erinnert. Wenn euch das aber nicht genügt, wenn ihr etwa glaubet, ihr seid wenigstens noch für viele Jahre gesichert, ihr müsset erst noch für euere Kinder sorgen, ihr seid noch jung und stark - gehet heute nur auf den Friedhof, betrachtet dort all die Gräber, schauet nach, ob der Tod Erbarmen habe mit kleinen Kindern, mit der Jugend der Eheleute, oder ob er nicht vielmehr bald den Vater, bald die Mutter, bald beide den zarten Kindern entreiße; ob er nicht die Ehe oft trenne, bevor sie nur recht geschlossen ist; ob er nicht für die Mutter und ihr erstes Kind das gleiche Grab öffne. Da nun öffnet nur die Augen - und der Tod steht vor euch in seiner wahren Gestalt, thränenlos, ohne Mitleid, ohne Er- barmen.
So also hat Gott das menschliche Leben eingerichtet, daß wir den Tod unmöglich vergessen können. Das ist ein Werk unendlicher Barmherzigkeit. Denn, wenn auch der Mensch in seiner Leidenschaft Gott und die Kirche Himmel und Hölle vergessen kann, hat er doch immer mit dem Tode zu rechnen, der sicher kommt, und zwar wie ein Dieb in der Nacht, wenn man gar nicht daran denkt. Daher mahnt er denn euch, die Ehe heilig zu halten.
"Das aber sage ich euch, Brüder, die Zeit ist kurz; es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine." (I. C. VII. 29.)
Die Zeit ist kurz, und doppelt kurz für Eheleute. Denn, wenn ihr in den Ehestand tretet, sind schon viele Jahre eueres Lebens vorbei, vielleicht der dritte Theil, oder gar die Hälfte: sind aber nur wenige vorbei, werden diese frühen Ehen die Gehilfen des Todes, um die kurze Lebenszeit noch mehr abzukürzen. Wie manche allzujunge Frau seufzte schon auf ihrem Sterbebette: "Ach hätte ich doch dem Pfarrer gefolgt;" - aber die Thränen halfen nichts; der Tod hielt seine Beute zu fest.
erinnert. Wenn euch das aber nicht genügt, wenn ihr etwa glaubet, ihr seid wenigstens noch für viele Jahre gesichert, ihr müsset erst noch für euere Kinder sorgen, ihr seid noch jung und stark – gehet heute nur auf den Friedhof, betrachtet dort all die Gräber, schauet nach, ob der Tod Erbarmen habe mit kleinen Kindern, mit der Jugend der Eheleute, oder ob er nicht vielmehr bald den Vater, bald die Mutter, bald beide den zarten Kindern entreiße; ob er nicht die Ehe oft trenne, bevor sie nur recht geschlossen ist; ob er nicht für die Mutter und ihr erstes Kind das gleiche Grab öffne. Da nun öffnet nur die Augen – und der Tod steht vor euch in seiner wahren Gestalt, thränenlos, ohne Mitleid, ohne Er- barmen.
So also hat Gott das menschliche Leben eingerichtet, daß wir den Tod unmöglich vergessen können. Das ist ein Werk unendlicher Barmherzigkeit. Denn, wenn auch der Mensch in seiner Leidenschaft Gott und die Kirche Himmel und Hölle vergessen kann, hat er doch immer mit dem Tode zu rechnen, der sicher kommt, und zwar wie ein Dieb in der Nacht, wenn man gar nicht daran denkt. Daher mahnt er denn euch, die Ehe heilig zu halten.
„Das aber sage ich euch, Brüder, die Zeit ist kurz; es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine.“ (I. C. VII. 29.)
Die Zeit ist kurz, und doppelt kurz für Eheleute. Denn, wenn ihr in den Ehestand tretet, sind schon viele Jahre eueres Lebens vorbei, vielleicht der dritte Theil, oder gar die Hälfte: sind aber nur wenige vorbei, werden diese frühen Ehen die Gehilfen des Todes, um die kurze Lebenszeit noch mehr abzukürzen. Wie manche allzujunge Frau seufzte schon auf ihrem Sterbebette: „Ach hätte ich doch dem Pfarrer gefolgt;“ – aber die Thränen halfen nichts; der Tod hielt seine Beute zu fest.
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erinnert. Wenn euch das aber nicht genügt, wenn ihr
etwa glaubet, ihr seid wenigstens noch für viele Jahre
gesichert, ihr müsset erst noch für euere Kinder sorgen, ihr
seid noch jung und stark – gehet heute nur auf den
Friedhof, betrachtet dort all die Gräber, schauet nach, ob
der Tod Erbarmen habe mit kleinen Kindern, mit der
Jugend der Eheleute, oder ob er nicht vielmehr bald den
Vater, bald die Mutter, bald beide den zarten Kindern
entreiße; ob er nicht die Ehe oft trenne, bevor sie nur
recht geschlossen ist; ob er nicht für die Mutter und ihr
erstes Kind das gleiche Grab öffne. Da nun öffnet nur
die Augen – und der Tod steht vor euch in seiner
wahren Gestalt, thränenlos, ohne Mitleid, ohne Er-
barmen.
So also hat Gott das menschliche Leben eingerichtet,
daß wir den Tod unmöglich vergessen können. Das ist
ein Werk unendlicher Barmherzigkeit. Denn, wenn auch
der Mensch in seiner Leidenschaft Gott und die Kirche
Himmel und Hölle vergessen kann, hat er doch immer
mit dem Tode zu rechnen, der sicher kommt, und zwar
wie ein Dieb in der Nacht, wenn man gar nicht daran
denkt. Daher mahnt er denn euch, die Ehe heilig zu
halten.
„Das aber sage ich euch, Brüder, die Zeit ist kurz;
es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien,
als hätten sie keine.“ (I. C. VII. 29.)
Die Zeit ist kurz, und doppelt kurz für Eheleute.
Denn, wenn ihr in den Ehestand tretet, sind schon viele
Jahre eueres Lebens vorbei, vielleicht der dritte Theil,
oder gar die Hälfte: sind aber nur wenige vorbei, werden
diese frühen Ehen die Gehilfen des Todes, um die kurze
Lebenszeit noch mehr abzukürzen. Wie manche allzujunge
Frau seufzte schon auf ihrem Sterbebette: „Ach hätte ich
doch dem Pfarrer gefolgt;“ – aber die Thränen halfen
nichts; der Tod hielt seine Beute zu fest.
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/391>, abgerufen am 22.11.2024.
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