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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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mit der Verdünnung der Luft zunimmt, und daß dasselbe
Instrument zur selben Zeit bei der Priorei von Chamouni
39° und auf der Spitze des Montblanc 40° zeigte. Dieser
Berg ist um 1052 m höher als der Vulkan von Tenerifa,
und wenn trotz diesem Unterschied auf ersterem das Himmels-
blau nicht so dunkel ist, so rührt dies wohl von der Trocken-
heit der afrikanischen Luft und der Nähe der heißen Zone her.

Wir fingen am Kraterrand Luft auf, um sie auf der
Fahrt nach Amerika chemisch zu zerlegen. Die Flasche war
so gut verschlossen, daß, als wir sie nach zehn Tagen öffneten,
das Wasser mit Gewalt hineindrang. Nach mehreren Ver-
suchen mit Salpetergas in der engen Röhre des Fontanaschen
Eudiometers enthielt die Luft im Krater neun Hundertteile
weniger Sauerstoff als die Seeluft; ich gebe aber wenig auf
dieses Resultat, da die Methode jetzt für ziemlich unzuver-
lässig gilt. Der Krater des Piks hat so wenig Tiefe und
die Luft darin erneuert sich so leicht, daß schwerlich mehr
Stickstoff darin ist als an der Küste. Wir wissen überdem
aus Gay-Lussacs und Theodor Saussures Versuchen, daß die
Luft in den höchsten Luftregionen wie in den tiefsten 0,21
Sauerstoff enthält. 1

Wir sahen auf dem Gipfel des Piks keine Spur von
Psora, Lecidium oder anderen Kryptogamen, kein Insekt flatterte
in der Luft. Indessen findet man hier und da ein hautflüg-
liges Insekt an den Schwefelmassen angeklebt, die von schwef-
liger Säure feucht sind und die Oeffnungen der Fumarolen
auskleiden. Es sind Bienen, die wahrscheinlich die Blüten
des Spartium nubigenum aufgesucht hatten und vom Winde
schief aufwärts in diese Höhe getrieben worden waren, wie
die Schmetterlinge, welche Ramond auf dem Gipfel des Mont
Perdu gefunden. Die letzteren gehen durch die Kälte zu Grunde,
während die Bienen auf dem Pik geröstet werden, wenn sie
unvorsichtig den Spalten, an denen sie sich wärmen wollten,
zu nahe kommen.

Trotz dieser Wärme, die man am Rande des Kraters
unter den Füßen spürt, ist der Aschenkegel im Winter mehrere

1 Im März 1805 fingen Gay-Lussac und ich beim Hospiz auf
dem Mont Cenis in einer stark elektrisch geladenen Wolke Luft auf
und zerlegten sie im Voltaschen Eudiometer. Sie enthielt keinen
Wasserstoff und nicht um 0,002 weniger Sauerstoff als die Pariser
Luft, die wir in hermetisch verschlossenen Flaschen bei uns hatten.

mit der Verdünnung der Luft zunimmt, und daß dasſelbe
Inſtrument zur ſelben Zeit bei der Priorei von Chamouni
39° und auf der Spitze des Montblanc 40° zeigte. Dieſer
Berg iſt um 1052 m höher als der Vulkan von Tenerifa,
und wenn trotz dieſem Unterſchied auf erſterem das Himmels-
blau nicht ſo dunkel iſt, ſo rührt dies wohl von der Trocken-
heit der afrikaniſchen Luft und der Nähe der heißen Zone her.

Wir fingen am Kraterrand Luft auf, um ſie auf der
Fahrt nach Amerika chemiſch zu zerlegen. Die Flaſche war
ſo gut verſchloſſen, daß, als wir ſie nach zehn Tagen öffneten,
das Waſſer mit Gewalt hineindrang. Nach mehreren Ver-
ſuchen mit Salpetergas in der engen Röhre des Fontanaſchen
Eudiometers enthielt die Luft im Krater neun Hundertteile
weniger Sauerſtoff als die Seeluft; ich gebe aber wenig auf
dieſes Reſultat, da die Methode jetzt für ziemlich unzuver-
läſſig gilt. Der Krater des Piks hat ſo wenig Tiefe und
die Luft darin erneuert ſich ſo leicht, daß ſchwerlich mehr
Stickſtoff darin iſt als an der Küſte. Wir wiſſen überdem
aus Gay-Luſſacs und Theodor Sauſſures Verſuchen, daß die
Luft in den höchſten Luftregionen wie in den tiefſten 0,21
Sauerſtoff enthält. 1

