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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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schwister seid, vergesset nie, was ihr den Kleinen und
euch selbst schuldig seid. Doch diese Andeutungen sollen
genügen, daß ihr die tiefe Bedeutung dieses Gegenstandes
recht versteht, und selbst mancherlei Schlüsse und Folge-
rungen daraus ziehet. Denn nur dann, wenn ihr nicht
bloß zuhöret, sondern den Gedankengang verfolget, die
Wahrheiten betrachtet, daraus Schlüsse zieht, fällt der
Same des göttlichen Wortes nicht auf steinichten Grund,
sondern in tiefe gute Erde, um hundertfältige Frucht zu
bringen.

Habet also Ehrfurcht vor einander und liebet ein-
ander! Liebet einander, Brüder, Schwestern, liebet einander!
Wer ruft euch derart zu? Allerdings auch Gott durch
seinen Gesalbten Jesus Christus; aber auch euere Natur
und alle Gefühle des Herzens rufen wie mit lauter
Stimme: "Liebet einander, und liebet einander zärtlicher,
inniger als andere Menschen. Denn durch die gemein-
same Abstammung seid ihr aufs innigste miteinander ver-
bunden, verknüpft, gleichsam verwachsen."
So ist denn
wie der hl. Thomas bemerkt (ib. ari. 8) diese Liebe fester
und beständiger, als jede andere Nächstenliebe, weil sie
n der Natur selbst ihren Ursprung und ihre Wurzeln hat.

Daß nun diese Liebe Gott sehr angenehm sei, muß
ich nicht einmal andeuten. Oder warum weilte Christus
so gerne in Bethanien bei Lazarus, Maria und Martha?
Er wollte die Geschwisterliebe durch seine Gegenwart
heiligen und will in jedem Hause wohnen, wo Geschwister
gottselig leben und gegenseitig sich aufrichtig lieben. So
ist es denn überaus gut und lieblich, wenn Brüder in
Liebe zusammenwohnen. Denn wo Christus mit Ge-
schwistern unter einem Dache wohnt, da ist wohl im
Ueberflusse der Segen des Vaters und der Friede und
die Freude des hl. Geistes. Denn gehen wir tiefer in
das Geheimniß der Geschwisterliebe ein. Sie ist näm-

schwister seid, vergesset nie, was ihr den Kleinen und
euch selbst schuldig seid. Doch diese Andeutungen sollen
genügen, daß ihr die tiefe Bedeutung dieses Gegenstandes
recht versteht, und selbst mancherlei Schlüsse und Folge-
rungen daraus ziehet. Denn nur dann, wenn ihr nicht
bloß zuhöret, sondern den Gedankengang verfolget, die
Wahrheiten betrachtet, daraus Schlüsse zieht, fällt der
Same des göttlichen Wortes nicht auf steinichten Grund,
sondern in tiefe gute Erde, um hundertfältige Frucht zu
bringen.

Habet also Ehrfurcht vor einander und liebet ein-
ander! Liebet einander, Brüder, Schwestern, liebet einander!
Wer ruft euch derart zu? Allerdings auch Gott durch
seinen Gesalbten Jesus Christus; aber auch euere Natur
und alle Gefühle des Herzens rufen wie mit lauter
Stimme: „Liebet einander, und liebet einander zärtlicher,
inniger als andere Menschen. Denn durch die gemein-
same Abstammung seid ihr aufs innigste miteinander ver-
bunden, verknüpft, gleichsam verwachsen.“
So ist denn
wie der hl. Thomas bemerkt (ib. ari. 8) diese Liebe fester
und beständiger, als jede andere Nächstenliebe, weil sie
n der Natur selbst ihren Ursprung und ihre Wurzeln hat.

Daß nun diese Liebe Gott sehr angenehm sei, muß
ich nicht einmal andeuten. Oder warum weilte Christus
so gerne in Bethanien bei Lazarus, Maria und Martha?
Er wollte die Geschwisterliebe durch seine Gegenwart
heiligen und will in jedem Hause wohnen, wo Geschwister
gottselig leben und gegenseitig sich aufrichtig lieben. So
ist es denn überaus gut und lieblich, wenn Brüder in
Liebe zusammenwohnen. Denn wo Christus mit Ge-
schwistern unter einem Dache wohnt, da ist wohl im
Ueberflusse der Segen des Vaters und der Friede und
die Freude des hl. Geistes. Denn gehen wir tiefer in
das Geheimniß der Geschwisterliebe ein. Sie ist näm-

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[315/0327] schwister seid, vergesset nie, was ihr den Kleinen und euch selbst schuldig seid. Doch diese Andeutungen sollen genügen, daß ihr die tiefe Bedeutung dieses Gegenstandes recht versteht, und selbst mancherlei Schlüsse und Folge- rungen daraus ziehet. Denn nur dann, wenn ihr nicht bloß zuhöret, sondern den Gedankengang verfolget, die Wahrheiten betrachtet, daraus Schlüsse zieht, fällt der Same des göttlichen Wortes nicht auf steinichten Grund, sondern in tiefe gute Erde, um hundertfältige Frucht zu bringen. Habet also Ehrfurcht vor einander und liebet ein- ander! Liebet einander, Brüder, Schwestern, liebet einander! Wer ruft euch derart zu? Allerdings auch Gott durch seinen Gesalbten Jesus Christus; aber auch euere Natur und alle Gefühle des Herzens rufen wie mit lauter Stimme: „Liebet einander, und liebet einander zärtlicher, inniger als andere Menschen. Denn durch die gemein- same Abstammung seid ihr aufs innigste miteinander ver- bunden, verknüpft, gleichsam verwachsen.“ So ist denn wie der hl. Thomas bemerkt (ib. ari. 8) diese Liebe fester und beständiger, als jede andere Nächstenliebe, weil sie n der Natur selbst ihren Ursprung und ihre Wurzeln hat. Daß nun diese Liebe Gott sehr angenehm sei, muß ich nicht einmal andeuten. Oder warum weilte Christus so gerne in Bethanien bei Lazarus, Maria und Martha? Er wollte die Geschwisterliebe durch seine Gegenwart heiligen und will in jedem Hause wohnen, wo Geschwister gottselig leben und gegenseitig sich aufrichtig lieben. So ist es denn überaus gut und lieblich, wenn Brüder in Liebe zusammenwohnen. Denn wo Christus mit Ge- schwistern unter einem Dache wohnt, da ist wohl im Ueberflusse der Segen des Vaters und der Friede und die Freude des hl. Geistes. Denn gehen wir tiefer in das Geheimniß der Geschwisterliebe ein. Sie ist näm-

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/327>, abgerufen am 28.11.2024.