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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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der Caldera sich wieder öffnete, die Seitenausbrüche würden
damit weniger heftig und die ganze Inselgruppe hätte weniger
von Erdbeben zu leiden.

Ich habe zu Orotava die Frage besprechen hören, ob an-
zunehmen sei, daß der Krater des Piks im Laufe der Jahr-
hunderte wieder in Thätigkeit treten werde. In einer so
zweifelhaften Sache kann man sich nur an die Analogie halten.
Nun war nach Braccinis Bericht im Jahre 1611 der Krater
des Vesuvs im Inneren mit Gebüsch bewachsen. Alles ver-
kündete die tiefste Ruhe, und dennoch warf derselbe, der sich
in ein schattiges Thal verwandeln zu wollen schien, zwanzig
Jahre später Feuersäulen und ungeheure Massen Asche aus.
Der Vesuv wurde im Jahre 1631 wieder so thätig, als er im
Jahre 1500 gewesen war. So könnte möglicherweise auch der
Krater des Piks sich eines Tages wieder umwandeln. Er ist
jetzt eine Solfatare, ähnlich der friedlichen Solfatare von
Pozzuoli; aber sie ist auf der Spitze eines noch thätigen
Vulkanes gelegen.

Die Ausbrüche des Piks waren seit zweihundert Jahren
sehr selten, und solche lange Pausen scheinen charakteristisch
für sehr hohe Vulkane. Der kleinste von allen, der Strom-
boli, ist fast in beständiger Thätigkeit. Beim Vesuv sind
die Ausbrüche schon seltener, indessen häufiger als beim
Aetna und dem Pik von Tenerifa. Die kolossalen Gipfel der
Anden, der Cotopaxi und der Tunguragua speien kaum ein-
mal im Jahrhundert Feuer. Bei thätigen Vulkanen scheint
die Häufigkeit der Ausbrüche im umgekehrten Verhältnis mit
der Höhe und der Masse derselben zu stehen. So schien auch
der Pik nach zweiundneunzig Jahren erloschen, als im Jahre
1792 der letzte Ausbruch durch eine Seitenöffnung im Berg
Chahorra erfolgte. In diesem Zeitraum hat der Vesuv sech-
zehnmal Feuer gespieen.

Ich habe anderswo ausgeführt, daß der ganze gebirgige
Teil des Königreichs Quito anzusehen ist, als ein ungeheurer
Vulkan von 14175 qkm Oberfläche, der aus verschiedenen
Kegeln mit eigenen Namen, Cotopaxi, Tunguragua, Pichincha,
Feuer speit. Ebenso ruht die ganze Gruppe der Kanarischen
Inseln gleichsam auf einem untermeerischen Vulkan. Das
Feuer brach sich bald durch diese, bald durch jene der Inseln
Bahn. Nur Tenerifa trägt in seiner Mitte eine ungeheure
Pyramide mit einem Krater auf der Spitze, die in jahr-
hundertlangen Perioden aus ihren Seiten Lavaströme ergießt.

der Caldera ſich wieder öffnete, die Seitenausbrüche würden
damit weniger heftig und die ganze Inſelgruppe hätte weniger
von Erdbeben zu leiden.

Ich habe zu Orotava die Frage beſprechen hören, ob an-
zunehmen ſei, daß der Krater des Piks im Laufe der Jahr-
hunderte wieder in Thätigkeit treten werde. In einer ſo
zweifelhaften Sache kann man ſich nur an die Analogie halten.
Nun war nach Braccinis Bericht im Jahre 1611 der Krater
des Veſuvs im Inneren mit Gebüſch bewachſen. Alles ver-
kündete die tiefſte Ruhe, und dennoch warf derſelbe, der ſich
in ein ſchattiges Thal verwandeln zu wollen ſchien, zwanzig
Jahre ſpäter Feuerſäulen und ungeheure Maſſen Aſche aus.
Der Veſuv wurde im Jahre 1631 wieder ſo thätig, als er im
Jahre 1500 geweſen war. So könnte möglicherweiſe auch der
Krater des Piks ſich eines Tages wieder umwandeln. Er iſt
jetzt eine Solfatare, ähnlich der friedlichen Solfatare von
Pozzuoli; aber ſie iſt auf der Spitze eines noch thätigen
Vulkanes gelegen.

