Theaterstücke 1 vom Verkauf der Christensklaven in Algier entwirft. Es ist ein empörender Gedanke, daß es noch heu- tigestags auf den Antillen spanische Ansiedler gibt, die ihre Sklaven mit dem Glüheisen zeichnen, um sie wieder zu erkennen, wenn sie entlaufen. So behandelt man Menschen, die anderen Menschen die Mühe des Säens, Ackerns und Erntens ersparen. 2
Je tieferen Eindruck der erste Verkauf von Negern in Cumana auf uns gemacht hatte, desto mehr wünschten wir uns Glück, daß wir uns bei einem Volke und auf einem Kontinent befanden, wo ein solches Schauspiel sehr selten vorkommt und die Zahl der Sklaven im allgemeinen höchst unbedeutend ist. Dieselbe betrug im Jahre 1800 in den Provinzen Cumana und Barcelona nicht über 6000, während man zur selben Zeit die Gesamtbevölkerung auf 110000 schätzte. Der Handel mit afrikanischen Sklaven, den die spanischen Gesetze niemals begünstigt haben, ist jetzt völlig bedeutungslos auf Küsten, wo im 16. Jahrhun- dert der Handel mit amerikanischen Sklaven schauerlich lebhaft war. Macarapan, früher Amaracapana genannt, Cumana, Araya und besonders Neucadiz, das auf dem Eiland Cubagua angelegt worden war, konnten damals für Kontore gelten, die zur Betreibung des Sklavenhandels errichtet waren. Girolamo Benzoni aus Mailand, der im Alter von 22 Jahren nach Terra Firma gekommen war, machte im Jahre 1542 an den Küsten von Bordones, Cariaco und Paria Raubzüge mit, bei denen unglückliche Eingeborene weggeschleppt wurden. Er erzählt sehr naiv und oft mit einem Gefühlsausdruck, wie er bei den Geschichtschreibern jener Zeit selten vorkommt, von den Grausamkeiten, die er mit angesehen. Er sah die Sklaven nach Neucadiz bringen, wo sie mit dem Glüheisen auf Stirne und Armen gezeichnet und den Beamten der Krone der Quint entrichtet wurde. Aus diesem Hafen wurden sie nach Hayti oder San Domingo geschickt, nachdem sie mehrmals die Herren gewechselt, nicht weil sie verkauft wurden, sondern weil die Soldaten mit Würfeln um sie spielten.
Unser erster Ausflug galt der Halbinsel Araya und jenen ehemals durch den Sklavenhandel und die Perlenfischerei viel-
1El trado de Argel.
2La Bruyere, Characteres cap. XI.
Theaterſtücke 1 vom Verkauf der Chriſtenſklaven in Algier entwirft. Es iſt ein empörender Gedanke, daß es noch heu- tigestags auf den Antillen ſpaniſche Anſiedler gibt, die ihre Sklaven mit dem Glüheiſen zeichnen, um ſie wieder zu erkennen, wenn ſie entlaufen. So behandelt man Menſchen, die anderen Menſchen die Mühe des Säens, Ackerns und Erntens erſparen. 2
Je tieferen Eindruck der erſte Verkauf von Negern in Cumana auf uns gemacht hatte, deſto mehr wünſchten wir uns Glück, daß wir uns bei einem Volke und auf einem Kontinent befanden, wo ein ſolches Schauſpiel ſehr ſelten vorkommt und die Zahl der Sklaven im allgemeinen höchſt unbedeutend iſt. Dieſelbe betrug im Jahre 1800 in den Provinzen Cumana und Barcelona nicht über 6000, während man zur ſelben Zeit die Geſamtbevölkerung auf 110000 ſchätzte. Der Handel mit afrikaniſchen Sklaven, den die ſpaniſchen Geſetze niemals begünſtigt haben, iſt jetzt völlig bedeutungslos auf Küſten, wo im 16. Jahrhun- dert der Handel mit amerikaniſchen Sklaven ſchauerlich lebhaft war. Macarapan, früher Amaracapana genannt, Cumana, Araya und beſonders Neucadiz, das auf dem Eiland Cubagua angelegt worden war, konnten damals für Kontore gelten, die zur Betreibung des Sklavenhandels errichtet waren. Girolamo Benzoni aus Mailand, der im Alter von 22 Jahren nach Terra Firma gekommen war, machte im Jahre 1542 an den Küſten von Bordones, Cariaco und Paria Raubzüge mit, bei denen unglückliche Eingeborene weggeſchleppt wurden. Er erzählt ſehr naiv und oft mit einem Gefühlsausdruck, wie er bei den Geſchichtſchreibern jener Zeit ſelten vorkommt, von den Grauſamkeiten, die er mit angeſehen. Er ſah die Sklaven nach Neucadiz bringen, wo ſie mit dem Glüheiſen auf Stirne und Armen gezeichnet und den Beamten der Krone der Quint entrichtet wurde. Aus dieſem Hafen wurden ſie nach Hayti oder San Domingo geſchickt, nachdem ſie mehrmals die Herren gewechſelt, nicht weil ſie verkauft wurden, ſondern weil die Soldaten mit Würfeln um ſie ſpielten.
