Dieſer Ausſichtspunkt wird uns lange im Gedächtnis<lb/> bleiben; der Reiſende behält die Orte lieb, wo er zuerſt ein<lb/> Pflanzengeſchlecht angetroffen, das er bis dahin nie wild<lb/> wachſend geſehen.</p><lb/> <p>Weiter gegen Südweſt wird der Boden dürr und ſandig;<lb/> wir erſtiegen eine ziemlich hohe Berggruppe, welche die Küſte<lb/> von den großen Ebenen oder Savannen an den Ufern des<lb/> Orinoko trennt. Der Teil dieſer Berggruppe, durch den der<lb/> Weg nach Cumanacoa läuft, iſt pflanzenlos und fällt gegen<lb/> Nord und Süd ſteil ab. Er führt den Namen <hi rendition="#g">Impoſible</hi>,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0236]
und Sörſele, unter dem 65. Breitegrad, erfriſchen ſich an
Quellen, deren Temperatur im Auguſt kaum 2 bis 3° über
dem Frierpunkt ſteht, während bei Tage die Luftwärme im
Schatten auf 26 oder 27° ſteigt. In unſeren gemäßigten
Landſtrichen, in Frankreich und Deutſchland, iſt der Abſtand
zwiſchen der Luft und den Quellen niemals über 16 bis 17°,
und unter den Tropen ſteigt er ſelten auf 6 bis 7°. Man
gibt ſich leicht Rechenſchaft von dieſen Erſcheinungen, wenn
man weiß, daß die Temperatur in der Tiefe des Bodens
und die der unterirdiſchen Quellen faſt ganz übereinkommt
mit der mittleren Jahrestemperatur der Luft, und daß dieſe
von der mittleren Sommerwärme deſto mehr abweicht, je
mehr man ſich vom Aequator entfernt. — Die magnetiſche
Inklination war in Quetepe 40,7° der hundertteiligen Skale,
der Cyanometer gab das Blau des Himmels im Zenith nur
zu 14° an, ohne Zweifel weil die Regenzeit ſeit mehreren
Tagen begonnen und die Luft bereits Waſſerdunſt aufge-
nommen hatte.
Auf einem Sandſteinhügel über der Quelle hatten wir
eine prachtvolle Ausſicht auf das Meer, das Vorgebirge Ma-
canao und die Halbinſel Maniquarez. Ein ungeheurer Wald
breitete ſich zu unſeren Füßen bis zum Ozean hinab; die
Baumwipfel mit Lianen behangen, mit langen Blütenbüſcheln
gekrönt, bildeten einen ungeheuren grünen Teppich, deſſen
tiefdunkle Färbung das Licht in der Luft noch glänzender
erſcheinen ließ. Dieſer Anblick ergriff uns um ſo mehr, da
uns hier zum erſtenmal die Vegetation der Tropen in ihrer
Maſſenhaftigkeit entgegentrat. Auf dem Hügel von Quetepe,
unter den Stämmen von Malpighia corolloboefolia mit ſtark
lederartigen Blättern, in Gebüſchen von Polygala montana,
brachen wir die erſten Melaſtomen, namentlich die ſchöne Art,
die unter dem Namen Melastoma rufescens beſchrieben wor-
den. Dieſer Ausſichtspunkt wird uns lange im Gedächtnis
bleiben; der Reiſende behält die Orte lieb, wo er zuerſt ein
Pflanzengeſchlecht angetroffen, das er bis dahin nie wild
wachſend geſehen.
Weiter gegen Südweſt wird der Boden dürr und ſandig;
wir erſtiegen eine ziemlich hohe Berggruppe, welche die Küſte
von den großen Ebenen oder Savannen an den Ufern des
Orinoko trennt. Der Teil dieſer Berggruppe, durch den der
Weg nach Cumanacoa läuft, iſt pflanzenlos und fällt gegen
Nord und Süd ſteil ab. Er führt den Namen Impoſible,
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