Die Ausbrüche des Piks waren ſeit zweihundert Jahren
ſehr ſelten, und ſolche lange Pauſen ſcheinen charakteriſtiſch
für ſehr hohe Vulkane. Der kleinſte von allen, der Strom-
boli, iſt faſt in beſtändiger Thätigkeit. Beim Veſuv ſind
die Ausbrüche ſchon ſeltener, indeſſen häufiger als beim
Aetna und dem Pik von Tenerifa. Die koloſſalen Gipfel der
Anden, der Cotopaxi und der Tunguragua ſpeien kaum ein-
mal im Jahrhundert Feuer. Bei thätigen Vulkanen ſcheint
die Häufigkeit der Ausbrüche im umgekehrten Verhältnis mit
der Höhe und der Maſſe derſelben zu ſtehen. So ſchien auch
der Pik nach zweiundneunzig Jahren erloſchen, als im Jahre
1792 der letzte Ausbruch durch eine Seitenöffnung im Berg
Chahorra erfolgte. In dieſem Zeitraum hat der Veſuv ſech-
zehnmal Feuer geſpieen.

Ich habe anderswo ausgeführt, daß der ganze gebirgige
Teil des Königreichs Quito anzuſehen iſt, als ein ungeheurer
Vulkan von 14175 qkm Oberfläche, der aus verſchiedenen
Kegeln mit eigenen Namen, Cotopaxi, Tunguragua, Pichincha,
Feuer ſpeit. Ebenſo ruht die ganze Gruppe der Kanariſchen
Inſeln gleichſam auf einem untermeeriſchen Vulkan. Das
Feuer brach ſich bald durch dieſe, bald durch jene der Inſeln
Bahn. Nur Tenerifa trägt in ſeiner Mitte eine ungeheure
Pyramide mit einem Krater auf der Spitze, die in jahr-
hundertlangen Perioden aus ihren Seiten Lavaſtröme ergießt.

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[104/0120] der Caldera ſich wieder öffnete, die Seitenausbrüche würden damit weniger heftig und die ganze Inſelgruppe hätte weniger von Erdbeben zu leiden. Ich habe zu Orotava die Frage beſprechen hören, ob an- zunehmen ſei, daß der Krater des Piks im Laufe der Jahr- hunderte wieder in Thätigkeit treten werde. In einer ſo zweifelhaften Sache kann man ſich nur an die Analogie halten. Nun war nach Braccinis Bericht im Jahre 1611 der Krater des Veſuvs im Inneren mit Gebüſch bewachſen. Alles ver- kündete die tiefſte Ruhe, und dennoch warf derſelbe, der ſich in ein ſchattiges Thal verwandeln zu wollen ſchien, zwanzig Jahre ſpäter Feuerſäulen und ungeheure Maſſen Aſche aus. Der Veſuv wurde im Jahre 1631 wieder ſo thätig, als er im Jahre 1500 geweſen war. So könnte möglicherweiſe auch der Krater des Piks ſich eines Tages wieder umwandeln. Er iſt jetzt eine Solfatare, ähnlich der friedlichen Solfatare von Pozzuoli; aber ſie iſt auf der Spitze eines noch thätigen Vulkanes gelegen. Die Ausbrüche des Piks waren ſeit zweihundert Jahren ſehr ſelten, und ſolche lange Pauſen ſcheinen charakteriſtiſch für ſehr hohe Vulkane. Der kleinſte von allen, der Strom- boli, iſt faſt in beſtändiger Thätigkeit. Beim Veſuv ſind die Ausbrüche ſchon ſeltener, indeſſen häufiger als beim Aetna und dem Pik von Tenerifa. Die koloſſalen Gipfel der Anden, der Cotopaxi und der Tunguragua ſpeien kaum ein- mal im Jahrhundert Feuer. Bei thätigen Vulkanen ſcheint die Häufigkeit der Ausbrüche im umgekehrten Verhältnis mit der Höhe und der Maſſe derſelben zu ſtehen. So ſchien auch der Pik nach zweiundneunzig Jahren erloſchen, als im Jahre 1792 der letzte Ausbruch durch eine Seitenöffnung im Berg Chahorra erfolgte. In dieſem Zeitraum hat der Veſuv ſech- zehnmal Feuer geſpieen. Ich habe anderswo ausgeführt, daß der ganze gebirgige Teil des Königreichs Quito anzuſehen iſt, als ein ungeheurer Vulkan von 14175 qkm Oberfläche, der aus verſchiedenen Kegeln mit eigenen Namen, Cotopaxi, Tunguragua, Pichincha, Feuer ſpeit. Ebenſo ruht die ganze Gruppe der Kanariſchen Inſeln gleichſam auf einem untermeeriſchen Vulkan. Das Feuer brach ſich bald durch dieſe, bald durch jene der Inſeln Bahn. Nur Tenerifa trägt in ſeiner Mitte eine ungeheure Pyramide mit einem Krater auf der Spitze, die in jahr- hundertlangen Perioden aus ihren Seiten Lavaſtröme ergießt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/120>, abgerufen am 29.03.2024.