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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Am 4. September um 5 Uhr morgens brachen wir zu
unserem Ausflug zu den Chaymasindianern und in die hohe
Gebirgsgruppe von Neuandalusien auf. Man hatte uns
geraten, wegen der sehr beschwerlichen Wege unser Gepäck
möglichst zu beschränken. Zwei Lasttiere reichten auch hin,
unseren Mundvorrat, unsere Instrumente und das nötige Papier
zum Pflanzentrocknen zu tragen. In derselben Kiste waren
ein Sextant, ein Inklinationskompaß, ein Apparat zur Er-
mittelung der magnetischen Deklination, Thermometer und
ein Saussurescher Hygrometer. Auf diese Instrumente be-
schränkten wir uns bei kleineren Ausflügen immer. Mit dem
Barometer mußte noch vorsichtiger umgegangen werden als
mit dem Chronometer, und ich bemerke hier, daß kein In-
strument dem Reisenden mehr Last und Sorge macht. Wir
ließen ihn in den fünf Jahren von einem Führer tragen, der
uns zu Fuß begleitete, aber selbst diese ziemlich kostspielige
Vorsicht schützte ihn nicht immer vor Beschädigung. Nachdem
wir die Zeiten von Ebbe und Flut im Luftmeere genau
beobachtet, das heißt die Stunden, zu denen der Barometer
unter den Tropen täglich regelmäßig steigt und fällt, sahen
wir ein, daß wir das Relief des Landes mittels des Baro-
meters würden aufnehmen können, ohne korrespondierende
Beobachtungen in Cumana zu Hilfe zu nehmen. Die größten
Schwankungen im Luftdruck betragen in diesem Klima an der
Küste nur 2 bis 2,6 mm, und hat man ein einziges Mal,
an welchem Orte und zu welcher Stunde es sei, die Queck-
silberhöhe beobachtet, so lassen sich mit ziemlicher Wahrschein-
keit die Abweichungen von diesem Stande das ganze Jahr
hindurch und zu allen Stunden des Tages und der Nacht
angeben. Es ergibt sich daraus, das im heißen Erdstrich
durch den Mangel an korrespondierenden Beobachtungen nicht
leicht Fehler entstehen können, die mehr als 24 bis 30 m
ausmachen, was wenig zu bedeuten hat, wenn es sich von
geologischen Aufnahmen, oder vom Einfluß der Höhe auf
das Klima und die Verteilung der Gewächse handelt.

Der Morgen war köstlich kühl. Der Weg oder vielmehr
der Fußpfad nach Cumanacoa führt am rechten Ufer des
Manzanares hin über das Kapuzinerhospiz, das in einem
kleinen Gehölze von Gayacbäumen und baumartigen Capparis
liegt. Nachdem wir von Cumana aufgebrochen, hatten wir
auf dem Hügel von San Francisco in der kurzen Morgen-
dämmerung eine weite Aussicht über die See, über die mit

Am 4. September um 5 Uhr morgens brachen wir zu
unſerem Ausflug zu den Chaymasindianern und in die hohe
Gebirgsgruppe von Neuandaluſien auf. Man hatte uns
geraten, wegen der ſehr beſchwerlichen Wege unſer Gepäck
möglichſt zu beſchränken. Zwei Laſttiere reichten auch hin,
unſeren Mundvorrat, unſere Inſtrumente und das nötige Papier
zum Pflanzentrocknen zu tragen. In derſelben Kiſte waren
ein Sextant, ein Inklinationskompaß, ein Apparat zur Er-
mittelung der magnetiſchen Deklination, Thermometer und
ein Sauſſureſcher Hygrometer. Auf dieſe Inſtrumente be-
ſchränkten wir uns bei kleineren Ausflügen immer. Mit dem
Barometer mußte noch vorſichtiger umgegangen werden als
mit dem Chronometer, und ich bemerke hier, daß kein In-
ſtrument dem Reiſenden mehr Laſt und Sorge macht. Wir
ließen ihn in den fünf Jahren von einem Führer tragen, der
uns zu Fuß begleitete, aber ſelbſt dieſe ziemlich koſtſpielige
Vorſicht ſchützte ihn nicht immer vor Beſchädigung. Nachdem
wir die Zeiten von Ebbe und Flut im Luftmeere genau
beobachtet, das heißt die Stunden, zu denen der Barometer
unter den Tropen täglich regelmäßig ſteigt und fällt, ſahen
wir ein, daß wir das Relief des Landes mittels des Baro-
meters würden aufnehmen können, ohne korreſpondierende
Beobachtungen in Cumana zu Hilfe zu nehmen. Die größten
Schwankungen im Luftdruck betragen in dieſem Klima an der
Küſte nur 2 bis 2,6 mm, und hat man ein einziges Mal,
an welchem Orte und zu welcher Stunde es ſei, die Queck-
ſilberhöhe beobachtet, ſo laſſen ſich mit ziemlicher Wahrſchein-
keit die Abweichungen von dieſem Stande das ganze Jahr
hindurch und zu allen Stunden des Tages und der Nacht
angeben. Es ergibt ſich daraus, das im heißen Erdſtrich
durch den Mangel an korreſpondierenden Beobachtungen nicht
leicht Fehler entſtehen können, die mehr als 24 bis 30 m
ausmachen, was wenig zu bedeuten hat, wenn es ſich von
geologiſchen Aufnahmen, oder vom Einfluß der Höhe auf
das Klima und die Verteilung der Gewächſe handelt.

