Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

viel Neues und Interessantes zu finden,
dass uns gewiss schon der Versuch, ihr
näher zu kommen, reichlich belohnt
wird. -- Nur hüte man sich, mit zu
raschen übermüthigen Schritten auf sie
einzudringen. Unser Sinn sey offen,
rein, gelehrig, unser Gang vorsichtig
und immer aufmerksam, Täuschungen
der Phantasie und der Sinne zu vermei-
den, und unser Weg sey der sichere,
wenn gleich nicht der bequemste, Weg
der Erfahrung und bescheidenen Prü-
fung -- nicht der Flug kühner Hypo-
thesen, der gewöhnlich zulezt der Welt
nur zeiget, dass wir wächserne Flügel
hatten. -- Auf diesem Wege sind wir
am sichersten, das Schicksal jener Philo-
sophen zu vermeiden, von welchen
Baco sehr passend sagt: "sie werden zu
"Nachteulen, die nur im Dunkel ihrer
"Träumereyen sehen, aber im Licht der
"Erfahrung erblinden, und gerade das
"am wenigsten wahrnehmen können,
"was am hellsten ist." Auf diesem Wege
und in dieser Geistesstimmung sind seit

viel Neues und Intereſſantes zu finden,
daſs uns gewiſs ſchon der Verſuch, ihr
näher zu kommen, reichlich belohnt
wird. — Nur hüte man ſich, mit zu
raſchen übermüthigen Schritten auf ſie
einzudringen. Unſer Sinn ſey offen,
rein, gelehrig, unſer Gang vorſichtig
und immer aufmerkſam, Täuſchungen
der Phantaſie und der Sinne zu vermei-
den, und unſer Weg ſey der ſichere,
wenn gleich nicht der bequemſte, Weg
der Erfahrung und beſcheidenen Prü-
fung — nicht der Flug kühner Hypo-
theſen, der gewöhnlich zulezt der Welt
nur zeiget, daſs wir wächſerne Flügel
hatten. — Auf dieſem Wege ſind wir
am ſicherſten, das Schickſal jener Philo-
ſophen zu vermeiden, von welchen
Baco ſehr paſſend ſagt: „ſie werden zu
„Nachteulen, die nur im Dunkel ihrer
„Träumereyen ſehen, aber im Licht der
„Erfahrung erblinden, und gerade das
„am wenigſten wahrnehmen können,
„was am hellſten iſt.“ Auf dieſem Wege
und in dieſer Geiſtesſtimmung ſind ſeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071" n="43"/>
viel Neues und Intere&#x017F;&#x017F;antes zu finden,<lb/>
da&#x017F;s uns gewi&#x017F;s &#x017F;chon der Ver&#x017F;uch, ihr<lb/>
näher zu kommen, reichlich belohnt<lb/>
wird. &#x2014; Nur hüte man &#x017F;ich, mit zu<lb/>
ra&#x017F;chen übermüthigen Schritten auf &#x017F;ie<lb/>
einzudringen. Un&#x017F;er Sinn &#x017F;ey offen,<lb/>
rein, gelehrig, un&#x017F;er Gang vor&#x017F;ichtig<lb/>
und immer aufmerk&#x017F;am, Täu&#x017F;chungen<lb/>
der Phanta&#x017F;ie und der Sinne zu vermei-<lb/>
den, und un&#x017F;er Weg &#x017F;ey der &#x017F;ichere,<lb/>
wenn gleich nicht der bequem&#x017F;te, Weg<lb/>
der Erfahrung und be&#x017F;cheidenen Prü-<lb/>
fung &#x2014; nicht der Flug kühner Hypo-<lb/>
the&#x017F;en, der gewöhnlich zulezt der Welt<lb/>
nur zeiget, da&#x017F;s wir wäch&#x017F;erne Flügel<lb/>
hatten. &#x2014; Auf die&#x017F;em Wege &#x017F;ind wir<lb/>
am &#x017F;icher&#x017F;ten, das Schick&#x017F;al jener Philo-<lb/>
&#x017F;ophen zu vermeiden, von welchen<lb/><hi rendition="#i">Baco</hi> &#x017F;ehr pa&#x017F;&#x017F;end &#x017F;agt: &#x201E;&#x017F;ie werden zu<lb/>
&#x201E;Nachteulen, die nur im Dunkel ihrer<lb/>
&#x201E;Träumereyen &#x017F;ehen, aber im Licht der<lb/>
&#x201E;Erfahrung erblinden, und gerade das<lb/>
&#x201E;am wenig&#x017F;ten wahrnehmen können,<lb/>
&#x201E;was am hell&#x017F;ten i&#x017F;t.&#x201C; Auf die&#x017F;em Wege<lb/>
und in die&#x017F;er Gei&#x017F;tes&#x017F;timmung &#x017F;ind &#x017F;eit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0071] viel Neues und Intereſſantes zu finden, daſs uns gewiſs ſchon der Verſuch, ihr näher zu kommen, reichlich belohnt wird. — Nur hüte man ſich, mit zu raſchen übermüthigen Schritten auf ſie einzudringen. Unſer Sinn ſey offen, rein, gelehrig, unſer Gang vorſichtig und immer aufmerkſam, Täuſchungen der Phantaſie und der Sinne zu vermei- den, und unſer Weg ſey der ſichere, wenn gleich nicht der bequemſte, Weg der Erfahrung und beſcheidenen Prü- fung — nicht der Flug kühner Hypo- theſen, der gewöhnlich zulezt der Welt nur zeiget, daſs wir wächſerne Flügel hatten. — Auf dieſem Wege ſind wir am ſicherſten, das Schickſal jener Philo- ſophen zu vermeiden, von welchen Baco ſehr paſſend ſagt: „ſie werden zu „Nachteulen, die nur im Dunkel ihrer „Träumereyen ſehen, aber im Licht der „Erfahrung erblinden, und gerade das „am wenigſten wahrnehmen können, „was am hellſten iſt.“ Auf dieſem Wege und in dieſer Geiſtesſtimmung ſind ſeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/71
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/71>, abgerufen am 24.11.2024.