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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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Aber, wird mancher fragen, wie ist
es möglich, bey einem gesunden und
wohl genährten Körper, bey unsrer
Denk- und Lebensweise, Enthaltsamkeit
bis zum vier oder fünf und zwanzigsten
Jahre, genug, bis zur Zeit der Ehe, zu
beobachten? *) -- Dass es möglich ist,

*) Noch immer träumt sich mancher die schlimm-
sten physische Folgen, die die Enthaltsamkeit
haben müsste. Aber ich kann nicht oft genug
daran erinnern, dass diese Säfte nicht blos zur
Ausleerung sondern am meisten zur Wiederein-
faugung ins Blut und zu unsrer eignen Stärkung
bestimmt sind. Und hier kann ich nicht unter-
lassen auf eine Einrichtung aufmerksam zu ma-
chen, die auch in diesem Stück unsre moralische
Freyheit sichert und daher ein ausschliessliches
Eigenthum des Menschen ist. Ich meyne die
von Zeit zu Zeit erfolgenden natürlichen Entle-
digungen derer Säfte, die theils zur Hervorbrin-
gung, theils zur Ernährung der Frucht bestimmt
sind (Pollutiones nocturnae beym männlichen,
Menstrua beym weiblichen Geschlechte). Der
Mensch sollte zwar beständig fähig zur Fortpflan-
zung, aber nie dazu thierisch gezwungen seyn,
und diess bewirken diese nur bey Menschen exi-
stirenden natürlichen Ableitungen, sie entziehen
den Menschen der Sklaverey des blos thierischen

Aber, wird mancher fragen, wie iſt
es möglich, bey einem geſunden und
wohl genährten Körper, bey unſrer
Denk- und Lebensweiſe, Enthaltſamkeit
bis zum vier oder fünf und zwanzigſten
Jahre, genug, bis zur Zeit der Ehe, zu
beobachten? *) — Daſs es möglich iſt,

*) Noch immer träumt ſich mancher die ſchlimm-
ſten phyſiſche Folgen, die die Enthaltſamkeit
haben müſste. Aber ich kann nicht oft genug
daran erinnern, daſs dieſe Säfte nicht blos zur
Ausleerung ſondern am meiſten zur Wiederein-
faugung ins Blut und zu unſrer eignen Stärkung
beſtimmt ſind. Und hier kann ich nicht unter-
laſſen auf eine Einrichtung aufmerkſam zu ma-
chen, die auch in dieſem Stück unſre moraliſche
Freyheit ſichert und daher ein ausſchlieſsliches
Eigenthum des Menſchen iſt. Ich meyne die
von Zeit zu Zeit erfolgenden natürlichen Entle-
digungen derer Säfte, die theils zur Hervorbrin-
gung, theils zur Ernährung der Frucht beſtimmt
ſind (Pollutiones nocturnae beym männlichen,
Menſtrua beym weiblichen Geſchlechte). Der
Menſch ſollte zwar beſtändig fähig zur Fortpflan-
zung, aber nie dazu thieriſch gezwungen ſeyn,
und dieſs bewirken dieſe nur bey Menſchen exi-
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[522/0550] Aber, wird mancher fragen, wie iſt es möglich, bey einem geſunden und wohl genährten Körper, bey unſrer Denk- und Lebensweiſe, Enthaltſamkeit bis zum vier oder fünf und zwanzigſten Jahre, genug, bis zur Zeit der Ehe, zu beobachten? *) — Daſs es möglich iſt, *) Noch immer träumt ſich mancher die ſchlimm- ſten phyſiſche Folgen, die die Enthaltſamkeit haben müſste. Aber ich kann nicht oft genug daran erinnern, daſs dieſe Säfte nicht blos zur Ausleerung ſondern am meiſten zur Wiederein- faugung ins Blut und zu unſrer eignen Stärkung beſtimmt ſind. Und hier kann ich nicht unter- laſſen auf eine Einrichtung aufmerkſam zu ma- chen, die auch in dieſem Stück unſre moraliſche Freyheit ſichert und daher ein ausſchlieſsliches Eigenthum des Menſchen iſt. Ich meyne die von Zeit zu Zeit erfolgenden natürlichen Entle- digungen derer Säfte, die theils zur Hervorbrin- gung, theils zur Ernährung der Frucht beſtimmt ſind (Pollutiones nocturnae beym männlichen, Menſtrua beym weiblichen Geſchlechte). Der Menſch ſollte zwar beſtändig fähig zur Fortpflan- zung, aber nie dazu thieriſch gezwungen ſeyn, und dieſs bewirken dieſe nur bey Menſchen exi- ſtirenden natürlichen Ableitungen, ſie entziehen den Menſchen der Sklaverey des blos thieriſchen

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/550>, abgerufen am 22.11.2024.