Der Morgen war köſtlich kühl. Der Weg oder vielmehr
der Fußpfad nach Cumanacoa führt am rechten Ufer des
Manzanares hin über das Kapuzinerhoſpiz, das in einem
kleinen Gehölze von Gayacbäumen und baumartigen Capparis
liegt. Nachdem wir von Cumana aufgebrochen, hatten wir
auf dem Hügel von San Francisco in der kurzen Morgen-
dämmerung eine weite Ausſicht über die See, über die mit

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[215/0231] Am 4. September um 5 Uhr morgens brachen wir zu unſerem Ausflug zu den Chaymasindianern und in die hohe Gebirgsgruppe von Neuandaluſien auf. Man hatte uns geraten, wegen der ſehr beſchwerlichen Wege unſer Gepäck möglichſt zu beſchränken. Zwei Laſttiere reichten auch hin, unſeren Mundvorrat, unſere Inſtrumente und das nötige Papier zum Pflanzentrocknen zu tragen. In derſelben Kiſte waren ein Sextant, ein Inklinationskompaß, ein Apparat zur Er- mittelung der magnetiſchen Deklination, Thermometer und ein Sauſſureſcher Hygrometer. Auf dieſe Inſtrumente be- ſchränkten wir uns bei kleineren Ausflügen immer. Mit dem Barometer mußte noch vorſichtiger umgegangen werden als mit dem Chronometer, und ich bemerke hier, daß kein In- ſtrument dem Reiſenden mehr Laſt und Sorge macht. Wir ließen ihn in den fünf Jahren von einem Führer tragen, der uns zu Fuß begleitete, aber ſelbſt dieſe ziemlich koſtſpielige Vorſicht ſchützte ihn nicht immer vor Beſchädigung. Nachdem wir die Zeiten von Ebbe und Flut im Luftmeere genau beobachtet, das heißt die Stunden, zu denen der Barometer unter den Tropen täglich regelmäßig ſteigt und fällt, ſahen wir ein, daß wir das Relief des Landes mittels des Baro- meters würden aufnehmen können, ohne korreſpondierende Beobachtungen in Cumana zu Hilfe zu nehmen. Die größten Schwankungen im Luftdruck betragen in dieſem Klima an der Küſte nur 2 bis 2,6 mm, und hat man ein einziges Mal, an welchem Orte und zu welcher Stunde es ſei, die Queck- ſilberhöhe beobachtet, ſo laſſen ſich mit ziemlicher Wahrſchein- keit die Abweichungen von dieſem Stande das ganze Jahr hindurch und zu allen Stunden des Tages und der Nacht angeben. Es ergibt ſich daraus, das im heißen Erdſtrich durch den Mangel an korreſpondierenden Beobachtungen nicht leicht Fehler entſtehen können, die mehr als 24 bis 30 m ausmachen, was wenig zu bedeuten hat, wenn es ſich von geologiſchen Aufnahmen, oder vom Einfluß der Höhe auf das Klima und die Verteilung der Gewächſe handelt. Der Morgen war köſtlich kühl. Der Weg oder vielmehr der Fußpfad nach Cumanacoa führt am rechten Ufer des Manzanares hin über das Kapuzinerhoſpiz, das in einem kleinen Gehölze von Gayacbäumen und baumartigen Capparis liegt. Nachdem wir von Cumana aufgebrochen, hatten wir auf dem Hügel von San Francisco in der kurzen Morgen- dämmerung eine weite Ausſicht über die See, über die mit

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/231>, abgerufen am 24.04.2024.