I. C. VII, u 1) "Keines ist Herr über seinen Leib, sondern in dieser Beziehung Unterthan des andern." Will dich daher eine Person zum Ehebruche verführen, so sage ihr: "Das ist nicht mein Leib, sondern der gehört der Gattin." Wollen dagegen Männer die Keuschheit der Frau zum Falle bringen, soll sie antworten: "Dieser Leib gehört nicht mir, sondern dem Manne."
Aber wie ist das möglich? Wie könnet ihr gegen- seitig zu solchen Hoheitsrechten gelangen? Gehört denn der Leib durch die Erschaffung, durch die Erlösung, durch die Heiligung nicht dem dreieinigen Gott? Freilich. Aber wie kann denn der hl. Chrysostomus sagen: Der Leib des Weibes gehört dem Manne, er hat ein hl. Recht darauf? Hat er etwa zu viel gesagt? - Er hat die reinste Wahr- heit ausgesprochen; aber eine Wahrheit, welche die Braut wie die Eheleute mit Furcht und Zittern erfüllen soll.
Sehet einmal! Ihr erscheinet am Altare nicht bloß um unter euch vor Gott einen Vertrag zu schließen, sondern sogar mit dem dreieinigen Gott. Wie so? "Siehe," spricht gleichsam Gott zum Bräutigam, "siehe, der Leib dieser Braut gehört mir, ich habe ihn erschaffen, gebildet; er gehört meinem göttlichen Sohne, der ihn mit seinem Blute erlöst und erkauft hat; er gehört dem hl. Geiste, der ihn schon bei der hl. Taufe zu seinem Tempel geweiht hat: Du hast bis jetzt Ehrfurcht und Scheu vor ihm ge- habt, um ja nicht unser göttliches Eigenthumsrecht irgend wie zu verletzen; aber siehe von jetzt an trete ich dir von unsern Hoheitsrechten so viel ab, daß diese Braut die Mutter glücklicher Kinder werden kann," Aehnlich sagt der allmächtige Gott zur Braut, um ihr das entsprechende Eigenthumsrecht über den Leib ihres Bräutigams abzu- treten. "Aber so haben wir jene Handlungen nie aufge- faßt." Mag wohl sein. Denn je weniger wir nach dem Beispiele der Väter den Rosenkranz andächtig beten und
I. C. VII, u 1) „Keines ist Herr über seinen Leib, sondern in dieser Beziehung Unterthan des andern.“ Will dich daher eine Person zum Ehebruche verführen, so sage ihr: „Das ist nicht mein Leib, sondern der gehört der Gattin.“ Wollen dagegen Männer die Keuschheit der Frau zum Falle bringen, soll sie antworten: „Dieser Leib gehört nicht mir, sondern dem Manne.“
Aber wie ist das möglich? Wie könnet ihr gegen- seitig zu solchen Hoheitsrechten gelangen? Gehört denn der Leib durch die Erschaffung, durch die Erlösung, durch die Heiligung nicht dem dreieinigen Gott? Freilich. Aber wie kann denn der hl. Chrysostomus sagen: Der Leib des Weibes gehört dem Manne, er hat ein hl. Recht darauf? Hat er etwa zu viel gesagt? – Er hat die reinste Wahr- heit ausgesprochen; aber eine Wahrheit, welche die Braut wie die Eheleute mit Furcht und Zittern erfüllen soll.
Sehet einmal! Ihr erscheinet am Altare nicht bloß um unter euch vor Gott einen Vertrag zu schließen, sondern sogar mit dem dreieinigen Gott. Wie so? „Siehe,“ spricht gleichsam Gott zum Bräutigam, „siehe, der Leib dieser Braut gehört mir, ich habe ihn erschaffen, gebildet; er gehört meinem göttlichen Sohne, der ihn mit seinem Blute erlöst und erkauft hat; er gehört dem hl. Geiste, der ihn schon bei der hl. Taufe zu seinem Tempel geweiht hat: Du hast bis jetzt Ehrfurcht und Scheu vor ihm ge- habt, um ja nicht unser göttliches Eigenthumsrecht irgend wie zu verletzen; aber siehe von jetzt an trete ich dir von unsern Hoheitsrechten so viel ab, daß diese Braut die Mutter glücklicher Kinder werden kann,“ Aehnlich sagt der allmächtige Gott zur Braut, um ihr das entsprechende Eigenthumsrecht über den Leib ihres Bräutigams abzu- treten. „Aber so haben wir jene Handlungen nie aufge- faßt.“ Mag wohl sein. Denn je weniger wir nach dem Beispiele der Väter den Rosenkranz andächtig beten und
<TEI><text><body><divn="12"><p><pbfacs="#f0119"xml:id="H891_001_1896_pb0107_0001"n="107"/>
I. C. VII, u 1) <q>„Keines ist Herr über seinen Leib, sondern<lb/>
in dieser Beziehung Unterthan des andern.“</q> Will dich<lb/>
daher eine Person zum Ehebruche verführen, so sage ihr:<lb/><q>„Das ist nicht mein Leib, sondern der gehört der Gattin.“</q><lb/>
Wollen dagegen Männer die Keuschheit der Frau zum<lb/>
Falle bringen, soll sie antworten: <q>„Dieser Leib gehört<lb/>
nicht mir, sondern dem Manne.“</q></p><p>Aber wie ist das möglich? Wie könnet ihr gegen-<lb/>
seitig zu solchen Hoheitsrechten gelangen? Gehört denn<lb/>
der Leib durch die Erschaffung, durch die Erlösung, durch<lb/>
die Heiligung nicht dem dreieinigen Gott? Freilich. Aber<lb/>
wie kann denn der hl. Chrysostomus sagen: Der Leib des<lb/>
Weibes gehört dem Manne, er hat ein hl. Recht darauf?<lb/>
Hat er etwa zu viel gesagt? – Er hat die reinste Wahr-<lb/>
heit ausgesprochen; aber eine Wahrheit, welche die Braut<lb/>
wie die Eheleute mit Furcht und Zittern erfüllen soll.</p><p>Sehet einmal! Ihr erscheinet am Altare nicht bloß<lb/>
um unter euch vor Gott einen Vertrag zu schließen, sondern<lb/>
sogar mit dem dreieinigen Gott. Wie so? <q>„Siehe,“</q><lb/>
spricht gleichsam Gott zum Bräutigam, <q>„siehe, der Leib<lb/>
dieser Braut gehört mir, ich habe ihn erschaffen, gebildet;<lb/>
er gehört meinem göttlichen Sohne, der ihn mit seinem<lb/>
Blute erlöst und erkauft hat; er gehört dem hl. Geiste,<lb/>
der ihn schon bei der hl. Taufe zu seinem Tempel geweiht<lb/>
hat: Du hast bis jetzt Ehrfurcht und Scheu vor ihm ge-<lb/>
habt, um ja nicht unser göttliches Eigenthumsrecht irgend<lb/>
wie zu verletzen; aber siehe von jetzt an trete ich dir von<lb/>
unsern Hoheitsrechten so viel ab, daß diese Braut die<lb/>
Mutter glücklicher Kinder werden kann,“</q> Aehnlich sagt<lb/>
der allmächtige Gott zur Braut, um ihr das entsprechende<lb/>
Eigenthumsrecht über den Leib ihres Bräutigams abzu-<lb/>
treten. <q>„Aber so haben wir jene Handlungen nie aufge-<lb/>
faßt.“</q> Mag wohl sein. Denn je weniger wir nach dem<lb/>
Beispiele der Väter den Rosenkranz andächtig beten und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[107/0119]
I. C. VII, u 1) „Keines ist Herr über seinen Leib, sondern
in dieser Beziehung Unterthan des andern.“ Will dich
daher eine Person zum Ehebruche verführen, so sage ihr:
„Das ist nicht mein Leib, sondern der gehört der Gattin.“
Wollen dagegen Männer die Keuschheit der Frau zum
Falle bringen, soll sie antworten: „Dieser Leib gehört
nicht mir, sondern dem Manne.“
Aber wie ist das möglich? Wie könnet ihr gegen-
seitig zu solchen Hoheitsrechten gelangen? Gehört denn
der Leib durch die Erschaffung, durch die Erlösung, durch
die Heiligung nicht dem dreieinigen Gott? Freilich. Aber
wie kann denn der hl. Chrysostomus sagen: Der Leib des
Weibes gehört dem Manne, er hat ein hl. Recht darauf?
Hat er etwa zu viel gesagt? – Er hat die reinste Wahr-
heit ausgesprochen; aber eine Wahrheit, welche die Braut
wie die Eheleute mit Furcht und Zittern erfüllen soll.
Sehet einmal! Ihr erscheinet am Altare nicht bloß
um unter euch vor Gott einen Vertrag zu schließen, sondern
sogar mit dem dreieinigen Gott. Wie so? „Siehe,“
spricht gleichsam Gott zum Bräutigam, „siehe, der Leib
dieser Braut gehört mir, ich habe ihn erschaffen, gebildet;
er gehört meinem göttlichen Sohne, der ihn mit seinem
Blute erlöst und erkauft hat; er gehört dem hl. Geiste,
der ihn schon bei der hl. Taufe zu seinem Tempel geweiht
hat: Du hast bis jetzt Ehrfurcht und Scheu vor ihm ge-
habt, um ja nicht unser göttliches Eigenthumsrecht irgend
wie zu verletzen; aber siehe von jetzt an trete ich dir von
unsern Hoheitsrechten so viel ab, daß diese Braut die
Mutter glücklicher Kinder werden kann,“ Aehnlich sagt
der allmächtige Gott zur Braut, um ihr das entsprechende
Eigenthumsrecht über den Leib ihres Bräutigams abzu-
treten. „Aber so haben wir jene Handlungen nie aufge-
faßt.“ Mag wohl sein. Denn je weniger wir nach dem
Beispiele der Väter den Rosenkranz andächtig beten und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/119>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.