glücklich war Saladin, er hatte keinen Papst!" Begreifet ihr nun, warum dieses Fleisch keine Ruhe findet, bis es ungestört ein Saladin sein kann?
Ich sage ungestört. Denn was jenen Königen noch nicht möglich war, das ist heute in einem gewissen Sinne jedem Bettler leicht erreichbar. Denn nach bürgerlichen Gesetzen kann er sich von seinem Weibe trennen, und er und sie können sich mit andern wieder verheirathen, - aber nicht ungestört. Denn im Namen und Auftrag Christi läßt der hl. Vater die sittliche Weltordnung verkünden mit den Worten des Gottmenschen: "Ein jeder, der sein Weib entläßt und eine andere heirathet, der bricht die Ehe, und wer eine vom Mann Geschiedene heirathet, der bricht die Ehe. Und die Ehebrecher werden das Reich Gottes nicht sehen."
Aber was beweisen uns all' diese kämpfe der Kirche durch alle Jahrhunderte? Warum ist sie so unbeugsam? Warum ließ sie zur Zeit der Reformation als die Wogen in das Schifflein Petri hineinschlugen, Heinrich VIII. von England eher abfallen, als daß sie ihm die Auflösung der Ehe und die Verheirathung mit jener Anna gestattet hätte? Welchen Vortheil hat sie denn? Leiden und Ver- folgungen, Armuth und Elend, Blut und Wunden. Setzet einmal den unmöglichen Fall, Leo der XIII. würde etwa Folgendes verkünden: "Ich sehe, wie die Menschheit große Fortschritte gemacht hat, und wie mit diesem Fortschritte die Unauflöslichkeit der Ehe nicht mehr bestehen kann; da- her ist es in Zukunft gestattet, aus wichtigen Gründen die Ehe aufzulösen, und beide dürfen mit ruhigem Gewissen mit andern sich wieder verheirathen." Welch' ein Jubel auf der ganzen Welt! Der Ungläubigste glaubte auf einmal an die Unfehlbarkeit des Papstes. Hosanna, tönt's von allen Seiten, Hosanna dem größten Papste, Hosanna der Kirche, dieser Freundin des Menschengeschlechtes!
glücklich war Saladin, er hatte keinen Papst!“ Begreifet ihr nun, warum dieses Fleisch keine Ruhe findet, bis es ungestört ein Saladin sein kann?
Ich sage ungestört. Denn was jenen Königen noch nicht möglich war, das ist heute in einem gewissen Sinne jedem Bettler leicht erreichbar. Denn nach bürgerlichen Gesetzen kann er sich von seinem Weibe trennen, und er und sie können sich mit andern wieder verheirathen, – aber nicht ungestört. Denn im Namen und Auftrag Christi läßt der hl. Vater die sittliche Weltordnung verkünden mit den Worten des Gottmenschen: „Ein jeder, der sein Weib entläßt und eine andere heirathet, der bricht die Ehe, und wer eine vom Mann Geschiedene heirathet, der bricht die Ehe. Und die Ehebrecher werden das Reich Gottes nicht sehen.“
Aber was beweisen uns all' diese kämpfe der Kirche durch alle Jahrhunderte? Warum ist sie so unbeugsam? Warum ließ sie zur Zeit der Reformation als die Wogen in das Schifflein Petri hineinschlugen, Heinrich VIII. von England eher abfallen, als daß sie ihm die Auflösung der Ehe und die Verheirathung mit jener Anna gestattet hätte? Welchen Vortheil hat sie denn? Leiden und Ver- folgungen, Armuth und Elend, Blut und Wunden. Setzet einmal den unmöglichen Fall, Leo der XIII. würde etwa Folgendes verkünden: „Ich sehe, wie die Menschheit große Fortschritte gemacht hat, und wie mit diesem Fortschritte die Unauflöslichkeit der Ehe nicht mehr bestehen kann; da- her ist es in Zukunft gestattet, aus wichtigen Gründen die Ehe aufzulösen, und beide dürfen mit ruhigem Gewissen mit andern sich wieder verheirathen.“ Welch' ein Jubel auf der ganzen Welt! Der Ungläubigste glaubte auf einmal an die Unfehlbarkeit des Papstes. Hosanna, tönt's von allen Seiten, Hosanna dem größten Papste, Hosanna der Kirche, dieser Freundin des Menschengeschlechtes!
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glücklich war Saladin, er hatte keinen Papst!“ Begreifet
ihr nun, warum dieses Fleisch keine Ruhe findet, bis es
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Ich sage ungestört. Denn was jenen Königen noch
nicht möglich war, das ist heute in einem gewissen Sinne
jedem Bettler leicht erreichbar. Denn nach bürgerlichen
Gesetzen kann er sich von seinem Weibe trennen, und er
und sie können sich mit andern wieder verheirathen, – aber
nicht ungestört. Denn im Namen und Auftrag Christi
läßt der hl. Vater die sittliche Weltordnung verkünden mit
den Worten des Gottmenschen: „Ein jeder, der sein Weib
entläßt und eine andere heirathet, der bricht die Ehe, und
wer eine vom Mann Geschiedene heirathet, der bricht die
Ehe. Und die Ehebrecher werden das Reich Gottes nicht
sehen.“
Aber was beweisen uns all' diese kämpfe der Kirche
durch alle Jahrhunderte? Warum ist sie so unbeugsam?
Warum ließ sie zur Zeit der Reformation als die Wogen
in das Schifflein Petri hineinschlugen, Heinrich VIII. von
England eher abfallen, als daß sie ihm die Auflösung
der Ehe und die Verheirathung mit jener Anna gestattet
hätte? Welchen Vortheil hat sie denn? Leiden und Ver-
folgungen, Armuth und Elend, Blut und Wunden. Setzet
einmal den unmöglichen Fall, Leo der XIII. würde etwa
Folgendes verkünden: „Ich sehe, wie die Menschheit große
Fortschritte gemacht hat, und wie mit diesem Fortschritte
die Unauflöslichkeit der Ehe nicht mehr bestehen kann; da-
her ist es in Zukunft gestattet, aus wichtigen Gründen die
Ehe aufzulösen, und beide dürfen mit ruhigem Gewissen
mit andern sich wieder verheirathen.“ Welch' ein Jubel auf
der ganzen Welt! Der Ungläubigste glaubte auf einmal
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/167>, abgerufen am 24.11.2024.
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