Unſer erſter Ausflug galt der Halbinſel Araya und jenen ehemals durch den Sklavenhandel und die Perlenfiſcherei viel-
1El trado de Argel.
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Theaterſtücke 1 vom Verkauf der Chriſtenſklaven in Algier
entwirft. Es iſt ein empörender Gedanke, daß es noch heu-
tigestags auf den Antillen ſpaniſche Anſiedler gibt, die
ihre Sklaven mit dem Glüheiſen zeichnen, um ſie wieder zu
erkennen, wenn ſie entlaufen. So behandelt man Menſchen,
die anderen Menſchen die Mühe des Säens, Ackerns und
Erntens erſparen. 2
Je tieferen Eindruck der erſte Verkauf von Negern in
Cumana auf uns gemacht hatte, deſto mehr wünſchten wir
uns Glück, daß wir uns bei einem Volke und auf einem
Kontinent befanden, wo ein ſolches Schauſpiel ſehr ſelten
vorkommt und die Zahl der Sklaven im allgemeinen höchſt
unbedeutend iſt. Dieſelbe betrug im Jahre 1800 in den
Provinzen Cumana und Barcelona nicht über 6000,
während man zur ſelben Zeit die Geſamtbevölkerung auf
110000 ſchätzte. Der Handel mit afrikaniſchen Sklaven,
den die ſpaniſchen Geſetze niemals begünſtigt haben, iſt jetzt
völlig bedeutungslos auf Küſten, wo im 16. Jahrhun-
dert der Handel mit amerikaniſchen Sklaven ſchauerlich
lebhaft war. Macarapan, früher Amaracapana genannt,
Cumana, Araya und beſonders Neucadiz, das auf dem Eiland
Cubagua angelegt worden war, konnten damals für Kontore
gelten, die zur Betreibung des Sklavenhandels errichtet waren.
Girolamo Benzoni aus Mailand, der im Alter von 22 Jahren
nach Terra Firma gekommen war, machte im Jahre 1542
an den Küſten von Bordones, Cariaco und Paria Raubzüge
mit, bei denen unglückliche Eingeborene weggeſchleppt wurden.
Er erzählt ſehr naiv und oft mit einem Gefühlsausdruck,
wie er bei den Geſchichtſchreibern jener Zeit ſelten vorkommt,
von den Grauſamkeiten, die er mit angeſehen. Er ſah die
Sklaven nach Neucadiz bringen, wo ſie mit dem Glüheiſen
auf Stirne und Armen gezeichnet und den Beamten der
Krone der Quint entrichtet wurde. Aus dieſem Hafen
wurden ſie nach Hayti oder San Domingo geſchickt, nachdem
ſie mehrmals die Herren gewechſelt, nicht weil ſie verkauft
wurden, ſondern weil die Soldaten mit Würfeln um ſie
ſpielten.
Unſer erſter Ausflug galt der Halbinſel Araya und jenen
ehemals durch den Sklavenhandel und die Perlenfiſcherei viel-
1 El trado de Argel.
2 La Bruyère, Charactères cap. XI.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/204>, abgerufen am 16.02.2025.
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