Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.hören, Gastfreundschaft sei leicht zu üben in einem herrlichen Unter den Kranken, die in Cumana ans Land kamen, Der Boden, auf dem die Stadt Cumana liegt, gehört hören, Gaſtfreundſchaft ſei leicht zu üben in einem herrlichen Unter den Kranken, die in Cumana ans Land kamen, Der Boden, auf dem die Stadt Cumana liegt, gehört <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0174" n="158"/> hören, Gaſtfreundſchaft ſei leicht zu üben in einem herrlichen<lb/> Klima, wo es Nahrungsmittel im Ueberfluß gibt, wo die<lb/> einheimiſchen Gewächſe wirkſame Heilmittel liefern, und der<lb/> Kranke in ſeiner Hängematte unter einem Schuppen das<lb/> nötige Obdach findet. Soll man aber die Ueberlaſt, welche<lb/> die Ankunft eines Fremden, deſſen Gemütsart man nicht<lb/> kennt, einer Familie verurſacht, für nichts rechnen? und die<lb/> Beweiſe gefühlvoller Teilnahme, die aufopfernde Sorgfalt der<lb/> Frauen, die Geduld, die während einer langen, ſchweren<lb/> Wiedergeneſung nimmer ermüdet, ſoll man von dem allen<lb/> abſehen? Man will die Beobachtung gemacht haben, daß,<lb/> vielleicht mit Ausnahme einiger ſehr volkreichen Städte, ſeit<lb/> den erſten Niederlaſſungen ſpaniſcher Anſiedler in der Neuen<lb/> Welt die Gaſtfreundſchaft nicht merkbar abgenommen habe.<lb/> Der Gedanke thut wehe, daß dies allerdings anders werden<lb/> muß, wenn einmal Bevölkerung und Induſtrie in den Kolo-<lb/> nieen raſcher zunehmen, und wenn ſich auf der Stufe geſell-<lb/> ſchaftlicher Entwickelung, die man als vorgeſchrittene Kultur zu<lb/> bezeichnen pflegt, die kaſtilianiſche Offenheit allmählich verliert.</p><lb/> <p>Unter den Kranken, die in Cumana ans Land kamen,<lb/> befand ſich ein Neger, der einige Tage nach unſerer Ankunft<lb/> in Raſerei verfiel; er ſtarb in dieſem kläglichen Zuſtande,<lb/> obgleich ſein Herr, ein faſt ſiebzigjähriger Mann, der Europa<lb/> verlaſſen hatte, um in San Blas, am Eingang des Golfes<lb/> von Kalifornien, eine neue Heimat zu ſuchen, ihm alle er-<lb/> denkliche Pflege hatte zu teil werden laſſen. Ich erwähne<lb/> dieſes Falles, um zu zeigen, daß zuweilen Menſchen, die im<lb/> heißen Erdſtrich geboren ſind, aber in einem gemäßigten<lb/> Klima gelebt haben, den verderblichen Einflüſſen der tropiſchen<lb/> Hitze erliegen. Der Neger war ein junger Menſch von<lb/> achtzehn Jahren, ſehr kräftig und auf der Küſte von Guinea<lb/> geboren. Durch mehrjährigen Aufenthalt auf der Hochebene<lb/> von Kaſtilien hatte aber ſeine Konſtitution den Grad von<lb/> Reizbarkeit erhalten, der die Miasmen der heißen Zone für<lb/> die Bewohner nördlicher Länder ſo gefährlich macht.</p><lb/> <p>Der Boden, auf dem die Stadt Cumana liegt, gehört<lb/> einer geologiſch ſehr intereſſanten Bildung an. Da mir aber<lb/> ſeit meiner Rückkehr nach Europa einige Reiſende mit der<lb/> Beſchreibung von Küſtenſtrichen, die ſie nach mir beſucht,<lb/> zuvorgekommen ſind, ſo beſchränke ich mich hier auf Bemer-<lb/> kungen, die außerhalb des Kreiſes ihrer Beobachtungen fallen.<lb/> Die Kette der Kalkalpen des Brigantin und Tataraqual ſtreicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0174]
hören, Gaſtfreundſchaft ſei leicht zu üben in einem herrlichen
Klima, wo es Nahrungsmittel im Ueberfluß gibt, wo die
einheimiſchen Gewächſe wirkſame Heilmittel liefern, und der
Kranke in ſeiner Hängematte unter einem Schuppen das
nötige Obdach findet. Soll man aber die Ueberlaſt, welche
die Ankunft eines Fremden, deſſen Gemütsart man nicht
kennt, einer Familie verurſacht, für nichts rechnen? und die
Beweiſe gefühlvoller Teilnahme, die aufopfernde Sorgfalt der
Frauen, die Geduld, die während einer langen, ſchweren
Wiedergeneſung nimmer ermüdet, ſoll man von dem allen
abſehen? Man will die Beobachtung gemacht haben, daß,
vielleicht mit Ausnahme einiger ſehr volkreichen Städte, ſeit
den erſten Niederlaſſungen ſpaniſcher Anſiedler in der Neuen
Welt die Gaſtfreundſchaft nicht merkbar abgenommen habe.
Der Gedanke thut wehe, daß dies allerdings anders werden
muß, wenn einmal Bevölkerung und Induſtrie in den Kolo-
nieen raſcher zunehmen, und wenn ſich auf der Stufe geſell-
ſchaftlicher Entwickelung, die man als vorgeſchrittene Kultur zu
bezeichnen pflegt, die kaſtilianiſche Offenheit allmählich verliert.
Unter den Kranken, die in Cumana ans Land kamen,
befand ſich ein Neger, der einige Tage nach unſerer Ankunft
in Raſerei verfiel; er ſtarb in dieſem kläglichen Zuſtande,
obgleich ſein Herr, ein faſt ſiebzigjähriger Mann, der Europa
verlaſſen hatte, um in San Blas, am Eingang des Golfes
von Kalifornien, eine neue Heimat zu ſuchen, ihm alle er-
denkliche Pflege hatte zu teil werden laſſen. Ich erwähne
dieſes Falles, um zu zeigen, daß zuweilen Menſchen, die im
heißen Erdſtrich geboren ſind, aber in einem gemäßigten
Klima gelebt haben, den verderblichen Einflüſſen der tropiſchen
Hitze erliegen. Der Neger war ein junger Menſch von
achtzehn Jahren, ſehr kräftig und auf der Küſte von Guinea
geboren. Durch mehrjährigen Aufenthalt auf der Hochebene
von Kaſtilien hatte aber ſeine Konſtitution den Grad von
Reizbarkeit erhalten, der die Miasmen der heißen Zone für
die Bewohner nördlicher Länder ſo gefährlich macht.
Der Boden, auf dem die Stadt Cumana liegt, gehört
einer geologiſch ſehr intereſſanten Bildung an. Da mir aber
ſeit meiner Rückkehr nach Europa einige Reiſende mit der
Beſchreibung von Küſtenſtrichen, die ſie nach mir beſucht,
zuvorgekommen ſind, ſo beſchränke ich mich hier auf Bemer-
kungen, die außerhalb des Kreiſes ihrer Beobachtungen fallen.
Die Kette der Kalkalpen des Brigantin und Tataraqual ſtreicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |