Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.gesuchtesten Seekarten waren. Am 15. morgens, wo wir uns Gegen 11 Uhr morgens kam uns ein sehr niedriges Ei- Das flache Land, das wir vor uns hatten, stimmte geſuchteſten Seekarten waren. Am 15. morgens, wo wir uns Gegen 11 Uhr morgens kam uns ein ſehr niedriges Ei- Das flache Land, das wir vor uns hatten, ſtimmte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0164" n="148"/> geſuchteſten Seekarten waren. Am 15. morgens, wo wir uns<lb/> nach dem Chronometer unter 66° 1′ 15″ der Länge befanden,<lb/> waren wir noch nicht im Meridian der Inſel St. Margarita,<lb/> während wir nach der verkleinerten Karte des Atlantiſchen<lb/> Ozeans über das weſtliche ſehr hohe Vorgebirge der Inſel,<lb/> das unter 66° 0′ der Länge geſetzt iſt, bereits hätten hinaus<lb/> ſein ſollen. Die Küſten von Terra Firma wurden vor Fi-<lb/> dalgos, Nogueras und Tiscars, und ich darf wohl hinzufügen,<lb/> vor meinen aſtronomiſchen Beobachtungen in Cumana, ſo un-<lb/> richtig gezeichnet, daß für die Schiffahrt daraus hätten Ge-<lb/> fahren erwachſen können, wenn nicht das Meer in dieſen<lb/> Strichen beſtändig ruhig wäre. Ja die Fehler in der Breite<lb/> waren noch größer als die in der Länge, denn die Küſte von<lb/> Neuandaluſien läuft weſtwärts vom <hi rendition="#aq">Cabo de tres puntas</hi> 67<lb/> bis 90 <hi rendition="#aq">km</hi> weiter nach Norden, als auf den vor dem Jahre<lb/> 1800 erſchienenen Karten angegeben iſt.</p><lb/> <p>Gegen 11 Uhr morgens kam uns ein ſehr niedriges Ei-<lb/> land zu Geſicht, auf dem ſich einige Sanddünen erhoben.<lb/> Durch das Fernrohr ließ ſich keine Spur von Bewohnern<lb/> oder von Anbau entdecken. Hin und wieder ſtanden cylind-<lb/> riſche Kaktus wie Kandelaber. Der faſt pflanzenloſe Boden<lb/> ſchien ſich wellenförmig zu bewegen infolge der ſtarken Brechung,<lb/> welche die Sonnenſtrahlen erleiden, wenn ſie durch Luft-<lb/> ſchichten hindurchgehen, die auf einer ſtark erhitzten Fläche<lb/> aufliegen. Die Luftſpiegelung macht, daß in allen Zonen<lb/> Wüſten und ſandiger Strand ſich wie eine bewegte See aus-<lb/> nehmen.</p><lb/> <p>Das flache Land, das wir vor uns hatten, ſtimmte<lb/> ſchlecht zu der Vorſtellung, die wir uns von der Inſel Mar-<lb/> garita gemacht. Während man beſchäftigt war, die Angaben<lb/> der Karten zu vergleichen, ohne ſie in Uebereinſtimmung<lb/> bringen zu können, ſignaliſierte man vom Maſt einige kleine<lb/> Fiſcherboote. Der Kapitän des Pizarro rief ſie durch einen<lb/> Kanonenſchuß herbei; aber ein ſolches Zeichen dient zu nichts<lb/> in Ländern, wo der Schwache, wenn er dem Starken be-<lb/> gegnet, glaubt ſich nur auf Vergewaltigungen gefaßt machen<lb/> zu müſſen. Die Boote ergriffen die Flucht nach Weſten zu,<lb/> und wir ſahen uns hier in derſelben Verlegenheit, wie bei<lb/> unſerer Ankunft auf den Kanarien vor der kleinen Inſel<lb/> Gracioſa. Niemand an Bord war je in der Gegend am Land<lb/> geweſen. So ruhig die See war, ſo ſchien doch die Nähe<lb/> eines kaum ein paar Fuß hohen Eilandes Vorſichtsmaßregeln<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0164]
geſuchteſten Seekarten waren. Am 15. morgens, wo wir uns
nach dem Chronometer unter 66° 1′ 15″ der Länge befanden,
waren wir noch nicht im Meridian der Inſel St. Margarita,
während wir nach der verkleinerten Karte des Atlantiſchen
Ozeans über das weſtliche ſehr hohe Vorgebirge der Inſel,
das unter 66° 0′ der Länge geſetzt iſt, bereits hätten hinaus
ſein ſollen. Die Küſten von Terra Firma wurden vor Fi-
dalgos, Nogueras und Tiscars, und ich darf wohl hinzufügen,
vor meinen aſtronomiſchen Beobachtungen in Cumana, ſo un-
richtig gezeichnet, daß für die Schiffahrt daraus hätten Ge-
fahren erwachſen können, wenn nicht das Meer in dieſen
Strichen beſtändig ruhig wäre. Ja die Fehler in der Breite
waren noch größer als die in der Länge, denn die Küſte von
Neuandaluſien läuft weſtwärts vom Cabo de tres puntas 67
bis 90 km weiter nach Norden, als auf den vor dem Jahre
1800 erſchienenen Karten angegeben iſt.
Gegen 11 Uhr morgens kam uns ein ſehr niedriges Ei-
land zu Geſicht, auf dem ſich einige Sanddünen erhoben.
Durch das Fernrohr ließ ſich keine Spur von Bewohnern
oder von Anbau entdecken. Hin und wieder ſtanden cylind-
riſche Kaktus wie Kandelaber. Der faſt pflanzenloſe Boden
ſchien ſich wellenförmig zu bewegen infolge der ſtarken Brechung,
welche die Sonnenſtrahlen erleiden, wenn ſie durch Luft-
ſchichten hindurchgehen, die auf einer ſtark erhitzten Fläche
aufliegen. Die Luftſpiegelung macht, daß in allen Zonen
Wüſten und ſandiger Strand ſich wie eine bewegte See aus-
nehmen.
Das flache Land, das wir vor uns hatten, ſtimmte
ſchlecht zu der Vorſtellung, die wir uns von der Inſel Mar-
garita gemacht. Während man beſchäftigt war, die Angaben
der Karten zu vergleichen, ohne ſie in Uebereinſtimmung
bringen zu können, ſignaliſierte man vom Maſt einige kleine
Fiſcherboote. Der Kapitän des Pizarro rief ſie durch einen
Kanonenſchuß herbei; aber ein ſolches Zeichen dient zu nichts
in Ländern, wo der Schwache, wenn er dem Starken be-
gegnet, glaubt ſich nur auf Vergewaltigungen gefaßt machen
zu müſſen. Die Boote ergriffen die Flucht nach Weſten zu,
und wir ſahen uns hier in derſelben Verlegenheit, wie bei
unſerer Ankunft auf den Kanarien vor der kleinen Inſel
Gracioſa. Niemand an Bord war je in der Gegend am Land
geweſen. So ruhig die See war, ſo ſchien doch die Nähe
eines kaum ein paar Fuß hohen Eilandes Vorſichtsmaßregeln
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