Wir ſahen auf dem Gipfel des Piks keine Spur von
Pſora, Lecidium oder anderen Kryptogamen, kein Inſekt flatterte
in der Luft. Indeſſen findet man hier und da ein hautflüg-
liges Inſekt an den Schwefelmaſſen angeklebt, die von ſchwef-
liger Säure feucht ſind und die Oeffnungen der Fumarolen
auskleiden. Es ſind Bienen, die wahrſcheinlich die Blüten
des Spartium nubigenum aufgeſucht hatten und vom Winde
ſchief aufwärts in dieſe Höhe getrieben worden waren, wie
die Schmetterlinge, welche Ramond auf dem Gipfel des Mont
Perdu gefunden. Die letzteren gehen durch die Kälte zu Grunde,
während die Bienen auf dem Pik geröſtet werden, wenn ſie
unvorſichtig den Spalten, an denen ſie ſich wärmen wollten,
zu nahe kommen.

Trotz dieſer Wärme, die man am Rande des Kraters
unter den Füßen ſpürt, iſt der Aſchenkegel im Winter mehrere

1 Im März 1805 fingen Gay-Luſſac und ich beim Hoſpiz auf
dem Mont Cenis in einer ſtark elektriſch geladenen Wolke Luft auf
und zerlegten ſie im Voltaſchen Eudiometer. Sie enthielt keinen
Waſſerſtoff und nicht um 0,002 weniger Sauerſtoff als die Pariſer
Luft, die wir in hermetiſch verſchloſſenen Flaſchen bei uns hatten.
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[96/0112] mit der Verdünnung der Luft zunimmt, und daß dasſelbe Inſtrument zur ſelben Zeit bei der Priorei von Chamouni 39° und auf der Spitze des Montblanc 40° zeigte. Dieſer Berg iſt um 1052 m höher als der Vulkan von Tenerifa, und wenn trotz dieſem Unterſchied auf erſterem das Himmels- blau nicht ſo dunkel iſt, ſo rührt dies wohl von der Trocken- heit der afrikaniſchen Luft und der Nähe der heißen Zone her. Wir fingen am Kraterrand Luft auf, um ſie auf der Fahrt nach Amerika chemiſch zu zerlegen. Die Flaſche war ſo gut verſchloſſen, daß, als wir ſie nach zehn Tagen öffneten, das Waſſer mit Gewalt hineindrang. Nach mehreren Ver- ſuchen mit Salpetergas in der engen Röhre des Fontanaſchen Eudiometers enthielt die Luft im Krater neun Hundertteile weniger Sauerſtoff als die Seeluft; ich gebe aber wenig auf dieſes Reſultat, da die Methode jetzt für ziemlich unzuver- läſſig gilt. Der Krater des Piks hat ſo wenig Tiefe und die Luft darin erneuert ſich ſo leicht, daß ſchwerlich mehr Stickſtoff darin iſt als an der Küſte. Wir wiſſen überdem aus Gay-Luſſacs und Theodor Sauſſures Verſuchen, daß die Luft in den höchſten Luftregionen wie in den tiefſten 0,21 Sauerſtoff enthält. 1 Wir ſahen auf dem Gipfel des Piks keine Spur von Pſora, Lecidium oder anderen Kryptogamen, kein Inſekt flatterte in der Luft. Indeſſen findet man hier und da ein hautflüg- liges Inſekt an den Schwefelmaſſen angeklebt, die von ſchwef- liger Säure feucht ſind und die Oeffnungen der Fumarolen auskleiden. Es ſind Bienen, die wahrſcheinlich die Blüten des Spartium nubigenum aufgeſucht hatten und vom Winde ſchief aufwärts in dieſe Höhe getrieben worden waren, wie die Schmetterlinge, welche Ramond auf dem Gipfel des Mont Perdu gefunden. Die letzteren gehen durch die Kälte zu Grunde, während die Bienen auf dem Pik geröſtet werden, wenn ſie unvorſichtig den Spalten, an denen ſie ſich wärmen wollten, zu nahe kommen. Trotz dieſer Wärme, die man am Rande des Kraters unter den Füßen ſpürt, iſt der Aſchenkegel im Winter mehrere 1 Im März 1805 fingen Gay-Luſſac und ich beim Hoſpiz auf dem Mont Cenis in einer ſtark elektriſch geladenen Wolke Luft auf und zerlegten ſie im Voltaſchen Eudiometer. Sie enthielt keinen Waſſerſtoff und nicht um 0,002 weniger Sauerſtoff als die Pariſer Luft, die wir in hermetiſch verſchloſſenen Flaſchen bei uns hatten.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/112>, abgerufen am 19.04.2024.